Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Appell um Dialog

Am Tag nach dem beschlossenen Appell des Sejmik der Woiwodschaft Oppeln zur Kürzung der Subventionen für den Unterricht von Deutsch als Minderheitensprache hat die Sozial-Kulturelle Gesellschaft der Deutschen im Oppelner Schlesien heute (22. Dezember) eine Pressekonferenz organisiert. Daran nahmen auch Vertreterinnen einer polnischen Organisationen in Deutschland teil – des Polnischen Bundesnetzwerks für Partizipation und Soziales.

 

An der Pressekonfereny nahm online Dr. Kamila Schöll-Mazurek und Joanna Szymanska (auf dem Bildschrim links) teil
Foto: R.Urban

 

Die Vertreter der deutschen Minderheit des Polnischen Bundesnetzwerks waren einig, dass Entscheidungen des Sejm am Freitag vergangener Woche sowohl der deutschen Minderheit in Polen als auch der Polonia in Deutschland schaden würde. Es geht dabei um die Kürzung der Bildungssubvention für Deutsch als Minderheitensprache im Jahr 2022 um fast 40 Mio. PLN, die zur Förderung des Polnischunterrichts in Deutschland verwendet werden sollen.

 

„Wir sind nicht mit der Umsetzung von Lösungen, die angeblich für uns vorteilhaft sind, einverstanden, ohne mit uns über die aktuellen Bedürfnisse der polnischen Gemeinschaft zu sprechen und ohne die Komplexität der Situation zu kennen. Die geplante Kürzung der Bildungsförderung für Gruppen, die im Gesetz vom 6. Januar 2005, über die nationalen und ethnischen Minderheiten sowie die Regionalsprache, anerkannt wurden, sind durch die Aufhebung der gesetzlichen Rechte der deutschen Minderheit in Polen motiviert und stellen keine Lösung dar, die wir brauchen“,

 

sagte Dr. Kamila Schöll-Mazurek vom Bundesnetzwerk. Und Joanna Szymańska, Presseprecherin des Netzwerkes in Nordrhein-Westfalen fügte hinzu: „Die Kürzung der Bildungsförderung für die deutsche Minderheit kann zu einer Eskalation in den ohnehin nur bedingt korrekten deutsch-polnischen Beziehungen führen und negative Folgen für die polnische Gemeinschaft bei der Aushandlung von guten Lösungen von Seiten der deutschen Regierung haben. Deshalb fordern wir nachdrücklich die Einstellung der für uns schädlichen Aktionen. Wir stehen für eine Politik des Dialogs, zu der wir erneut aufrufen.”

 

Schaden für die Kinder

 

Die Pressekonferenz wurde im Internet live übertragen.
Foto: R.Urban

 

Der Abgeordnete der deutschen Minderheit Ryszard Galla, der am Entscheidungstag im polnischen Sejm versuchte die Abgeordnetenkollegen davon zu überzeugen, nicht für den Haushaltsentwurf zu stimmen, der einen Änderungsantrag bezüglich der Subvention für den Sprachunterricht von Minderheiten vorsieht, sagte bei der Pressekonferenz: „Dies ist eine sehr schlechte, sehr schädliche, eine mit der Verfassung, nicht zu vereinbarende Änderung. Was für ein Weihnachtsgeschenk machen wir den Kindern, die Deutsch lernen? Ich habe ebenfalls Minister Czarnek dazu befragt. Dieser war aber nicht in der Lage, diese Frage zu beantworten. Warum versucht der Bildungsminister aus den Kindern politisches Kapital zu schlagen?“

Auch der Vorsitzende der Oppelner SKGD Rafał Bartek betonte, dass die Entscheidung des polnischen Parlaments vor allem den Kindern schade: „Als Gesellschaft sollten wir uns um die bestmögliche Ausbildung der künftigen Generationen kümmern. Indem wir ihnen die Möglichkeit nehmen, in der Schule Deutsch zu lernen, nehmen wir ihnen die Chance auf einen guten Start in den Arbeitsmarkt. In den letzten Jahren ist die Woiwodschaft Oppeln, gerade wegen seiner Arbeitskräfte mit Sprachkenntnissen, für Investoren attraktiv geworden. Indem wir die Möglichkeit nehmen, diese Sprache zu lernen, nehmen wir uns gleichzeitig die Gelegenheit, unsere Region zu entwickeln. Damit schadet man nicht nur der deutschen Minderheit, sondern auch der gesamten Region“.

