Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

Aufhören, wenn es am schönsten ist

Drei Jahre lang war Julia Herzog als Kulturmanagerin des Instituts für Auslandsbeziehungen (ifa) beim Verband der deutschen Gesellschaften in Ermland und Masuren (VdGEM) und bei der Allensteiner Gesellschaft Deutscher Minderheit (AGDM) tätig. Im Interview mit Lucas Netter blickt sie auf ihre Zeit im Norden Polens zurück – und verrät, wie es nun beruflich für sie weitergeht.


Julia, von September 2019 bis Ende August 2022 hast Du als entsandte ifa-Kulturmanagerin mit der deutschen Minderheit in Ermland und Masuren zusammengearbeitet. Kannst Du Dich noch an Deine ersten Eindrücke in der Region erinnern?

Mir wurde gleich zu Beginn meiner Entsendung bewusst, wie verstreut die deutsche Minderheit hier im Norden Polens ist. Als ifa-Kulturmanagerin in Ermland und Masuren habe ich nämlich nicht nur mit den Angehörigen der Minderheit in und um Allenstein zusammengearbeitet, sondern war für die ganze Woiwodschaft zuständig. Im ersten Entsendejahr hatte ich sogar noch drei Gastinstitutionen: Neben der AGDM und dem VdGEM war ich zusätzlich noch bei der Neidenburger Gesellschaft der Deutschen Minderheit tätig. Als eine Art Bindeglied zwischen den drei Gesellschaften habe ich sofort gespürt, dass viele Erwartungen an mich gestellt wurden – besonders, was die Jugendarbeit betrifft. Das Ganze war natürlich eine riesige Herausforderung für mich; ich wollte ja keine Organisation vernachlässigen und mit allen gleichermaßen Projekte und Veranstaltungen durchführen. Ich habe diese Herausforderung aber gern angenommen und meine Arbeit zu jeder Zeit mit Freude ausgeübt.

Abschied bei süßen Waffeln: Julia Herzog (2. v. l.) mit drei Jugendlichen des Deutschklubs
Foto: privat

Was waren die Ziele in Deiner Zusammenarbeit mit der örtlichen deutschen Minderheit?
Mein großes Ziel war es, die Jugendarbeit zu intensivieren. Ich wollte Jugendliche aus der Region dafür begeistern, sich dauerhaft für die deutsche Minderheit zu engagieren. Um dieses Ziel zu erreichen, habe ich viele innovative und attraktive Projekte entwickelt und realisiert.

Allerdings muss ich dazusagen, dass es zu Beginn meiner Tätigkeit als ifa-Kulturmanagerin kaum Jugendliche gab, die bereits in den Strukturen der deutschen Minderheit in Ermland und Masuren aktiv waren. Ich musste die jungen Leute also erst einmal „auftreiben“ – was gar nicht so einfach war und mich einige Mühen gekostet hat: Ich bin in die Schulen und Universitäten gegangen und habe dort den direkten Kontakt gesucht, habe Filmworkshops und Quizabende organisiert und generell ordentlich Werbung für die Minderheit gemacht. Der Aufwand hat sich gelohnt, denn auf diese Weise ist es mir gelungen, eine ansehnliche Gruppe von Jugendlichen zu gewinnen – und zwar sowohl aus den Reihen der deutschen Minderheit als auch aus der Mehrheitsgesellschaft. Im Spätherbst 2019 habe ich dann auch den Deutschklub gegründet, der schnell zum Kern meiner Jugendarbeit wurde und bis heute existiert.

Daneben habe ich aber auch viel Netzwerk- und Öffentlichkeitsarbeit betrieben und neue Partner akquiriert, zum Beispiel die Woiwodschaftsbibliothek in Allenstein oder die Universität Ermland-Masuren.

Wie sah Dein Arbeitsalltag als ifa-Kulturmanagerin aus?
Das kann man nur schwer verallgemeinern und hing immer davon ab, in welcher Phase eines Projekts ich mich gerade befand. Es gibt Perioden, in denen die Projekte administrativ geplant werden, in denen man Anträge schreibt und viel telefoniert. Diese Phasen sind sehr bürolastig. Wenn die Projekte dann umgesetzt werden, herrscht natürlich eine ganz andere Intensität.

Bei mir kommt noch hinzu, dass ich gleich zwei Büros hatte: An drei Tagen in der Woche war ich beim VdGEM, zwei Tage bei der AGDM. Generell habe ich mich in den drei Jahren nie gelangweilt – auch nicht während der Coronapandemie. Die vielen Projekte, die ich geplant und durchgeführt habe, haben mir ohnehin kaum Ruhepausen erlaubt.

