Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Boom für Minihäuser

Sie sind klein, billig und modisch: Tiny Houses, also winzige Häuschen, haben in Deutschland einen sehr dankbaren Boden gefunden. Die Mode kommt aus Nordamerika und fügt sich nahtlos in die aktuellen Trends in Sachen Lifestyle und Öko.

 

Tiny Houses als Rezept gegen den Wohnungsmangel. Foto: Cavajunky/wikipedia.org

 

 

Allem Anschein nach können sie in Deutschland den akuten Mangel an billigen Wohnungen mildern. Angesichts der dort hochschnellenden Mietpreise und des unzureichenden Angebots an billigen Wohnungen interessieren sich nun immer mehr Menschen für Minihäuser, denn auch damit lässt sich ja der Traum vom eigenen Dach über dem Kopf erfüllen. Den Trend haben inzwischen auch die Gemeinden aufgegriffen. Sie stecken bereitwillig Baugrundstücke ab und planen ganze Wohnsiedlungen aus derartigen Minihäusern.

 

Kein Zirkuswagen
Ein deutscher Hersteller von Tiny Houses, Stefan Diekmann aus Hamm in Westfalen, freut sich schon seit Jahren über ein prall gefülltes Auftragsportfolio. Seine 40-köpfige Belegschaft hat sich auf Minihäuser, die man auf einem Anhänger problemlos transportieren oder an einem bestimmten Ort aufstellen kann, spezialisiert . „Sie haben nichts mit einem Zirkuswagen zu tun und ihre Ausstattung hat keinerlei Merkmale einer campingartigen Improvisation. Sie besitzen einen ganz normalen Wohnstandard”, erklärt Firmenchef Diekmann. Von den Vorzügen dieser Häuschen kann man sich in seiner Werkstatt überzeugen. Ein Minihaus bietet 22 bis 25 Quadratmeter Wohnfläche auf anderthalb Etagen und verfügt über etliche einfallsreiche Lösungen. Viele Elemente erfüllen jeweils mehrere Funktionen. So fungiert beispielsweise der Raum zwischen Wohnzimmer und Küche gleichzeitig als Treppe und Ablage. Es gibt hier eine Kochgelegenheit, eine Waschmaschine und eine Dusche. Die Versorgung mit Strom und Wasser sowie die Abwasserentsorgung funktionieren wie in einem normalen Haus”, so Stefan Diekmann.

 

Immense Nachfrage
„In Deutschland gibt est fast 20 Firmen, die solche Häuschen anbieten”, erklärt Isabella Bosler vom Beratungsunternehmen Tiny House Consulting. Hinzu kommen noch Firmen aus benachbarten Ländern – da fällt ein Gesamtüberblick schwer. Die in Bayern ansässige Firma von Isabella Bosler leistet Beratung in Sachen Baurecht und Häuserplanung. Einen Berufsverband gibt es in der Branche noch nicht, obwohl die Nachfrage mittlerweile enorm ist. Die Häuschen sind übrigens mit ihrer Preislage zwischen 60.000 und 65.000 Euro relativ erschwinglich. „Und sie müssen als Eigentumsimmobilien auch dieselben Anforderungen erfüllen wie ein Einfamilienhaus. Sie dürfen also nur auf einem Baugelände stehen und erfordern eine Baugenehmigung. Auch die Brandschutzvorschriften müssen erfüllt sein”, betont der Deutsche Städte- und Gemeindebund.

 

Fortschrittliches Dortmund
„Die Bundesrepublik ringt schon seit Jahren mit Problemen auf dem Immobilienmarkt. Es fehlt an billigen Wohnungen, es werden zu wenig neue gebaut und die Immobilienpreise steigen. Daher suchen die Menschen nach Alternativen”, bestätigt Stefan Diekmann. Die Folge: In eigentlich jeder Großstadt ist inzwischen eine Tiny-House-Initiative aktiv. Es werden viele Anträge an die Kommunalbehörden gestellt. Da ein Minihaus nur wenig Platz benötigt, sind viele Gelände für den Bau geeignet, z.B. Brachflächen, die sich nicht für eine konventionelle Bebauung eignen. Dabei ist die Stadt Dortmund in punkto Besiedlung von Grundstücken mit kleinen Häuschen besonders weit fortgeschritten. So hat man dort beispielsweise die wohnungspolitische Entscheidung getroffen, auf einem ehemaligen Sportplatz im Stadtteil Sölde ein Tiny-House-Dorf für 40 bis 50 Einwohner entstehen zu lassen. „Die Planung und Erschließung des Geländes wird zwar etwa zwei Jahre dauern, aber es haben sich bereits mehr als einhundert Interessierte gemeldet, die sich dort niederlassen möchten”, erklärt Gerald Kampert von der Planungsabteilung der Stadt Dortmund und fügt hinzu: „Wir bieten kleine Grundstücke an und bewahren das Gelände”.

 

Hannovers großer Plan
Der Dortmunder Beamte Gerald Kampert ist überzeugt: Diese Bebauungsart hat große Vorteile bei der Geländenutzung und ist durchaus umweltfreundlich. Freistehende Häuser in Großstädten nehmen riesige Flächen in Anspruch: „Wir müssen daher umweltfreundliche und sparsame Alternativen anbieten. Es sind auch hervorragende Wohnungen für Studenten und Singles, die so das Wohnungsdefizit mildern können. Wenn das Experiment in Sölde gelingt, dann liegen bereits weitere Pläne für derartige Tiny-House-Siedlungen in jedem Stadtteil Dortmunds in der Schublade”, sagt Gerald Kampert und ist überzeugt, dass man im Wohnungsbau die ausgetretenen Wege verlassen müsse. Mittlerweile wollen auch u.a. Münster und Bochum (beide Städte in Westfalen) sowie die nordrhein-westfälische Hauptstadt Düsseldorf sich die Dortmunder Erfahrungen zunutze machen. Ähnliche Projekte verfolgen inzwischen auch Bremen und Karlsruhe (Baden-Württemberg) und die niedersächsische Hauptstadt Hannover plant gerade die größte Siedlung dieser Art in ganz Europa. Dieses „Ecovillage“ für mehr als 200 Menschen wäre klimaneutral und würde einem hohen Umweltstandard genügen.

 

Nicht nur für Minimalisten
Wen fasziniert die Minihaus-Idee am meisten? Die Consulting-Expertin Vera Lindenbauer bestätigt, dass es sich dabei insbesondere um Menschen handelt, die sich für ein minimalistisches Lebensmodell entschieden haben und ganz bewusst auf jeglichen Überfluss verzichten: „Wir haben auch eine große Gruppe von Kunden, die ihren ökologischen Fußabdruck verringern wollen. Für ein Tiny House entscheiden sich auch oft Menschen, die eine lebensverändernde Erfahrung durchmachen, z.B. nach einer Scheidung oder einem Arbeitsplatzwechsel. Ein deutliches Interesse gibt es bei jungen Menschen, die ein eigenes Dach über dem Kopf haben wollen, ohne dabei jahrelang einen Kredit abzahlen zu müssen. Oder ganz einfach auch Menschen, die keine Lust mehr haben, 1.200 Euro Miete für eine 65m2-Wohnung zu zahlen”.

 

 

Johann Engel

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