Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Der Weg zur „deutschen Seele”

Die Regeln für die Erlangung des deutschen Staatsangehörigkeitsausweises sind in einer Anweisung niedergeschrieben, die auf der Internetseite des deutschen Generalkonsulates Breslau zu finden ist. Foto: Łukasz Biły.
Die Regeln für die Erlangung des deutschen Staatsangehörigkeitsausweises sind in einer Anweisung niedergeschrieben, die auf der Internetseite des deutschen Generalkonsulates Breslau zu finden ist. Foto: Łukasz Biły.

Über Jahre war der Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft und damit verbunden auch eines „roten Passes” für die Deutschen in Polen eine Selbstverständlichkeit und ein zentrales Bestimmungsmerkmal ihrer nationalen Identität. Nur wenige wissen aber, dass die Regeln dafür, wer sich um die Staatsbürgerschaft bewerben kann, jahrelang evolviert und dabei nicht selten zu kuriosen Situationen geführt haben. Beispielhaft dafür ist die Geschichte von Dr. Anna Rostropowicz-Honka, die trotz deutscher Wurzeln erst seit kurzem um den Staatsangehörigkeitsausweis ersuchen kann.

 

Als wir Frau Rostropowicz-Honka fragen, weshalb sie sich entschieden hat, um die Staatsbürgerschaft der Bundesrepublik Deutschland zu ersuchen, hören wir in der Antwort, dass sie sich schon immer als „Oberschlesierin mit deutscher Seele” empfunden habe. Beide Glieder ihres Nachnamens sind nahezu allen Mitgliedern der deutschen Minderheit in Schlesien bekannt. Ihre Mutter – Professorin Joanna Rostropowicz – ist eine bekannte, sich u.a. für das Oberschlesische Eichendorff-Zentrum einsetzende Hochschullehrerin, ihr Ehemann – Norbert Honka – sitzt im Vorstand der Oppelner SKGD. Von allen anderen Angehörigen ihrer Familie unterscheidet Frau Rostropowicz-Honka eines: „Ich bin unter meinen Hausgenossen praktisch die Einzige, die keine deutsche Staatsbürgerin ist. Ich hatte mich schon vor Jahren um die Staatsbürgerschaft bemüht, doch damals war dies nicht möglich, denn ich bin Tochter aus einer Mischehe. Mein Vater war Pole, meine Mutter wurde in Deschowitz geboren, damals Odertal. Es war bitter, dass ich die Staatsbürgerschaft nicht bekommen konnte, denn die oberschlesisch-deutsche Kultur war in meiner Familie schon immer präsent und dieses Dokument wäre für mich eine Art Bestätigung, dass ich dieser Kultur auch angehöre“, sagt Anna Rostropowicz-Honka mit Bedauern.

 

Die alten Regeln

 

Ihre Geschichte ist tatsächlich eine juristische Kuriosität. Über Jahre war der Erhalt der deutschen Staatsbürgerschaft durch nicht innerhalb der Bundesrepublik nach 1945 Geborene für die Nachfahren jener möglich, die innerhalb der Grenzen des Deutschen Kaiserreiches oder des Deutschen Reiches nach dem Stand bis einschließlich zum Jahr 1937 geboren wurden. Dies galt also für die Einwohner bestimmter Teile Schlesiens, Pommerns, Ostpreußens und Großpolens. Einen Staatsangehörigkeitsausweis konnten allerdings nur diejenigen erlangen, die mit entsprechenden Urkunden (Geburts-, Trau-, Sterbeurkunde) nachweisen konnten, Nachfahren von Bewohnern dieser Gebiete in männlicher Abstammungslinie zu sein – dies sahen offiziell die deutschen Vorschriften vor. Man konnte die Staatsbürgerschaft somit nur dann erhalten, wenn auch der Vater diese besaß. Die Regel machte die Erlangung der Staatsbürgerschaft für Kinder eines polnischen Vaters und einer deutschen Mutter theoretisch unmöglich, wodurch tausenden Menschen, die von ihrer Mutter in den deutschen Kulturkreis eingeführt wurden, ein Dokument zur Bestätigung ihres Deutschseins verwehrt war.

