Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Die schlesische Mentalität

Der polnische Handball-Superligist Górnik Hindenburg gehört in der laufenden Saison ganz unerwartet zu den Favoriten und damit zu den Hauptanwärtern auf eine Medaille. Dabei sind seine Gegner nicht von Pappe. So zählen zwei davon – Vive Kielce und Wisła Plock – zur absoluten Spitze in Europa!

Rastislav Trtík, Trainer der Handballmannschaft Górnik Zabrze Foto: www.presov.korzar.sme.sk

Die Schlesier scheren sich nun aber nicht so sehr um ihre Rivalen, sondern konzentrieren sich vor allem auf ihre Arbeit! Und sie tun das mit durchschlagendem Effekt. Zu verdanken ist dies zweifelsohne weitgehend auch dem tschechischen Trainer Rastislav Trtík, einem ganz besonderen Fachmann, der mit Sicherheit auch in viel reicheren und prominenteren Klubs einen Job finden würde. Weswegen hat er sich nun also für Hindenburg entschieden?

Wir kneifen nicht

Zunächst einmal wollte ich ein Team in der polnischen Superliga betreuen. Und als ich hörte, dass es hier diese Möglichkeit gab und das auch noch in Hindenburg, sprang ich vor Freude hoch, denn es gefällt mir sehr gut in Schlesien. Und auch die schlesische Mentalität ist ja unserer tschechischen, also auch der meinen, sehr ähnlich. Das ist aber auch kein Wunder, schließlich liegt mein tschechischer Wohnort gerade mal 40 Autominuten von Hindenburg entfernt. Die Ähnlichkeit unserer Charaktere zeigt sich auch in der Mannschaft, an der Atmosphäre in der Garderobe und natürlich auch daran, was für uns am wichtigsten ist – auf dem Parkett. Unsere derzeit guten Ergebnisse liegen auch daran, dass wir in kritischen Wettkampfsituationen nicht aufgeben, wir kneifen ganz einfach nicht”, sagt Rastislav Trtík. Begeistert ist der tschechische Coach auch von der guten Organisation des Hindenburger Klubs, auch wenn ihm ein paar Dinge verbesserungsbedürftig erscheinen, so etwa die technische Ausrüstung oder auch die Kommunikation zwischen dem Vereinsvorstand und den Spielern.

Gute Atmosphäre ist Schlüssel zum Erfolg

Das seien aber nur Kleinigkeiten, ansonsten gebe Górnik ein sehr positives Gesamtbild ab. Deshalb ist seiner Meinung nach derzeit alles auf einem guten Weg dazu, dass die von ihm betreute Mannschaft noch bessere Leistungen erzielt als jetzt. Rastislav Trtík hat in seiner Trainerkarriere bereits viele Teams in verschiedenen Ligen gecoacht und jedes von ihnen hatte, wie er sagt, seine Eigenart. Sein Ziel war dabei jedoch immer, zuallererst eine gute Atmosphäre in der Mannschaft zu schaffen, denn das sei der Schlüssel zum Erfolg. Eine solche gute Atmosphäre aufzubauen ist es ihm nun glücklicherweise auch bei Górnik gelungen. Jetzt hat es die Mannschaft offenbar darauf abgesehen, die höchsten Ziele in der polnischen Topklasse und künftig auch in europäischen Pokalwettbewerben zu erreichen. Wie der Coach allerdings betont, ist das aktuelle Mannschaftsbild nicht nur auf sein Engagement zurückzuführen, sondern auch auf die Arbeit anderer Menschen, die mit dem Team zusammenarbeiten, und insbesondere auf die Struktur, die sich im Klub herausgebildet hat.

