Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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„Antidotum“ kürt Gewinner von Wettbewerb für Nachwuchsjournalisten

Unter dem Titel „Das Bild der deutschen Minderheit in Polen“ führte die Redaktion des „Antidotum“, die Quartalsschrift des Bundes der Jugend der Deutschen Minderheit (BJDM), vor Kurzem einen Wettbewerb für Nachwuchsjournalisten durch. Im BJDM-Garten in Oppeln wurden nun die Gewinner – oder besser: die Gewinnerinnen – gekürt.

Beim BJDM wurde die Eröffnung der Gartensaison gefeiert. Bei Grillwürstchen, Kartoffel- und Nudelsalat sowie deutschsprachiger Musik kamen zahlreiche Jugendliche und junge Erwachsene aus den Reihen der deutschen Minderheit zusammen, um gemeinsam den Beginn der warmen Jahreszeit einzuläuten.

Mit dabei war auch die Redaktion des „Antidotum“, die die Gelegenheit nutzte, in diesem heiteren Ambiente die Gewinner ihres Wettbewerbs für Nachwuchsjournalisten zu küren. Worum ging es dabei?

„Das Ziel des Wettbewerbs war es, sich mit dem Bild der deutschen Minderheit in Polen zu beschäftigen“, erklärt Gabriela Roterman, Chefredakteurin des „Antidotum“ und zugleich Studentin der Public Relations an der Universität Oppeln. „Jeder Teilnehmer hat diesbezüglich seine subjektive Einschätzung auf der Grundlage eigener Erfahrungen abgegeben.“ Die journalistische Darstellungsform war dabei frei wählbar. Anhand von Kriterien wie „Inhaltsbezogener Wert“, „Kreativität“ oder „sprachliche Qualität“ wurden die auf Deutsch verfassten Texte dann von einer mehrköpfigen Jury bewertet.

Den nach Ansicht der Jurymitglieder besten Beitrag schrieb dabei Wiktoria Ernst aus Lonschnik (Łącznik) nahe des Schlosses Moschen. In ihrem Essay „Kaffeekränzchen bleibt aus“ beschreibt sie in aller Kürze – und mit einer Prise Humor –, wie sie persönlich die deutsche Minderheit in Polen wahrnimmt und inwiefern diese in den letzten Jahren moderner geworden sei. Die 22-jährige Studentin ist als Mitglied in der Oppelner Ortsgruppe des BJDM aktiv – und möchte auch in Zukunft dem Schreiben treu bleiben. „Ich hoffe, dass ich meine Schreibfähigkeiten noch weiterentwickeln und vielleicht bald auch meine eigenen Texte publizieren kann“, erzählt sie.

Auf Platz zwei landete Karolina Łatacz aus Częstochowa. Die 24-Jährige studiert derzeit in Warschau Germanistik und arbeitet nebenbei als Deutschlehrerin an einer Sprachschule. In ihrem Essay rekapituliert sie die Geschichte der deutschen Minderheit in Polen und legt die Probleme dar, mit denen selbige in den vergangenen Jahrzehnten konfrontiert war und aktuell noch immer ist.

Die beiden Gewinnerinnen dürfen sich über hochwertige Sachpreise freuen: Neben einer GoPro-Kamera und kabellosen Kopfhörern gab es auch einen Zugang zu der Lernplattform für digitale Medien, Grafikgestaltung und Marketing „eduweb.pl“. Die anderen Teilnehmer gingen aber nicht leer aus: Sie erhielten deutschsprachige Literatur zum Thema Journalismus und kleine Gadgets wie Schlüsselanhänger.

Wie Gabriela Roterman verrät, soll es seitens des „Antidotum“ demnächst noch weitere Wettbewerbe für interessierte junge Leute geben – dann zu Fotografie und Videoproduktion.

Lucas Netter

Die Texte der Gewinnerinnen und Gewinner können Sie hier lesen:

Platz 1:” Kaffeekränzchen bleibt aus”, von Wiktoria Ernst

Ein großes, leckeres Stück Kuchen, dazu ein kräftiger Kaffee. Ein bisschen plaudern, schön lächeln und schnell nach Hause gehen. So stellt man sich die Treffen der Mitglieder der deutschen Minderheit vor. Das sind doch ihre wichtigsten Aspekte, oder nicht? Omas treffen sich, nichts Neues, voll langweilig.