 

 

Als Praktikerin kam während der Pressekonferenz Agnieszka Kała, Direktorin und Deutschlehrerin an einer vereinsschule in Grodisko (Gemeinde Gr. Stryhlitz) zu Wort: „Unsere Schule ist eine kleine Dorfschule mit 36 Kindern. Sie  funktioniert dank der Subvention für den Unterricht von Deutsch als Minderheitensprache. Wir gehen in erster Linie auf die Bedürfnisse von Eltern ein, die wollen, dass ihre Kinder die deutsche Sprache beherrschen. Um diese Sprache unterrichten zu können, müssen jedoch die notwendigen Voraussetzungen geschaffen werden, d. h. die Räumlichkeiten, das Heizmaterial und die Lehrmittel. Diese Subvention ermöglicht es kleine Schulen zu unterhalten und gibt unseren Kindern die Möglichkeit, ihre sprachliche und kulturelle Identität zu entwickeln. Der Wegfall dieser Subvention würde dazu führen, dass unsere Kinder aus ihren Gemeinschaften entwurzelt werden würden und zu großen Schulen pendeln müssten. Die Lehrer müssten sich dann einen neuen Arbeitsplatz suchen“.

 

Europäische Ebene

Dass die Kürzung der Bildungssubvention nicht allein ein innenpolitisches oder deutsch-polnisches Problem ist, betonte bei der Pressekonferenz der Vorsitzende des Verbandes deutscher Gesellschaften Bernard Gaida: „Die Verpflichtungen der Republik Polen gegenüber nationalen Minderheiten ergeben sich nicht nur aus der nationalen Gesetzgebung, sondern vor allem aus der ratifizierten Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen. Beispiele in anderen europäischen Ländern zeigen, dass die Minderheitensprachen einen Mehrwert für diese Länder darstellen und die Mehrheitsgesellschaften oft danach bestrebt sind, dieses regionale Merkmal für künftige Generationen zu erhalten. Als Beispiel können hier Bildungslösungen in Rumänien oder Litauen dienen“.

 

Ein falsches Signal

Zur Entscheidung des Sejm die Bildungssubvention für Deutsch als Minderheitensprache zu kürzen hat das Wochenblatt eine Anfrage an das Bundespresseamt gesendet. Dieses verwies auf die Stellungnahme des Bundesbeauftragten für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten Prof. Bernd Fabritius. Darin betont er, die Mitglieder der deutschen Minderheit seien loyale Staatsbürger Polens und haben Anspruch auf die Förderung ihrer Kultur. Der nun erfolgte Schritt sei ein falsches politisches Signal.

Gleichzeitig schreibt aber Fabritius, als Antwort auf die Vorwürfe, Deutschland finanziere nicht den Polnischunterricht: „Es gibt keine ungedeckte Nachfrage nach Polnischunterricht: Überall dort, wo entsprechende Nachfrage seitens polnischer Mitbewohner angemeldet wurde, haben die dafür zuständigen Länder nach den dafür geltenden Regeln und in Erfüllung der bilateralen Vereinbarungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Polen (Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen über gute Nachbarschaft und freundschaftliche Zusammenarbeit von 1991) entsprechende Angebote unterbreitet und Möglichkeiten geschaffen. Dieses haben mehrere auch aktuelle Untersuchungen der Kultusministerkonferenz nach Thematisierung der Fragen am Deutsch-Polnischen Runden Tisch ergeben“.

Zudem widerspricht der Bundesbeauftrage der von polnischer Seite angegebenen Zahl von 2,2 Mio. Polen: „In Deutschland leben keine 2,2 Millionen Polen. Die aus Polen nach Abschluss der allgemeinen Vertreibungen nach dem zweiten Weltkrieg ausgewanderten ethnischen Deutschen – also etwa ausgesiedelte Schlesier oder Ostpreußen – zählen sich selbst dezidiert nicht zur „Polonia“ in Deutschland sondern sind Deutsche. Sie werden aber in polnischen Statistiken fälschlicher Weise mit vereinnahmt. Laut Mikrozensus leben zutreffend etwa 2.2 Millionen „Menschen mit polnischem Migrationshintergrund“ in Deutschland. Davon sind aber laut Bundesverwaltungsamt 1.447.251 Menschen als deutsche Aussiedler und Spätaussiedler (Stand 2018) unter ausdrücklicher Berufung auf deren deutsche Volkszugehörigkeit in einem Aufnahmeverfahren nach dem Bundesvertriebenengesetz (BVFG) zugezogen.

 

Ethnische Polen als Adressaten eines Polnisch-Unterrichts gäbe es also etwa 750.000 in Deutschland.“

 

Die deutsche Minderheit will nun zunächst im Senat für die Streichung der Kürzungen eintreten. Dieser soll Anfang Januar seinerseits über den Haushalt entscheiden. Sollte der Senat Änderungen einfügen, müssten diese aber wiederum vom Sejm genehmigt werden. Die Gefahr ist also weiterhin präsent, dass der Deutschunterricht als Minderheitensprache ab September 2022 in einer nur geringen Anzahl von Wochenstunden stattfinden wird.

Rudolf Urban

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