 

Nicht alle wissen jedoch, dass es von dieser Regel eine Ausnahme gab. Man konnte die Staatsbürgerschaft auch mit einer deutschen Mutter bekommen, aber nur im Falle von Kindern, die nach dem 1. Januar 1975 geboren wurden. „Viele sagen, dass diese Regel eigentlich Familien trennte“, sagt Sandra Cierniak, die sich im deutschen Konsulat in Oppeln mit Passangelegenheiten befasst. Tatsächliche führte diese Vorschrift vielfach zu kuriosen Situationen, wie sie auch in der Familie von Anna Rostropowicz-Honka der Fall waren: „Wir waren zuhause vier Geschwister. Deutsche Vorschriften haben dazu geführt, dass mein jüngster Bruder, der nach 1975 geboren wurde, die Staatsbürgerschaft erhalten konnte, die übrigen Geschwister jedoch nicht mehr, und zwar nur deshalb, weil wir früher geboren wurden“, erinnert sich Anna Rostropowicz-Honka.

 

Die neuen Regeln

 

Jetzt sieht es allerdings danach aus, dass der Traum vieler mit einer deutschen Mutter von der deutschen Staatsbürgerschaft nun endlich in Erfüllung gehen könnte. Diesen Menschen zu Hilfe kommt eine vom deutschen Bundesministerium des Inneren (BMI) neue Staatsangehörigkeitsregelung: „Die Regel ist relativ wenig bekannt, aber sehr nützlich“, räumt Sandra Cierniak ein. Die Vorschrift hebt das frühere Kriterium – Geburt nach 1975 – praktisch auf und ermöglicht so gut wie jedem, der auch vor 1975 geboren wurde, deutscher Staatsbürger zu werden, wenn seine Mutter zum Zeitpunkt seiner Geburt eine deutsche Staatsangehörige war. Diese Regel gilt sogar dann, wenn der Vater ein Pole war.

 

Die „neuen” Regeln waren sozusagen ein Fensterchen, das Anna Rostropowicz-Honka sich zunutze machte. Wie sie im deutschen Generalkonsulat in Breslau erfuhr, war sie zum Zeitpunkt ihrer Antragstellung nebst entsprechenden Urkunden (September 2015) die einzige Person im Zuständigkeitsgebiet des Breslauer Konsulates, die von den neuen Vorschriften zur Verleihung der Staatsangehörigkeit Gebrauch gemacht hat. Zurzeit befinden sich ihre Dokumente beim Bundesverwaltungsamt in Köln, wo sie gründlich überprüft werden. Eben diese Behörde wird das endgültige Gutachten zur Staatsangehörigkeitsverleihung erlassen.

 

Geringes Interesse

 

Zwar ist die Änderung der Vorschriften ein positives Zeichen, doch die Prozedur ihrer Nutzung mag vielen kompliziert erscheinen. Anna Rostropowicz-Honka räumt ein, dass es dabei notwendig ist, einen sehr umfassenden Antrag zu schreiben und viele Informationen bereitzustellen, die theoretisch nichts mit der Staatsangehörigkeit zu tun haben, wie z.B. eine Vermögenserklärung mit Angaben zum Einkommen. Der Antragsteller muss auch einen detaillierten Lebenslauf nebst Motivationsbrief verfassen, in dem er die Gründe für sein Bemühen um die Staatsbürgerschaft darlegt, sowie eine Sprachprüfung des Goethe Instituts auf der Ebene C1 ablegen. Die hohen Anforderungen führen dazu, dass Interessierte die neuen Möglichkeiten doch nicht nutzen werden.

 

Anna Rostropowicz-Honka spricht von ihrer Kindheit, als ihre Mutter zuhause Deutsch zu ihr sprach und es ihr in der Schule oft leichter fiel, in dieser Sprache zu rechnen als auf Polnisch: „Ich hatte deswegen oft Probleme in der Schule. Den Lehrern missfiel das sehr, so waren eben die Zeiten. Inzwischen wird Deutschtum aber bereits akzeptiert und da wäre die Staatsbürgerschaft eine Art Abschluss meines Weges zur eigenen Identität“, bekennt sie. Über einen positiven Ausgang ihres Antrags kann sie sich trotzdem nicht sicher sein.

 

In einer Zeit, da die Europäische Union sich immer mehr integriert und die Grenzen offen sind, ist das Streben nach der Staatsbürgerschaft eines anderen Landes eher eine symbolische als eine praktisch-ökonomische Sache. Das Beispiel von Anna Rostropowicz-Honka spiegelt dies hervorragend wider. Und vielleicht verdienen gerade solche Menschen ein besonderes Wohlwollen des oft nur schwer überwindbaren deutschen Rechtssystems.

 

Łukasz Biły

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