Viele Jahre lang galten diese Beschreibungen, das war das Bild der Minderheit in Polen. Die Zeiten, in denen man sich nur getroffen hat, um auf alte Veranstaltungen zurückzublicken, sind jedoch vorbei. Alles änderte sich grundsätzlich, jetzt zeigt sich die Minderheit von einer anderen Seite.

Nehmen wir zum Beispiel die jüngsten Aktivisten. Alle Schritte, die sie im Namen der Deutschen in Polen unternehmen, werden strikt dokumentiert. Es gibt viele Foren und Gruppen, in denen sie sich mit Informationen austauschen. Instagram, Facebook, ein interessanter Livestream oder Podcast. Warum nicht? Das sind die heutigen Wege, so reißt man das größte Publikum mit sich. Das hat die Jugend der deutschen Minderheit verstanden – und sie denkt nicht daran, den Fuß vom Gaspedal zu nehmen. Nein, es heißt „Jetzt erst recht!“

Sie sind zuständig für viele großartige Projekte in ihrem Umfeld, wie zum Beispiel „Das große Schlittern”, „City Bound Berlin“ oder das alljährliche Sommercamp, um nur die populärsten zu nennen. Das Schönste an dem Ganzen ist jedoch die Tatsache, dass die Erwachsenen sie dabei unterstützen. In den Sinn kommen mir spezielle Kurse, die die Minderheit den Jugendlichen und jungen Erwachsenen anbietet, um ihre Kompetenzen im Bereich Führung, Animation oder Teamfähigkeit zu erweitern. Möchtest du ein Anführer der deutschen Minderheit werden oder interessierst du dich für die Arbeit mit Kindern? Kein Problem. Man muss nur die offiziellen Internetseiten verschiedener Organisationen besuchen und kann überall etwas Interessantes für sich zu finden. Institutionen wie das Haus der Deutsch-Polnischen Zusammenarbeit, die Sozial-Kulturelle Gesellschaft der Deutschen im Oppelner Schlesien oder der Verband der deutschen sozial-kulturellen Gesellschaften in Polen sind offen für Neues und unterstützen die jungen Aktivisten bei ihren Ideen und Träumen.

Nicht nur die Jugendlichen verdienen es, ins Rampenlicht gestellt zu werden. Es sind auch die Politiker, die Hauptvertreter der Minderheit, die das Internet als neues Medium für die Kommunikation mit anderen Mitgliedern für sich entdeckt haben. Man muss auch zugeben, dass es ihnen gelingt. Sie informieren uns stets, woran sie gerade arbeiten oder womit sie zu kämpfen haben. Ein schnelles Selfie vor dem Parlamentsgebäude oder ein kurzer Film über ein wichtiges Treffen – so erreichen sie ihre Follower. Oftmals wenden sie sich in ihren Internetbeiträgen direkt an uns. Es werden spezielle Einladungen verschickt, Ereignisse im Radio oder den Zeitschriften publik gemacht. Und wenn sie eine neue Aktion starten, finden sie Freiwillige, die ihnen dabei helfen, etwas Außergewöhnliches auf die Beine zu stellen.

Die deutsche Minderheit ist jedoch nicht nur im Internet präsent. Die Veröffentlichung eigener Zeitungen, spezielle Radiosendungen oder Kooperationen mit regionalen Partnern sind wichtige Mittel, um die eigene Kultur und die Traditionen zu fördern.

Rund um die deutsche Minderheit wird es nicht still. Leider zählen die letzten Jahre nicht zu den einfachsten in ihrer Geschichte. Ihre Tätigkeiten wurden oft beschränkt, Fördergelder gekürzt. Die Mitglieder bleiben jedoch nicht tatenlos. Es werden verschiedene Informationskampagnen organisiert, ein Besuch im Parlament schreckt sie nicht ab und sie haben keine Angst, auf die Straßen zu gehen, um für ihre Rechte zu kämpfen. Die deutsche Minderheit hat eine Stimme, sie hat Wert. Nach den neusten Aktivitäten wagt es auch keiner, dies anzuzweifeln.

