Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Zwischen Krieg und Frieden

Die Wanderausstellung “In zwei Welten”, die von der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Minderheiten vorbereitet wurde, zeigt die Geschichte und heutige Lage von deutschen Minderheiten in 25 Ländern Europas. Nachdem sie in den vergangenen zwei Jahren in West- und Mitteleuropa gezeigt wurde, macht sie aktuell halt in Odessa an der ukrainischen Schwarzmeerküste.

Die Eröffnung Anfang August bot dem AGDM-Sprecher Bernard Gaida die Möglichkeit, die dort lebenden Deutschen näher kennen zu lernen.

 

In der Ukraine leben ca. 33.000 Deutsche. Abgesehen von kleineren Gebieten wie die Umgebung von Tschernowitz, wo die Deutschen eine relativ große Gemeinschaft bilden, sind sie in anderen Teilen (auch in den von Russland annektierten) eine Diaspora. „Meiner Meinung nach hindert sie das allerdings keineswegs daran, sehr gut organisiert zu sein”, sagt Bernard Gaida, Vorsitzender des Verbandes deutscher Gesellschaften in Polen und zugleich Sprecher der AGDM.

 

Sprache an erster Stelle
Die einzelnen regionalen Organisationen werden nämlich sowohl politisch als auch im Bereich der Kulturarbeit von zwei Einrichtungen unterstützt. „Der Rat der Deutschen in der Ukraine, also die politische Vertretung, hat ihren Sitz in der Hauptstadt Kiev. Die Kulturstiftung der Deutschen in der Ukraine, die vor allem die Kulturarbeit der Minderheit durch Mittel aus dem Haushalt der Bundesrepublik Deutschland unterstützt, hat ihren Sitz eben in Odessa”, erklärt Bernard Gaida und verweist zugleich darauf, dass trotz der ausgebauten Organisationsstrukturen und eines breiten Tätigkeitsfeldes die Deutschen in der Ukraine ein grundsätzliches Problem haben, das allen mittel- und osteuropäischen deutschen Volksgruppen gemein ist: die Sprache. „Ähnlich wie auch bei uns war die deutsche Sprache nach dem Zweiten Weltkrieg verboten, sodass sie heute wieder belebt werden muss”, sagt Bernard Gaida.
Das geschehe vor allem durch intensive Sprachkurse, die in den einzelnen regionalen Organisationen angeboten werden. Zum einen stärke es das Zusammengehörigkeitsgefühl der ukrainischen deutschen Minderheit, zum anderen haben Sprachkenntnisse auch ganz praktische Vorteile. „Sollte ein Mitglied der dortigen deutschen Minderheit als Spätaussiedler nach Deutschland gehen wollen, muss es entsprechende Sprachkenntnisse vorweisen, deshalb lernen so viele, auch viele junge Menschen, die deutsche Sprache”, erklärt Bernard Gaida.

 

Im Schatten des Konflikts
Die deutschen Sprachkenntnisse sind auch in den von Russland annektierten Gebieten wichtig, denn auch dort leben Vertreter der deutschen Minderheit, die die Sperrgebiete wie Krim oder Doneck nicht einfach verlassen können. „Wenn sie aber mit ausreichenden Deutschkenntnissen nach Deutschland übersiedeln wollen, dürfen sie fortgehen. Damit haben für einen Teil der Ukrainer die Deutschkenntnisse eine grundlegende Bedeutung, denn sie entscheiden darüber, ob man aus einem Krisengebiet herauskommt”, sagt Bernard Gaida und fügt hinzu, dass es gerade die Deutschen aus dem freien Teil der Ukraine sind, die ihren Landsleuten in den Sperrgebieten Hilfestellung leisten, indem sie für sie online-Deutschkurse vorbereiten.
Der Konflikt zwischen der Ukraine und Russland hat aber in Odessa und der Umgebung ganz aktuelle Erscheinungen. Zum einen wohnt in einer kleinen Wohnung in den Gebäuden der Deutschen Evangelisch-Lutherischen Kirche der Ukraine der deutschstämmige Künstler Harry Ruff. Der Maler, der zu Beginn des Konfliktes gerade nicht in seinem Zuhause in Doneck war, wurde zusammen mit seiner Frau zu einem Flüchtling, der nun mit einigen finanziellen Schwierigkeiten in Odessa lebt. „Seine Kinder mit ihren Familien allerdings sind alle auf der anderen Seite des Stacheldrahts, sodass die Freiheit in Odessa und die Möglichkeit zu malen für Harry Ruf nur ein kleiner Trost sind”, meint Bernard Gaida.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Unerwartet trafen den AGDM-Sprecher die Auswirkungen des Konfliktes auch während seiner Suche nach Spuren der deutschen Gründer zweier kleiner Dörfer – Neuburg (Novogradivka) und Alexanderhilf (Dobroaleksandrivka). „Auf dem dortigen Friedhof sahen wir zunächst alte Grabsteine, deren deutsche Inschriften fast nur noch zu erahnen waren, als uns ein neues Grab aufgefiel. Dort wurde ein junger Mensch begraben, der als Soldat im Konflikt gefallen ist. Für mich steht dieses Grab als Zeichen dafür, dass der Konflikt alles andere als eingefroren scheint. Denn es wurde mir gesagt, dass täglich drei Soldaten aufgrund des Konfliktes sterben. So fordert die Annexion bis heute jährlich etwa 1000 Opfer”, sagt Bernard Gaida.

 

 

Rudolf Urban

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