Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Deutsch-polnische Beziehungen am Scheideweg

Die neuen Zwerge in Breslau – Polonek und Germanek – sollen die gute Nachbarschaft repräsentieren. Foto: Krzysztof Ruchniewicz
Die neuen Zwerge in Breslau – Polonek und Germanek – sollen die gute Nachbarschaft repräsentieren. Foto: Krzysztof Ruchniewicz

Je mehr ich mich in Medienberichte und Literatur vertiefte, ließ meine Lust, einen Text über die deutsch-polnischen Beziehungen zu schreiben, zunehmend nach. Immer stärker wurden dagegen Irritation und Groll. Denn es wird jetzt gerade das Bemühen von hunderten prominenten und weniger bekannten Menschen vergeudet, für die die deutsch-polnische Versöhnung, Annäherung und Überwindung des „Fatalismus der Feindschaft“ zum Lebenssinn gehörte.

 

Der 1930 in Bad Warmbrunn geborene bekannte Karikaturist Walter Hanel stellte den Zustand der deutsch-polnischen Beziehungen 1990 mithilfe zweier Brücken dar. Auf der ersten, deutsch-französischen Brücke, war ein reger Autoverkehr in beide Richtungen zu sehen. Auf der anderen war die Situation gänzlich anders: Anstatt einer Fahrzeugschlange versuchten zwei Politiker, der polnische Premier Tadeusz Mazowiecki und der deutsche Kanzler Helmut Kohl, einander zur Begrüßung die Hand zu schütteln, und zwar mit hölzernen Armattrappen. Das mussten sie auch, denn in der Brücke gähnte ein riesiges Loch.

 

Die Anfänge

 

Mit dieser Vision traf der Zeichner ins Schwarze: Mit Polens wiedererlangter Souveränität und Deutschlands Wiedervereinigung begann in den deutsch-polnischen Nachkriegsbeziehungen eine neue Zeit. Zuerst aber musste die trennende Kluft zugeschüttet werden.

Außenminister Krzysztof Skubiszewski schlug 1990 ein Beziehungsmodell vor, das sich auf eine deutsch-polnische Interessengemeinschaft stützte. Diese ermöglichte Polen – mit erheblicher Unterstützung des westlichen Nachbarn –, ein Mitglied der Nato und der Europäischen Union zu werden. Unsere eigenen, sehr kostspieligen Reformbemühungen stärkte damit eine reale Aussicht auf Erfolg: eine Einbindung in den Westen. Deutschland erkannte Polen dabei als einen wichtigen Partner an, wie es bereits zuvor auch gegenüber Frankreich getan hatte. Die partnerschaftliche Dimension wurde mit der Gründung des Weimarer Dreiecks am 28. August 1990 noch gefestigt.

 

Erste Missklänge

 

Um die Jahrhundertwende traten allerdings erste Missklänge zutage. Zwischen Polen und Deutschland zeigten sich nun Differenzen über europäische Angelegenheiten („Nizza oder Tod“) und die internationale Sicherheit (Krieg im Irak). Auch im bilateralen Verhältnis kamen erste Streitpunkte zum Vorschein. So sorgten an der Weichsel Äußerungen der Vorsitzenden des Bundes der Vertriebenen, Erika Steinbach, für Kontroversen. Empörung riefen die Forderungen eines Teils der Vertriebenen nach Entschädigungen für verlorenes Eigentum hervor.

Kanzler Gerhard Schröder beruhigte damals die Situation. In Polen wird sein Verhältnis zu Russland kritisch beurteilt. Doch wir dürfen nicht vergessen, dass er den Beitritt Polens zu Nato und EU leidenschaftlich befürwortet hat. Er machte auch deutlich, dass keine deutsche Regierung sich dafür hergeben werde, Geschichtsklitterungen und Vermögensansprüche gegenüber Staaten, die zu Opfern Hitlers wurden, zu unterstützen.