Großartige Mischung

Was nun den Kader des Hindenburger Klubs betrifft, so ist dieser unter dem wachsamen Auge des tschechischen Trainers als eine Mischung von Jugend, Kreativität und Erfahrung aufgebaut worden. Eine geradezu explosiv wirkungsvolle Mischung, möchte man sagen beim Blick auf die aktuellen Ergebnisse. Das liegt auch daran, dass Rastislav Trtík keine Angst davor hat, auch sehr junge Spieler aufs Parkett zu schicken, selbst wenn sie dabei technische bzw. taktische Fehler machen. Er ist nämlich der Ansicht, dass begabte Junioren auch und gerade an der Seite ihrer älteren Kollegen lernen und Erfahrungen sammeln müssen. Und dabei bekommen sie auch die Chance, die Fans sukzessive für sich zu überzeugen und dem Trainerteam zu beweisen, dass ihr Einsatz auch mal positiv einen Unterschied macht. „Zwar sind junge Handballer nicht immer mental bereit, bei jedem Einsatz auf höchstem Level zu spielen, aber ich freue mich über ihre Kampflust, ihren Vorwärtsdrang und ihre spielerische Fantasie und manchmal auch ihre Unberechenbarkeit”, sagte Rastislav Trtík. Die Philosophie des Trainers von jenseits der polnischen Südgrenze hat dazu geführt, dass die Hindenburger aus einem Liga-Mittelgewicht nun zu einem Team geworden sind, das in dieser Saison um eine Medaille kämpft.

Druck nicht erhöhen

Daher wollen unter den glühenden Górnik-Fans die Ungeduldigsten schon jetzt wissen: Ist für ihre Lieblinge in dieser Saison eine Medaille, zumindest eine bronzene, erreichbar? Eine eindeutige Antwort auf diese Frage ist der tschechische Trainer ihnen bisher schuldig geblieben, um seine Spieler nicht noch stärker unter Druck zu setzen, da dies sehr negative Auswirkungen haben könnte. „Uns stehen noch etliche Spiele bevor und es ist ja nicht so einfach, das bislang sehr hohe Spielniveau zu halten. Außerdem sind zahlreiche Spieler derzeit in einem Trainingslager oder werden kurzfristig eines absolvieren und dabei sind beispielsweise auch Verletzungen nicht auszuschließen, wie diese ja im Handball recht häufig vorkommen”, argumentiert Rastislav Trtík und fügt hinzu: „Ich kann allerdings versichern, dass unser Ziel für die jetzige Saison eine Platzierung zwischen Tabellenplatz vier und sechs ist. Das ist für uns absolut machbar. Und eine Medaille? Bis auf Weiteres müssen wir genau das tun, was wir bis jetzt getan haben, denn gerade dadurch konnten wir die positiven Ergebnisse erzielen, die am Ende der Saison vielleicht in einem Platz auf dem Podium resultieren werden. Vielleicht. Aber wir wollen nicht schon heute daran denken, sondern uns vielmehr auf unsere nächstliegenden Aufgaben, Gegner und Wettkämpfe konzentrieren.”

Ein Trainer mit menschlichem Gesicht

Rastislav Trtík ist übrigens nicht darauf erpicht, seinem Lebenslauf um jeden Preis weitere Erfolge hinzuzufügen, und zeigt damit ein wahrhaft menschliches Gesicht. Er ist nämlich ein großer Gegner von Wettkämpfen alle drei Tage: „Aus meiner Sicht können so häufige Einsätze den Spielern nur schaden. Man darf nicht vergessen: Der Handball ist ein kontaktreiches und sehr dynamisches Spiel und die Spieler verfügen über enorme Kraft und Energie, daher kann es sehr schnell zu Verletzungen kommen. Auch wenn ein Spieler heute noch keine gesundheitlichen Probleme hat, wird das meiner Meinung nach in fünf bis zehn Jahren der Fall sein. Und zwar, weil die Beanspruchung der Handballspieler so hoch ist, dass sie ihre Gesundheit mit Sicherheit negativ beeinflussen wird, und ich halte das, ehrlich gesagt, für kriminell. Ich denke sogar, dass der Wettkampfkalender, den wir heute haben, nur von Leuten konzipiert werden konnte, die nur wenig vom Sport, von der Regeneration und den Belastungen verstehen. Ich bin deshalb nicht überrascht, dass es in der polnischen Liga so viele verletzungsbedingte Ausfälle gibt und dass viele junge Spieler ihre Karriere beenden müssen. Es sind ganz offensichtlich die Belastungen, die daran schuld sind.” Würde man diesem Denkanstoß des Trainers Rastislav Trtík folgen, müsste man somit in Sachen Wettkampftermine so Einiges überdenken, um den Spielern nicht mehr zu schaden.

 

 

 

Krzysztof Świerc

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