Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

Das ehemalige deutsche Kurhaus

 

Jahrelang wurden viele historisch wertvolle Gebäude in Allenstein als fremd, weil ehemals deutsch, behandelt. Heutzutage schenken die Behörden der Stadt an der Alle und ihre Bewohner immer mehr Aufmerksamkeit dem Schutz historischer Denkmäler, die Akzente verschiedener Einflüsse aufweisen: ob deutsch, preußisch oder polnisch.

 

In den letzten zwanzig Jahren konnten dank einer Spende der Stadt in Höhe von 30 Millionen Zloty über hundert wertvolle Gebäude renoviert und gerettet werden. Zu den vor einer völligen Zerstörung geretteten Bauwerken gehört auch das jahrhundertealte Kurhaus, in dem seit 65 Jahren eine Ambulanz untergebracht ist, die den Allensteinern nach wie vor als Beratungsstelle für Familienmedizin dient.

Bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts begann man die besonderen Vorzüge der Lage Allensteins zu schätzen. In der Stadt herrschen natürliche mikroklimatische Bedingungen. Dank seiner sauberen und gesunden Luft ist sie als Kurort für Lungenkranke gut geeignet. Mit Blick darauf wurde im Stadtwald und auf dem nahe gelegenen Jakobsberg eine gesundheitsfördernde Erholungs- und Kurinfrastruktur entwickelt.

Darstellung des Allensteiner Kurhauses zwischen 1900 und 1910.
Foto: Archiv des Verfassers

 

Allensteins Kurort-Pläne
Das beste Zeugnis aus dieser Zeit ist ein eklektisches Gebäude namens Kurhaus Allenstein. Es war eines der ältesten Häuser des Ferien- und Erholungskomplexes, der am Waldrandaußerhalb der Stadt an der ehemaligen Guttstädter-Chaussee (Szosa Dobromiejska) errichtet wurde. Dieses prächtige Kurhaus wurde 1890/91 von Heinrich Markmann erbaut, dem damaligen Besitzer einer großen Molkerei und Pächter des nahe gelegenen Restaurants in Jakobsberg. Wie die „Allensteiner Zeitung“ im Oktober 1890 schrieb, war diese medizinische Einrichtung „für Kranke gedacht, die durch Milch und frische Luft geheilt werden wollten“. In dem Buch von Rafał Bętkowski mit dem Titel „Olsztyn, jakiego nie znacie“ („Allenstein, wie man es nicht kennt“) (Allenstein 2003) heißt es, dass das Kurhaus nach dem Willen seines Stifters die erste Einrichtung in der Stadt werden sollte, die die Funktion des 1907 mitten in der Natur eingerichteten Tuberkulose-Sanatoriums erfüllte.

Diese 115 Jahre alte Heilanstalt steht seit 75 Jahren im Dienste der Lungenpatienten der Region, jetzt als Lungenklinik. Aber das ist ein Thema für einen separaten Artikel.

Ein Jahr nach der Errichtung des Gebäudes ging Heinrich Markmann in Konkurs und das Kurhaus Allenstein wurde 1892 von dem Konditor Edmund Strache gekauft. Nach drei Jahren verpachtete Strache das Gebäude an den Gastronomen Max Peglow. Im Jahr 1902 wurde das Kurhaus von dem Unternehmer Julius Frohnert erworben, der sein Anwesen „Kurhaus Frohnert“ nannte. Er war der letzte Eigentümer dieses Gebäudes. Lange vor dem Zweiten Weltkrieg wurde das Kurhaus an die Stadt weiterverkauft. Die Stadtverwaltung dachte daran, in Zusammenarbeit mit dem Tuberkulose-Sanatorium mehrere weitere Kurhäuser zu bauen. Aufgrund des besonderen Klimas, der großen Anzahl von Nadelwäldern und Seen, der Existenz von Dörfern mitten im Wald sowie der guten Eisenbahn- und Straßenverbindungen wollten die Allensteiner Behörden die Stadt zu einem Kurort machen. Dies gelang jedoch letztlich nicht. Heute erinnert das Bauwerkan diese Pläne.

 

Am Ende der Stadt
Das ehemalige deutsche Kurhaus ist von großem architektonischen und ästhetischen Wert. Es handelt sich um ein zweistöckiges Gebäude mit einem mehrfach abgeschrägten Dach, das an einer der Ecken mit einem Türmchen mit Kuppelhelm abgeschlossen ist. Es gibt mehrere Eingänge zum Gebäude, einer davon führt über eine breite, mit einer Balustrade verzierten Terrasse, die dem Gebäude zusätzlich viel Charme verleiht.

Damals war es ein wunderschönes, freistehendes und seinerzeit auch eigentlich das letzte Gebäude in der Stadt. Ursprünglich fungierte es als Kurhaus für Menschen mit Lungenkrankheiten. Viele Patienten kamen auch aus dem benachbarten Russland und Polen hierher. Es beherbergte ein Badehaus mit einem Männerbad, einem römischen und einem russischen Bad. Damals waren Bäder selten und wurden häufig genutzt, da sie für die Aufrechterhaltung von Hygiene und Gesundheit notwendig waren. Es wurde eine therapeutische Hydrotherapie angeboten. Außerdem gab es eine Trinkhalle, eine Sauna und ein Restaurant, das für seine ausgezeichnete regionale Küche bekannt war. Erst 1906 wurde in der Stadt ein Wasserversorgungssystem gebaut. Neben dem Gebäude wurden eine erste Allensteiner Wäscherei und eine Dampfmangel eröffnet.

Das ehemalige deutsche Kurhaus in Allenstein beherbergt heute eine Ambulanz für Familienmedizin.
Foto:
Alfred Czesla

Glücklich gerettet
Das Kurhaus hat so viel erlebt wie Allenstein selbst. Viele Jahre lang wurde es nicht nur von Bewohnern der Stadt an der Alle besucht und geschätzt. Damals befand es sich in der Königstraße. Nach 1933 wurde die Straße in Adolf-Hitler-Allee umbenannt. Wie durch ein Wunder hat es bis zum heutigen Tag überdauert. Sowjetische Soldaten haben es wahrscheinlich nur deshalb nicht niedergebrannt, weil es schon seit einiger Zeit in ihrem Besitz war. Die übrigen Gebäude an der heutigenAleja Wojska Polskiego hatten nicht so viel Glück. Die bis heute erhaltenen alten Mietshäuser kann man an einer Hand abzählen. Aber der deutsche Name der Allee war den Rotarmisten ja auch eine Verpflichtung. Schließlich musste sie vollständig niederbrennen, um das Schicksal ihres Namenspatrons endgültig zu begraben. Zur Erinnerung: Allenstein war im Januar 1945 eine der ersten Großstädte, die praktisch kampflos erobert wurde, und dennoch wurde es zu vierzig Prozent von Soldaten der Roten Armee niedergebrannt.

Das Gebäude, das vor fünfundsechzig Jahren vom staatlichen Gesundheitsdienst übernommen wurde, wurde einer gründlichen und kostspieligen Renovierung unterzogen und in das Denkmalregister eingetragen. Dank dieser Tatsache dient es den heutigen Bewohnern Allensteins ebenso wie es vor Jahren den damaligen Allensteinern diente, heute als Beratungsstelle für Familienmedizin.

Das vor der Zerstörung bewahrteehemalige deutsche Kurhausist ein gutes Beispiel dafür, dass sich langsam, aber sicher das Bewusstsein der Allensteiner für die Notwendigkeit des Schutzes des kulturellen Erbes und der Denkmäler ihrer Stadt ändert.

Alfred Czesla

Show More