Eine weitere Krise erfuhren die deutsch-polnischen Beziehungen in den Jahren 2005 bis 2007. Schon damals lag der Eindruck nahe, dass Polens damalige Regierungsmannschaft kein Verständnis für Europa und deutsch-polnische Beziehungen hatten. Einer wohlkalkulierten, aber freundlichen Politik gegenüber Berlin zog man geschichtliche Ressentiments, Vorurteile oder gar Phobien vor, auch solche mit persönlichem Hintersinn (Krieg in der Karikatur).

Der Wahlsieg der PO im Herbst 2007 wurde daher in Berlin (und nicht nur dort) mit Erleichterung aufgenommen. Das von der Vorgängerregierung in Frage gestellte, auf gemeinsamen Interessen basierende Kooperationsmodell kam nun wieder zur Geltung. Mit dem 20. Jahrestag der Verträge kam eine erste Bilanzziehung. Auf die gemeinsame Sitzung beider Regierungen am 21. Juni 2011 folgte eine „Gemeinsame Erklärung. Nachbarn und Partner“ und ein „Programm über Zusammenarbeit“. Im letzteren Dokument fanden sich auch Aufgaben in verschiedenen Bereichen für die nächsten zehn bis fünfzehn Jahre (ca. 100 Positionen).

 

Europa

 

Europäische Angelegenheiten spielten im deutsch-polnischen Verhältnis nunmehr eine zunehmend große Rolle. Polen wurde auf der europäischen Ebene zu einem wichtigen Akteur. Allmählich wuchs es aus seiner Rolle eines Schützlings (anfangs war es schließlich in vielerlei Hinsicht einer) heraus. Immer wichtiger wurde es, die Beziehungen und Ziele neu zu definieren. Von einer besonderen Verantwortung der Polen und der Deutschen sprach Präsident Komorowski in seiner Berliner Ansprache zum 75. Jahrestag des Ausbruchs des Zweiten Weltkriegs: „Wie nie zuvor“, sagte der Präsident, „brauchen wir heute eine deutsch-polnische Verantwortungsgemeinschaft, eine Gemeinschaft für Europa, offen für alle Staaten der Europäischen Union und unseres gesamten Kontinents. Ich wünsche mir sehr und bin sicher, dass alle hier in diesem Saal es sich ebenfalls sehr wünschen, dass man bei den nächsten Jahrestagen des Ausbruchs des Weltkriegs mit tiefster Überzeugung mehr sagen kann, als die Gründungsväter der EU sagten. Wir alle wünschen uns, dass man dann sagen kann: ‚Es gab kein Europa und wir hatten Krieg. Dank Europa und europäischer Institutionen gibt es nun aber keinen Krieg auf einem gesamten, freien Kontinent’“. Die Worte des polnischen Präsidenten bleiben nach wie vor aktuell, denn wir sehen inzwischen den Frieden als selbstverständlich an.

 

Die veränderte Atmosphäre, die vertiefte Zusammenarbeit und Dialog wurden von der acht Jahre lang in radikaler Opposition verbleibenden PiS nicht akzeptiert. Wer aktiv an der Sanierung der deutsch-polnischen Beziehungen mitwirkte, wurde von dieser Seite oft geschmäht. Es ließ sich hören, Polen führe seine Außenpolitik auf den Knien und unser Land sei ein „russisch-deutsches Kondominium“. Sogar die Unterstützung zur Wahl von Donald Tusk zum Vorsitzenden des Europarates deutete man als Lohn für seine vermeintliche „prodeutsche Willfährigkeit“.