Welche dieser Projekte sind Dir besonders in Erinnerung geblieben?
Generell kann ich sagen, dass ich aufhöre, wenn es am schönsten ist. Gerade jetzt nach der Coronapandemie hat sich arbeitstechnisch sehr viel eingependelt, und ich konnte alles realisieren, was ich mir für die Jugendlichen vorgenommen hatte. In diesem Jahr konnten sogar gleich zwei grenzüberschreitende Projekte mit starken Kooperationspartnern umgesetzt werden (eine Bildungsreise zum Pilecki-Institut nach Berlin und eine Internationale Denkwerkstatt zum Thema Nachhaltigkeit in Preßburg, Anm. d. Red.). Das waren definitiv zwei Highlights meiner hiesigen Tätigkeit.

Mein Herzensprojekt ist und bleibt aber der Deutschklub. Da wurde etwas geschaffen, das von Dauer ist. Mit dem Deutschklub gibt es für die Jugendlichen der deutschen Minderheit in Ermland und Masuren nun einen Ankerpunkt – der auch nach meinem Weggang bestehen bleibt. Mittlerweile sind viele Mitglieder des Klubs der ersten Stunde selbst schon ELOm-Jugendleiter und organisieren bereits eigene Projekte. So wird sichergestellt, dass sich auch weiterhin junge Leute für die Minderheit engagieren.

Foto: Conartti Design

Hast Du einen Tipp, den Du Deinem Nachfolger mit auf den Weg geben möchtest?
Jeder ifa-Kulturmanager muss natürlich seine eigene Herangehensweise finden und eigene Schwerpunkte setzen, aber ich würde meinem Nachfolger empfehlen, den Schreibtisch zu verlassen, herauszugehen und von Anfang an den persönlichen Kontakt zu den Angehörigen der Minderheit zu suchen. Offen sein, kommunikativ sein – dann kommt der Rest fast von allein. Und auch wenn es mal herausfordernd wird, sollte er oder sie nie den Spaß und die Freude an dieser besonderen Arbeit verlieren.

Wie geht es beruflich jetzt für Dich weiter?
Ich werde Ermland und Masuren zwar in Richtung Berlin verlassen, der deutschen Minderheit bleibe ich aber erhalten. Ich vergrößere lediglich meinen Radius und werde ab September als Projekt- und Büroassistenz bei der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Minderheiten in der Föderalistischen Union Europäischer Nationalitäten anfangen. In dieser Funktion werde ich sowohl Projekte initiieren, unterstützen und begleiten als auch administrativ-verwaltend tätig sein – und intensiv mit dem AGDM-Sprecher Bernard Gaida zusammenarbeiten. Für die deutsche Minderheit in Polen bin ich also nicht aus der Welt, sondern sozusagen nur eine Tür weiter. Und hinter dieser Tür ist nun ein größerer Raum, den ich betreuen werde, nämlich ganz Europa. Auf diese neue Herausforderung freue ich mich sehr.

Gibt es noch etwas, das Du zum Abschied loswerden möchtest?
Ich möchte den Jugendlichen, mit denen ich hier so viel Zeit verbracht habe, ganz viel Erfolg auf ihrem weiteren Weg wünschen. Es ist einfach großartig, mit welchem Einsatz sie sich – neben der Schule – für die deutsche Minderheit engagieren! Ich hoffe sehr, dass sie diese Begeisterung nicht verlieren und erkannt haben, wie wichtig ihr Engagement für das Fortbestehen der Minderheit ist.

Natürlich möchte ich mich auch bedanken, und zwar in erster Linie bei all den lieben Menschen, die mich hier so gut aufgenommen und in den vergangenen drei Jahren begleitet haben. Auch das ifa in Stuttgart hat mich in dieser Zeit immer hervorragend betreut und mir das Sammeln wertvoller Erfahrungen ermöglicht. Mein ganz besonderer Dank richtet sich aber an meine Mutter, die mich von zu Hause aus immer nach Kräften unterstützt hat. Gerade am Anfang war die Kulturmanagertätigkeit eine mental herausfordernde Zeit für mich. Ohne die Unterstützung und Hilfe meiner Mutter hätte ich das Ganze nicht geschafft. Meine erfolgreiche Zeit hier in Ermland und Masuren ist also auch ihr Verdienst.

Show More