Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Begründer der Paralympics

Vor dem Vortrag in Königshütte, von links: HDPZ-Projektleiter Dr. Michał Matheja, Prof. Józef Musielok und Lucjan Dzumla (HDPZ-Geschäftsführer) Foto: Johannes Rasim
Vor dem Vortrag in Königshütte, von links: HDPZ-Projektleiter Dr. Michał Matheja, Prof. Józef Musielok und Lucjan Dzumla (HDPZ-Geschäftsführer)
Foto: Johannes Rasim

Die Reihe des Hauses der Deutsch-Polnischen Zusammenarbeit (HDPZ) „Wir alle sind Schlesier – Wszyscy jesteśmy Ślązakami” wurde am 3. Dezember mit einem Vortrag über das Leben, Werk und Erbe des Dr. Ludwig Guttmann in Königshütte fortgesetzt.

 

Ludwig Guttmann, der bedeutende Neurologe und Neurochirurg, der die Grundlagen für die Behandlung Querschnittgelähmter schuf und die Paralympischen Spiele begründete, wurde 1899 in Tost (Toszek) geboren. 1902 zog Guttmanns Familie nach Königshütte (Chorzów), wo er 1917 sein Abitur am humanistischen Gymnasium ablegte, bevor er zum Militärdienst einberufen wurde. In Königshütte sammelte Ludwig Guttmann als Pfleger seine ersten Erfahrungen mit körperbehinderten Menschen, die zumeist nach Unfällen in Gruben Körperteile einbüßten. Ab 1918 studierte Guttmann Medizin in Breslau sowie in Halle (Saale). Danach arbeitete er in der Neurologischen Klinik in Breslau, wo er sich 1930 im Fach Neurologie habilitierte. Nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten wurde er von seinem Posten als Chefarzt am Wenzel-Hancke-Krankenhaus aufgrund des Berufsverbots für Juden entlassen.

 

In seinem Vortrag sprach Prof. Józef Musielok (Oppeln) auch über die Geschehnisse in der Reichskristallnacht 1938, als Guttmann zahlreichen Menschen das Leben rettete: „Über 60 Juden suchten Schutz im jüdischen Krankenhaus, das Guttmann damals leitete. Er gab die Anweisung alle aufzunehmen, die bei ihm Zuflucht suchten. Am folgenden Tag als die Gestapo kam, bestätigte Guttmann, dass alle aufgenommen werden mussten: Er ging von Bett zu Bett mit den Gestapo-Leuten und erklärte die jeweiligen Beschwerden.“ Kurz vor Kriegsbeginn floh Guttmann nach England, wo er sich seiner Lebensaufgabe widmen konnte – dem Zentrum zur Behandlung Querschnittsgelähmter. 1948 führte er die ersten „Stoke Mandeville Games“ durch, an dem 16 kriegsversehrte Männer und Frauen mit Rückenmarksverletzungen teilnahmen. Dies war der Vorläufer der Paralympics. 1952 beteiligten sich bereits 130 Sportler aus verschiedenen Ländern an den Wettkämpfen. 1960 fanden die Spiele zum ersten Mal im Ausland (Rom) statt. 400 Teilnehmer aus 23 Nationen kamen damals im Olympiastadion zusammen.

 

Doch nicht immer verlief alles harmonisch: 1984 weigerte sich das Organisationsteam der Olympischen Sommerspiele von Los Angeles, die Paralympics durchzuführen. Die Spiele wurden daraufhin geteilt, die Gelähmten trugen ihre Wettkämpfe in Stoke Mandeville aus und alle anderen körperlich Behinderten in der New Yorker Long-Island-Gemeinde Hempstead. Seitdem finden die Paralympischen Spiele alle vier Jahre statt, immer im selben Jahr wie die Olympischen Spiele. 1976 kamen auch Paralympische Winterspiele hinzu: Die ersten Winter-Paralympics wurden in Örnsköldsvik (Schweden) ausgetragen. Seit 1992 sind die Paralympischen Spiele organisatorisch mit den Olympischen Sommerspielen verbunden und finden jeweils drei Wochen danach am gleichen Ort statt. Dazu wurde 1991 zwischen dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) und dem Internationalen Paralympischen Komitee (IPC) ein entsprechendes Abkommen für alle Spiele ab den Sommer-Paralympics 1992 festgeschrieben. Trotz dieser Vereinbarung ließen die Organisatoren in Atlanta nach den Olympischen Spielen 1996 die Einrichtungen abbauen, so dass die Paralympics „in Ruinen“ stattfanden.

 

Die XIV. Paralympischen Sommerspiele in London wurden zum ersten Mal zusammen mit den Olympischen Sommerspielen geplant. Es nahmen 4.452 Sportler aus 164 Nationen teil, die bislang größte Athletenanzahl bei den Paralympics. Für die XXI. Winter-Paralympics in Sotschi 2014 qualifizierten sich 547 Teilnehmer aus 45 Ländern – ebenfalls ein neuer Rekord.

 

Für sein beispielloses Engagement für die Behinderten und den Behindertensport erhielt Guttmann hohe britische und internationale Auszeichnungen, unter anderem wurde er 1966 in Großbritannien geadelt (Knight Bachelor) und erhielt in Deutschland das große Verdienstkreuz mit Stern.

 

Nach Guttmann ist auch das Ludwig-Guttmann-Haus der Orthopädischen Universitätsklinik Heidelberg benannt und im badischen Karlsbad wurde eine Schule für Körperbehinderte, die „Ludwig Guttmann Schule Karlsbad, Schule für Körperbehinderte“ nach ihm benannt. Der Begründer der ersten Rehabilationsklinik für Querschnittgelähmte in Spanien Guillermo González Gilbey, der selbst unter Querschnittlähmung litt und in England bei Ludwig Guttmann große Fortschritte erzielte, ließ 1965 diese Klinik in Barcelona in „Institut Guttmann“ benennen. In mehreren Städten wurden nach Ludwig Guttmann Straßen benannt, unter anderem im Ludwigshafen, Heidelberg, Karlsbad (Baden) sowie in seiner Geburtsstadt Tost. Ludwig Guttmann starb 1980 in Aylesbury (Groß Britannien).

 

„Guttmann war ein sehr positiv eingestellter Mensch. Auf allen mir bekannten Bildern hat er immer ein Lächeln auf den Lippen – ob als junger angehender Arzt oder als Greis“, stellte Prof. Musielok weiterhin fest. Zu würdigen sei jedoch nicht nur die Schaffung der Paralympischen Spiele für Körperbehinderte. Mit Hilfe der von Guttmann eingeführten Therapien und sportlichen Betätigungsmöglichkeiten konnten Menschen mit Behinderungen überhaupt ins Leben wieder finden, und das in Millionen von Fällen, so Musielok.

Johannes Rasim

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