Ich würde gern noch meine fünf Groschen in den Text einbringen. Ich selbst bin ein Teil der deutschen Minderheit in Polen und an ihren Veranstaltungen nehme ich gern teil. Ich muss zugeben, dass ich anfangs von ihren Initiativen nicht überzeugt war. Es erschien mir alles veraltet und langweilig. Dies änderte sich, als ich selbst aktiv mitgewirkt habe. Es benötigt nur ein bisschen Mut, Zeit und Energie, dann öffnet sich vor uns eine kleine, neue Welt. Ich empfehle somit jedem, es mal auszuprobieren. Vielleicht findest Du Dich in der kleinen Welt wieder, wer weiß… Die deutsche Minderheit wird immer moderner – und dies ist auch gut so. Aber ich hoffe, sie verzichten nicht komplett auf den Kuchen, denn der war immer lecker.

Wiktoria Ernst

 

Platz 2: „Das Bild der deutschen Minderheit in Polen“,

Um den Grund für das heutige Bild der Deutschen in Polen zu verstehen, müssen wir bis in die zweite Hälfte der 1940er-Jahre zurückgehen: Als Folge des Zweiten Weltkrieges verliert Polen seine östliche Gebiete; deren Bevölkerung wird in die ehemals deutschen Ostgebiete umgesiedelt. Die dortigen Einheimischen deutscher Nationalität werden zu großen Teilen aus Schlesien und Pommern vertrieben. Es bleiben nur wenige Menschen in ihrer angestammten Heimat, die sich in der neuen Realität zurechtfinden müssen. Die Propaganda der Regierung der Volksrepublik Polen versucht mit aller Macht, das deutsche Kapitel in der Geschichte der Region aus dem Gedächtnis der Menschen zu löschen. So wird zum Beispiel das Sprechen auf Deutsch verboten – auch in der Privatsphäre der Wohnung und im Familienkreis. Viele Menschen, die nach dem Krieg geblieben waren, weil sie hofften, dass sich die Situation nur um etwas Vorübergehendes handeln würde, konnten die neue Ordnung nicht ertragen und verließen schließlich ihre Heimat in den 1960er- und 1980er-Jahren.

Die 1990er-Jahre brachten neuen Wind in die Segel der deutschen Minderheit: Die Volksrepublik Polen ging zu Ende und die Dritte Polnische Republik wurde gegründet – ein Land, das zumindest theoretisch toleranter gegenüber nationalen und ethnischen Minderheiten sein sollte. Auch die Deutschen Freundschaftskreise wurden ins Leben gerufen, um die Traditionen, die Kultur und die deutsche Identität zu pflegen und zu erhalten.

Man könnte vermuten, dass die Realität der Dritten Polnischen Republik eine ideale Welt für die Minderheit ist, die sich ihrer Herkunft nicht schämen muss und selbstbewusst darüber sprechen kann – denn sie lebt in einem freien Land, das sich durch die Einhaltung westeuropäischer Standards auszeichnet. Die Mehrheit der erwachsenen polnischen Bevölkerung, die Einfluss auf die Gestaltung und das Funktionieren des Staates hat, ist jedoch mit der Propaganda der Volksrepublik Polen aufgewachsen. Ihre Darstellung der deutschen Minderheit ist sehr schädlich und klischeehaft: Die Deutschen seien der Zweite Weltkrieg, sie seien die ausbleibenden Kriegsreparationen, sie seien regelrechte „Umstürzler“, die Schlesien von Polen abtrennen wollten. Dieses Bild spiegelt sich oft auch in der Stimmung der polnischen Bevölkerung wider – und die zweisprachigen Ortsschilder, die wie durch ein Wunder mancherorts aufgestellt wurden, werden zerstört, oder es wird gefordert, diese abzuschaffen. Junge Leute, die den Freundschaftskreisen beitreten könnten, sind nicht bereit, dies zu tun, denn die Bevölkerung gibt ihnen das Gefühl, dass die deutsche Sprache schrecklich sei, dass sie keine echten Deutschen seien, und die Deutschen Freundschaftskreise seien eine Ansammlung von alten Leuten, die sich für Deutsche halten, aber nur auf Polnisch sprechen. In den Staatsmedien wird ebenfalls häufig in einem negativen Kontext über Deutschland gesprochen, was die schlechte Meinung vieler Polen gegenüber der deutschen Minderheit entsprechend fördert.

