Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Am Weihnachtsbaum die Lichter brennen …

Foto: Bundesbildarchiv

Weihnachten ohne Tannenbaum ist heute undenkbar. Obwohl wir aber meinen, diese Tradition gäbe es „schon immer“, ist sie in Wirklichkeit gar nicht so alt. Erst seit ca. 500 Jahren kennt man den Weihnachts- oder Christbaum und bis er es in die Wohnzimmer der Menschen geschafft hatte, vergingen weitere Jahrhunderte.

 

Weihnachtsgeschenke erhalten ihren Zauber erst, wenn sie unter dem geschmückten Baum neben der Krippe liegen. In jeder Familie gibt es bestimmte Traditionen für die Bescherung, die meistens nach dem Kirchgang und dem Verzehr eines traditionellen, festlichen Essens stattfindet. Bei der Bescherung werden Gedichte aufgesagt, Lieder gesungen und oft auch die Weihnachtsgeschichte vorgelesen. Der mit Weihnachtsschmuck – meistens kommen die Originale aus dem Thüringer Wald, vor allem aus Lauscha, der „Welthauptstadt“ des geblasenen Glasschmucks – Lametta und Süßigkeiten verzierte Baum wird auf der Spitze mit einem Stern gekrönt und beleuchtet wird er heute mit elektrischen Lämpchen. Den stimmungsvollen Kerzenschein von einst, der einen „Waldduft“ verbreitete, gibt es dagegen heute kaum noch, denn zu oft hatte die Feuerwehr an den Festtagen Einsätze, wenn Wohnungsbrände manchen Familien  dann Schrecken und Verlust brachte.

 

Der Weihnachtsbaum sorgt für eine angenehme, festliche Stimmung. Verwandte und Gäste kommen vorbei, um den Baum zu bewundern und dabei ein Stück Stolle und eine Tasse guten Kaffee  zu genießen. Für die evangelischen Christen ist es mit der Herrlichkeit allerdings schon am 6. Januar (Fest der Erscheinung des Herrn oder auch Dreikönigstag) vorbei, während bei den Katholiken der inzwischen nadelnde Baum die Hausfrau bis zum 2. Februar (Mariä Lichtmess) beschäftigen kann. Danach werden die nutzlos gewordenen Bäume an Sammelpunkten abgelegt, von wo die ihres Schmuckes „beraubten“ Nordmanntannen für ZOO- und Zirkustiere, vor allem Elefanten, als Futter abgeholt werden. In kleineren Städten und auf dem Land hat sich dagegen in den letzten Jahren der Brauch eingebürgert, dass die ausgedienten Bäume gestapelt und dann abgebrannt werden. Ihre einstigen Besitzer und deren Verwandte und Freunde, ja ganze Straßen- und Dorfgemeinschaften feiern dann mit Gebäck und Glühwein das Ende der Weihnachtszeit. Das ist also das ruhmlose Ende  der einst so prächtigen Weihnachtsbäume. Nur ihre „Kunststoffbrüder“ können in Kellern und auf Böden auf die nächste Weihnachtszeit warten.

 

Brauchtum seit 500 Jahren

 

Woher und seit wann gibt es aber dieses weihnachtliche Brauchtum? Ein genaues Datum gibt es natürlich nicht, aber seit fast 500 Jahren sind Hinweise für das Aufstellen „grüner Bäume“ in Deutschland vorhanden. Das bisher älteste diesbezügliche schriftliche Dokument  stammt aus dem Jahr 1527 aus Stockstadt am Main und 1539 wird verbrieft, dass im Straßburger Münster ein Weihnachtsbaum  stand. In Kirchen, Rat- und Zunftshäusern traf man sich also damals, um unter dem Baum das Christfest zu feiern. Damals hat sich auch in manchen Gegenden der Name „Christbaum“ eingebürgert und 1605 gibt es aus dem Elsass erste Nachrichten, dass reiche Familien in ihrem Haus einen Christbaum aufstellten. Aus Schlesien kommt dann zu Weihnachten 1611 eine historische Nachricht: Es wird berichtet, dass im Piastenschloß in Brieg ein mit Wachskerzen beleuchteter großer Tannenbaum aufgestellt wurde.  Im großen Saal bescherte die Schlossherrin Herzogin Dorothea Sybille von Brieg die Familienangehörigen, die Mitglieder ihres Hofstaates und die Dienerschaft. Sie hatte als geborene Prinzessin von Brandenburg diesen Brauch aus ihrem Heimatland mitgebracht und damit begann der Siegeszug der beleuchteten Weihnachtstanne in Schlesien.

