Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Corona-Virus: Deutsche Minderheit sagt Veranstaltungen ab

Am 11. März hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Infektion mit dem Corona-Virus zu einer Pandemie erklärt. Die deutsche Minderheit hat alle kulturellen Veranstaltungen abgesagt.

 

Paul Ryborz am Geburtsort des Dichters Joseph von Eichendorff. Foto: Manuela Leibig

 

 

Das Oberschlesische Eichendorff-Kutur- und Begegnungszentrum gehörte zu den ersten Institutionen der deutschen Minderheit, die aufgrund der Corona-Pandemie ihre Termine auf unbestimmte Zeit verschoben haben. Am 14. März hatte Paul Ryborz, Leiter des Zentrums, eigentlich zum traditionellen Eichendorff-Geburtstag geladen, diesmal dem 232.

 

Auf dem Plan stand unter anderem ein klassisches Konzert mit Werken von Schumann, Mozart und Strauss, das wie in jedem Jahr sicher nicht nur Eichendorff-Verehrer, sondern auch viele Musikliebhaber nach Lubowitz gezogen hätte, dem 360-Seelen-Ort in der schlesischen Woiwodschaft, wo der große romantische Dichter im Jahr 1788 zur Welt kam. Leicht fällt die Absage natürlich keinem, denn dahinter steht eine lange Vorlaufzeit mit viel Arbeit und Herzblut.

 

 

Unsere Verantwortung
„Eichendorff ist unser Guru“, sagt Paul Ryborz. „Viele aus der Mehrheitsbevölkerung fragen mich, ob er ein Pole gewesen sei. Seine Dichtung klinge in polnischer Sprache so schön.“ Durch die Übersetzung der Gedichte ins Polnische will das Lubowitzer Zentrum die deutsche Minderheit mit der polnischen Mehrheit zusammenbringen, darüber hinaus aber natürlich die deutsche Sprache in der Region verankern – immerhin war Lubowitz ganz vorn dabei, als damals im Land die ersten deutschsprachigen Ortstafeln aufgestellt wurden.

 

Der alljährliche Eichendorff-Geburtstag in Lubowitz als Zeichen der Begegnung und des Friedens zwischen den Volksgruppen – ob die Veranstaltung nur aufgeschoben oder doch ganz aufgehoben ist, weiß wohl keiner. Vieles steht derzeit in den Sternen. Pläne schmieden ist schwierig, denn wie sich die Corona-Pandemie in den nächsten Wochen und Monaten entwickelt, ist nicht abzusehen.

 

Der Vorsitzende der Oppelner Deutschen (SKGD), Rafał Bartek, hat bereits am 11. März bekannt gegeben, dass alle Wettbewerbe wie Rezitationswettbewerbe und Wissenswettbewerb über die deutsche Minderheit ausfallen. Darüber hinaus die von der SKGD durchgeführten außerschulischen Aktivitäten wie Miro Deutsche Fussballschule, Orchesterproben, und Bastelstuben. „Alle Wettbewerbe werden zu einem späteren Zeitpunkt durchgeführt“, so Bartek. Die SKGD werde die Mitglieder auf dem Laufenden halten.

Auch der Dachverband der Deutschen Minderheit in Polen (VdG) hofft darauf, dass Projekte wie Samstagskurse, Jugendbox oder Kinderclubs „zum Wohle der Kinder“ zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt werden können. „Die Absage der meisten Veranstaltungen und Projekte in unseren Begegnungsstätten erfolgte aufgrund des Verantwortungsgefühls gegenüber den Teilnehmern. Auf diese Weise möchten wir die Kontakte einschränken“, erklärt der Chef des Dachverbandes der Deutschen in Polen, Bernard Gajda.

 

Zu Hause lernen

 

Unterricht trotz Corona-Virus, und zwar in einem virtuellen Klassenzimmer. Eine gute Idee, findet Deutschlehrerin Lisa Braunreuther. Foto: privat

 

 

Nach einem Beschluss von Polens Premierminister Mateusz Morawiecki sind seit dem 16. März Bildungseinrichtungen im Land geschlossen. Davon sind unter anderem auch die deutsch-polnischen Montessori-Schulen und -kindergärten in der Oppelner Region betroffen. Deutschlehrerin Lisa Braunreuther, die über die Zentralstelle für das Auslandsschulwesen von Coburg nach Raschau gekommen ist, unterrichtet jetzt von zu Hause aus. Über ein virtuelles Klassenzimmer im Internet.

 

Dort können Schüler Aufgaben finden, die Lisa Braunreuther für sie vorbereitet. „Ist eine echt gute Sache. Schüler erledigen die Aufgaben bis zu einem festgesetzten Termin und ich kontrolliere!“ Noch bis Ende März soll vorerst der Unterricht so aussehen, Verlängerung nicht ausgeschlossen. Doch nicht nur Schüler und Eltern stehen durch die Einschränkungen vor großen Herausforderungen.

 

Auch Karolina Osietzkis Seniorenclub „Oppelner Senior“ in Antonia (Antoniów) fällt aus. Foto: privat

 

 

 

Senioren besonders betroffen

Auf die schwierige Situation von Senioren macht der VdG-Vorsitzende Bernard Gaida in einer öffentlichen Stellungnahme aufmerksam: „Viele unserer Mitglieder gehören aufgrund des Alters zu der Risikogruppe. Die Abgrenzung der Mitglieder von ihrer Gemeinschaft, die für manche eine Art Ersatzfamilie ist, zwingt diese zu einer größeren Isolation. Die Gemeinschaft der Deutschen in Polen darf sich trotz der Bedrohung nicht von ihren Mitgliedern abgrenzen, vor allem von denen, die keine Verwandten mehr um sich haben.“

 

Schon vor Ausbruch des Corona-Virus hatte die Oppelner Deutsche Minderheit die schwierige Lage einsamer Senioren erkannt und eine neue Initiative auf den Weg gebracht, den „Oppelner Senior“. Ältere Menschen sollten dadurch aktiver am öffentlichen Leben teilnehmen.

 

Karolina Osietzki betreut in Antonia (Antoniów), einem 600-Einwohner-Ort bei Malapne, einen der 20 Seniorenclubs in der Oppelner Woiwodschaft. „Ich habe mit meiner 20-köpfigen Seniorengruppe Gymnastik gemacht und Handarbeiten, zuletzt haben wir Osterdekoration gebastelt. Wir haben auch zusammen gekocht und anschließend gemeinsam gegessen.“ Und das fünf Tage in der Woche, je ein Mal sechs Stunden und vier Mal zwei Stunden, berichtet Osietzki. Das alles fällt nun weg.

 

VdG-Chef Bernard Gaida appelliert deshalb an die Vorstände auf allen Ebenen, sich in diesen Zeiten einmal mehr um die älteren Mitglieder der deutschen Volksgruppe zu kümmern und sie beispielsweise beim täglichen Einkauf zu unterstützen oder Medikamente aus der Apotheke zu besorgen.

 

Die Wohltätigkeitsgesellschaft der Deutschen bittet er um Mithilfe, um zu erfahren, wo genau bedürftige Mitglieder leben. Der VdG-Chef sieht auch die junge Generation in der Pflicht, sie sogar besonders: „Stehen Sie bitte im ständigen Kontakt mit diesen Menschen“, so Gajda. „Bilden Sie Gruppen von Volontären, helfen Sie, richteten Sie sich an Institutionen für Sozialhilfe, Gesundheitswesen und sogar an Seelsorger.“

 

Marie Baumgarten

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