Der polnischen Regierung zufolge soll Polen ein ethnisch und kulturell homogenes Land sein. Ein Beispiel hierfür ist die Volkszählung 2021, die vom polnischen Statistischen Zentralamt durchgeführt wurde. Eine der ersten Fragen, die es zu beantworten galt, lautete: „Geben Sie Ihre Staatsangehörigkeit an.“ Doch es gab folgende Einschränkung: „Wenn Sie sowohl die polnische als auch die Staatsangehörigkeit eines anderen Landes besitzen, geben Sie die polnische an.“ Dies ist eine eklatante Verfälschung der Statistiken durch den polnischen Staat. Die deutsche Minderheit hat eine Informationskampagne über das korrekte Ausfüllen des Formulars gestartet, um die deutsche Staatsangehörigkeit anzugeben. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Aktion die geplante Wirkung hatte, denn die Zählung ist bereits ein halbes Jahr her, und die vollständigen Daten wurden noch immer nicht veröffentlicht. Offensichtlich sind die erzielten Ergebnisse nicht zufriedenstellend und die Verzögerung bei der Veröffentlichung führt dazu, dass die Aussagekraft und der Nutzen der Erhebung immer geringer werden.

Als es so aussah, als könne es nicht mehr schlimmer werden, wurde der deutschen Minderheit vom Bildungsministerium ein weiterer Schlag versetzt. Der neue Wind der Dritten Republik bedeutete auch, dass an polnischen Schulen die deutsche Sprache unterrichtet werden konnte. Es war zwar ein sehr begrenztes Programm, aber es war die Grundlage für die weitere Entwicklung und das Erlernen der Muttersprache. Nun beschloss jemand im Bildungsministerium – mit tatkräftiger Unterstützung eines Abgeordneten aus der Oppelner Region –, dass es an der Zeit sei, damit Schluss zu machen. Der Unterricht in Deutsch als Minderheitensprache wurde zwar nicht gänzlich abgeschafft, aber auf eine Stundenzahl reduziert, was eine Entwicklung unmöglich macht. Der Minister legitimiert sein Vorgehen mit dem Argument, dass die polnischstämmigen Menschen in Deutschland diskriminiert würden, und dass es nicht möglich sei, an deutschen Schulen angemessen Polnisch zu lernen. Dies ist eine Manipulation, denn die deutsche Minderheit in Polen setzt sich aus Angestammten zusammen und unterscheidet sich somit von den polnischstämmigen Menschen in Deutschland, die sich aus Emigranten zusammensetzen.

Hat die eutsche Minderheit in Polen eine Chance zu überleben und sich zu entwickeln? In den mehr als 70 vergangenen Jahren war es nie einfach. In den 1990er-Jahren kam es zu einem leichten Tauwetter, das die Schaffung offizieller Strukturen ermöglichte, die im Namen ihrer Mitglieder handeln konnten. Die derzeitigen polnischen Regierungen befürworten keine Minderheiten und versuchen gleichzeitig, in der Bevölkerung eine negative Einstellung ihnen gegenüber zu fördern. Man muss jedoch optimistisch in die Zukunft blicken. Die Minderheit ist es gewohnt, unter schwierigen Bedingungen zu existieren – und sie hat äußerst dynamische Mitglieder. Keine Regierung ist für die Ewigkeit, die jüngere Generation hat im Allgemeinen eine tolerantere Meinung, in der es Platz für Minderheiten aller Art gibt. Denken wir daran, dass die Hoffnung zuletzt stirbt.

Karolina Łatacz

 

 

Platz 3: „Die deutsche Minderheit in Polen“

Der durchschnittliche Pole hat keine Ahnung von der hiesigen deutschen Minderheit und betrachtet unseren Staat als einen nationalen und religiösen „Monolithen“. Dies ist nicht überraschend: Wir sind ein Land, das trotz seiner reichen und multikulturellen Geschichte während des Zweiten Weltkrieges und des Kommunismus seiner ethnischen und religiösen Minderheiten beraubt wurde (ich meine die fast vollständige Vernichtung der großen jüdischen Gemeinschaft durch die Nationalsozialisten und die Deportation von Menschen in die Sowjetunion).

Daher ist es schwierig, das Bild der deutschen Minderheit auf der Makroebene, das heißt auf der Ebene Polens als Ganzes, zu betrachten. Der vernünftigste Ansatz scheint die Mikroebene zu sein, die Seite der Menschen, die tagtäglich direkt mit der deutschen Minderheit in Polen in Kontakt stehen und mit ihr zusammenleben – besonders in Schlesien.