 

Der Weihnachtsbaum in Thüringen

 

Goethe und Schiller in Weimar verzichteten nicht auf das Aufstellen eines Baumes zur Weihnachtszeit. Goethe hat ihn sogar in seinem Frühwerk „Die Leiden des jungen Werther“ literarisch verewigt.  Der Dichterfürst stammte aus Frankfurt am Main, sein Freund Friedrich von Schiller aus Schwaben und dieser ermahnte oft seine Hausfrau, sich rechtzeitig um einen Baum für das Fest sich zu bemühen. So haben die beiden deutschen Dichter den geschmückten Baum in Weimar populär gemacht. 1815, nach den Befreiungskriegen und dem Ende der napoleonischen Zeit, gab es viele arme Menschen in Thüringen. Der Weimarer Buchhändler Johann Wilhelm Hoffmann stellte daher weltweit den ersten öffentlichen Weihnachtsbaum vor seinem Geschäft auf und beschenkte arme Kinder. Thüringen wurde dann seit 1850 neben dem Erzgebirge das sprichwörtliche deutsche „Weihnachtsland“: In vielen Dörfern und kleinen Städten wurden in Handwerksbetrieben, Manufakturen und Fabriken Christbaumschmuck hergestellt, vor allem in Lauscha im Thüringer Wald, dessen Schmuck in alle fünf Kontinente exportiert wurde und heute noch wird. Und natürlich kam und kommt aus Thüringen vielfältiges Spielzeug, das unbedingt zur weihnachtlichen Bescherung gehört. Hier ist es vor allem Sonneberg, hart an der Grenze zu Bayern gelegen, dessen Spielzeug die Kinder erfreute und bei den Erwachsenen Weltruf erlangte.

 

Als die Weihnachtsbäume noch nicht in großen Plantagen für den Markt heranwuchsen, sondern einzeln in den Wäldern geschlagen wurden, gehörte Thüringen auch zu den größten deutschen „Baumexporteuren“, besonders als es nach den Gründerjahren im 19. Jahrhundert bei allen Volksschichten Mode wurde, sich einen Weihnachts- oder Christbaum in die gute Stube zu stellen. Heute werden jährlich rund 30 Millionen Weihnachtsbäume für das Fest der Feste in Deutschland gekauft. Natürlich gab und gibt es auch heute noch „Liebhaber“ des Weihnachtsbaumes, der diesen statt auf dem Markt zu kaufen, lieber in den Wäldern für sich fällt. Das ist gegen eine gewisse Gebühr möglich, aber die Forstbeamten müssen neben Wilderern und Holzdieben auch auf jene aufpassen, die sich diesbezüglich kostenlos im Wald bedienen wollen.

 

Ohne Martin Luther geht es nicht

 

Die evangelische Kirche führte den Christ- oder Weihnachtsbaum und die Bescherung am Weihnachtstag ein, wofür der Reformator Dr. Martin Luther verantwortlich ist. Er hatte mit der Abschaffung der Heiligenverehrung und deren Gedenktage, den Kindern die Bescherung am Tag des Heiligen Nikolaus, 6. Dezember, genommen. Vor allem waren es seine eigenen Kinder, die traurig darüber waren, sodass er dafür einen Ersatz schaffte. Statt den Heiligen Nikolaus und seinem Knecht Ruprecht, vor dem sich viele Kinder fürchteten, lies er das liebe und sanfte  Christkind die Gaben bringen. Dazu hat er das noch heute so beliebte Weihnachtslied „Vom Himmel hoch, da komm ich her“ geschaffen. Dass der Weihnachtsmann eine evangelische Erfindung ist, ist eine immer wieder gehörte falsche Behauptung. Denn dieser Gabenbringer, der vor allem in Skandinavien und in Nord- und Mitteldeutschland die Kinder beschenkt, ist eine Kunstfigur, die vor allem durch die Werbung der amerikanischen Coca-Cola Company weltweite Verbreitung gefunden hat. Später fanden evangelische und katholische Christen wieder eine Gemeinsamkeit: Sie ließen sowohl den Heiligen Nikolaus wie auch das Christkind als Gabenbringer zu – und so ist es bis heute geblieben.

 

Dass der Reformator auch der „Erfinder“ des Weihnachtsbaumes  ist, ist bis heute eine schöne Legende, zu der zahlreiche Bilder beigetragen haben, vor allem der von Carl August Schwerdgeburth 1856 in Weimar geschaffene Stahlstich „Weihnachten bei Luther 1536“. An der dargestellten Familienidylle entspricht lediglich die Lutherstube in Wittenberg.