Wenn wir uns mit den historischen Veränderungen nach dem Zweiten Weltkrieg vertraut machen, stellt sich vielleicht die Frage: Warum sind diese Menschen nicht nach Westdeutschland gegangen, als sie die Möglichkeit dazu hatten, sondern haben sich dazu entschlossen, in einem sozialistischen Land zu bleiben? Vor allem aber in einem Land, das weniger gut verwaltet wurde, das einfach ärmer war und in dem das Leben im Allgemeinen schwieriger war. Und hier sehen wir ein wichtiges Element des Bildes der deutschen Minderheit in Polen: Es ist ihre Liebe und Verbundenheit zu ihrer Heimatregion. Und ich versichere Ihnen: Die Woiwodschaft Oppeln gehört definitiv zu einer der schönsten in Polen, mit Wäldern, Seen, charmanten Dörfern sowie faszinierenden Schlössern und Burgen, die sich über eine hügelige Landschaft erstrecken.

Bis heute leben in dieser Region viele ältere Menschen, die noch im damaligen Deutschen Reich geboren wurden, aber die meiste Zeit ihres Lebens in Polen verbracht haben und bis heute dort wohnen. Trotz der unterschiedlichen Realitäten haben sie ihre Kultur und Sprache an die nachfolgenden Generationen weitergegeben. Dank dieser Entschlossenheit und ihrer Stärke konnten sie Anfang der 1990er-Jahre eine recht starke Vertretung im polnischen Sejm gewinnen. Wir können diese Gruppe im Zusammenhang mit Polen und dem Polentum als neutral, aber im Zusammenhang mit der Region als sehr wichtig betrachten.

Als ich in Bayern gelebt habe, ist mir aufgefallen, wie wichtig die Region und wie wenig wichtig der deutsche Staat ist. Wie Regionalität und Tradition hervorgehoben werden. Das war für mich überraschend, denn in Polen ist es eher umgekehrt: Das Land als solches steht an erster Stelle und erst danach kommt die Region, mit der viele von uns sich nicht wirklich identifizieren. Ich halte das für einen Fehler, denn Regionalität schafft einen starken Staat, ein dezentraler Staat ist besser für den Durchschnittsbürger. Die beiden Regionen, die schlesische Woiwodschaft und die Woiwodschaft Oppeln, die eigentlich eine einzige schlesische Woiwodschaft sein sollten, bewahren ihre Traditionen, ihren Geist und ihre Kultur auch dank der starken Arbeit der deutschen Minderheit.

Dieses Gefühl der eigenen Besonderheit und die Aktivität der deutschen Minderheit, die mehr Rechte einfordert, wird in unserem Warschau in gewisser Weise als Angriff auf das Polentum empfunden, was Jarosław Kaczyński, der polnische Vize-Ministerpräsident, in einer Rede im Jahr 2012 betonte, als er sagte: „Die deutsche Minderheit hat zu viele Rechte in Polen.“ Viele Menschen, die nicht mit der Region verbunden sind, applaudierten dieser Welle von Zwischenrufen gegen die deutsche Minderheit und ihre Rechte in Polen und fügten beiläufig hinzu, dass die Polen in Deutschland – obwohl Millionen von ihnen dort leben – keinen Minderheitenstatus haben.

Wir müssen uns jedoch an die vergangenen Jahrhunderte erinnern, an den Staat, zu dem diese Region einst gehörte, und an die Millionen von Menschen, die vor dem Weltkrieg dort lebten. Viele Menschen sehen in der deutschen Minderheit in Polen eine Bedrohung für unser Land und unsere Staatlichkeit, oft als Ausdruck der noch immer lebendigen und blutigen Geschichte, die unsere Völker verbindet und in der es zweifellos die Deutschen waren, die unsere Identität zerstören wollten.

Das Bild der deutschen Minderheit in Polen ist, wie man sieht, komplex und von einer schwierigen Vergangenheit geprägt. Als junger Mensch möchte ich jedoch in die Zukunft blicken, ich möchte in einem freien und offenen Europa leben, in dem starke Nationalitäten und Regionen unsere Realität bunter, interessanter und faszinierender machen. Wir sollten so viel wie möglich von unseren deutschen Freunden lernen, einen gemeinsamen Dialog führen, uns um unsere Vergangenheit kümmern und eine gemeinsame und reiche Zukunft aufbauen, in der es Platz für alle gibt, unabhängig von ihrer Herkunft. Ich wünsche mir, dass die deutschen Organisationen in der Woiwodschaft Oppeln weiterhin dynamisch arbeiten, ihre Besonderheit betonen und mit uns einen gemeinsamen Staat bauen.

Karol Kempski

 

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