 

Deutsches Weihnachtsbrauchtum in aller Welt

 

Den Beginn der Verbreitung des Weihnachtsbaumes von Deutschland hinaus ist Albert von Sachsen-Coburg-Gotha, dem Gemahl der englischen Königin Viktoria, zu verdanken. Dieser Coburger Prinz brachte den Weihnachtsbaum nach England, wie ein Gemälde der Königsfamilie von 1848 zeigt. Bereits 1816 hatte ein anderes Mitglied des deutschen Hochadels, Prinzessin Henriette Alexandrine von Nassau-Weilburg, den Weihnachtsbaum „exportiert“. Als Frau des österreichischen  Erzherzog Karl, des Siegers über Napoleon bei Aspern, machte sie damals die Wiener mit dem Baum mit brennenden Kerzen bekannt.

 

Als die großen deutschen Auswanderungen zwischen der Reichsgründung und dem Beginn des Ersten Weltkriegs, sowohl in die deutschen Kolonien wie auch nach Nord- und Südamerika und Australien, stattfanden, verbreitete sich der Weihnachtsbaum in alle Welt. Neben den Auswanderern, den Siedlern in den Kolonien, den deutschen Kaufleuten und Missionaren sorgten vor allem die deutschen Seeleute dafür, dass der Baum selbst die entferntesten Orte der Welt „eroberte“ und überall dort als Symbol der deutschen Weihnacht gilt.

 

Auch in den beiden Weltkriegen des vergangenen Jahrhunderts war der Weihnachtsbaum nicht wegzudenken. Sowohl auf den Schlachtfeldern, den Kriegsschiffen und Fliegerhorsten gab es Bäume, wenn auch von kleinerer Größe. Bekannt ist, dass im Ersten Weltkrieg in den Schützengräben an der Westfront auf beiden Seiten kleine Weihnachtsbäume zum leuchten gebracht wurden, der Kampflärm verstummte und dafür das bekannteste Weihnachtslied der Welt „Stille Nacht, heilige Nacht“ sowohl in deutsch wie auch französisch erklang. Im Zweiten Weltkrieg und in der Nachkriegszeit war der Weihnachtsbaum, und wenn er noch so klein und beschieden geschmückt war,  für viele Bombengeschädigte, Kriegsgefangene, Flüchtlinge und Vertriebene ein Zeichen des Friedens und der Hoffnung auf eine bessere Zeit.

 

Groß, größer am größten …

 

In den vergangenen Jahrzehnten ist es in den deutschen Städten und auf ihren Weihnachtsmärkten Brauch geworden, einen Weihnachtsbaum an zentraler Stelle aufzustellen. Dabei wollen die Städte und Betreiber der Märkte sich übertreffen. Es gilt den größten und ausgeschmücktesten Baum zu haben. Auch in anderen Städten in der ganzen Welt gehört diese, inzwischen schon zur Traditionen gewordene Art des Baumaufstellens zur Advents- und Weihnachtszeit.

 

Während in Dortmund auf dem Weihnachtsmarkt der 45 Meter Höhe größte Weihnachtsbaum Deutschlands steht (angeblich wäre er auch der größte der Welt), steht am Rockefeller Conty Plaza in New York der als „Christmas Tree“ wohl Bekannteste der Welt. Seit 1933 beginnt mit dem Anzünden der Lichter dieses Baumes die Weihnachtszeit in den USA. Der diesjährige Baum kommt aus dem Bundesstaat Pennsylvania, ist 25 Meter hoch und wiegt 13 Tonnen. 45.000 Lampen lassen den Baum erstrahlen. Jährlich sollen bis zu 18 Millionen Menschen den Baum bewundern, dessen krönender Stern allein 1,5 Millionen Dollar kostet. Dieser Baum hat nur sehr wenig mit dem Wunder der „Stillen Nacht“, der Freude auf die Geburt des Jesuskindes zu tun – er ist lediglich eine Verherrlichung des Kommerz, der immer mehr von Weihnachten Besitz ergreift. Ein für Europa symbolischer Baum steht als Geschenk des Landes Niederösterreich bereits seit 18 Weihnachten vor dem EU-Parlament in Brüssel. Relativ spät kam die Tradition des Weihnachtsbaumes auch nach Rom. Auf Anregung von Papst Johannes Paul II. wurde 1982 zum ersten Mal ein entsprechender Baum vor der großen Krippe auf dem Petersplatz aufgestellt. Baum und Krippe kommen jedes Jahr aus einem anderen Land: 2016 schenkte den Baum Niederösterreich und die Krippe kommt aus Malta. Im vorigen Jahr stellten drei bayrische Gemeinden den Baum zur Verfügung. Bayern, die österreichischen Bundesländer sowie Südtirol sind die Hauptsponsoren des jährlichen Baumes, dessen Aufstellung auf dem Petersplatz eine große Ehre für den Baumspender ist.

 

Johanna Lemke-Prediger

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