 

Im Wahljahr 2015 war die antideutsche Rhetorik neben einigen anderen Problemfragen zwar nur gedämpft vorhanden, doch sie kehrte unmittelbar nach der Machtübernahme durch die PiS zurück. Man sieht darin ein nützliches Instrument, um öffentliche Unterstützung zu gewinnen, obwohl Meinungsumfragen der letzten Jahre immer wieder zeigen, dass die Polen ein gutes Verhältnis zu Deutschland durchaus zu schätzen wissen und die Geschichte keine Hauptrolle bei der Gestaltung der Beziehungen spielt. Zu Hilfe eilen nun die dieser Partei unterstellten Medien und – ein Novum in der polnischen Politik – der allgemeine Tenor in den sozialen Medien.

 

Wie geht es weiter?

 

Immer häufiger werden im öffentlichen Raum inzwischen negative Stimmen an die Adresse Deutschlands und der Bundeskanzlerin Merkel laut. Was verbirgt sich dahinter? Ein neues Konzept oder eher sein Fehlen, gepaart mit einem hartnäckigen Wunsch, die Vektoren aus der Regierungszeit der PO umzukehren? „Den Politikern, die keine Antworten auf die sensibelsten Probleme in Europa finden, bleiben“, so schätzt Anna Wolff-Powęska, „nur antieuropäische und antideutsche Phobien zu Gebote. Ihre Konzeptlosigkeit kaschieren sie mit einem erbärmlichen Herumfuchteln mit dem Säbel und der Androhung, deutsche Waren und Banken zu boykottieren oder, wie etwa Minister Witold Waszczykowski, entmachtete Polen als Protagonisten einer Mischung von Kulturen und Rassen anzuprangern. Die Kritik von EU-Beamten an den jüngsten Veränderungen in Polen wird als ‚Auftragsarbeit und deutsche Verschwörung’ gedeutet“. Die Cover von rechtsorientierten Zeitschriften ließen in den letzten Wochen keinerlei Zweifel am vermeintlichen Ursprung dieser Grundhaltung.

In der Tat nimmt in deutschen Medien die Kritik an Polen zu. Nicht allzu schnell? Was wird aus unserer Nachbarschaft? Zumal immer lauter auch die Frage zu hören ist: Was wird aus Europa? Erste Anzeichen für eine Rückkehr zum konstruktiven Dialog sind vorhanden. Eine Ankündigung war das jüngste Interview von Präsident Duda für die FAZ am Sonntag, und auch der offizielle Beginn der Feierlichkeiten zum 25. Jahrestag der deutsch-polnischen Verträge lässt hoffen. In welche Richtung die Dinge evolvieren werden, ist jedoch nicht entschieden. Die Premierministerin und der Außenminister Polens zögern damit, die Eröffnungsbilanz der deutsch-polnischen Beziehungen publik zu machen.

 

Die deutsch-polnischen Beziehungen befinden sich heute an einem Scheideweg. Es fällt uns schwer, einander zu verstehen. Exemplarisch dafür ist etwas das Problem um die Flüchtlingswelle aus dem Nahen Osten. Viele Polen betrachten ironisch die deutsche Sensibilität für das Schicksal der Flüchtlinge bzw. ihre Offenheit gegenüber Zuwanderern. Und die Deutschen definieren alle unsere Ängste schnell als mangelnde Toleranz.

 

Es ist nur zu hoffen, dass die aktuellen Schwierigkeiten letztendlich keine Rückkehr zu der widerstrebenden Gleichgültigkeit der Jahre 2005 bis 2007 bedeuten. Dies wäre in Anbetracht der Probleme Europas und der Welt das schlimmste aller möglichen Szenarien.

 

Krzysztof Ruchniewicz

 

Prof. Krzysztof Ruchniewicz ist Gründungsdirektor des Willy-Brandt-Zentrums für Deutschland und Europastudien der Universität Breslau sowie wissenschaftlicher Mitarbeiter des Institutes für Geschichte der Universität Breslau Daneben ist Ruchniewicz u.a. Mitglied des Präsidiums der deutsch-polnischen Schulbuchkommission, des Kuratoriums des Kulturwerks Schlesien und der Kopernikus-Gruppe.

 

 

Polską wersję tekstu mogą Państwo znaleźć tutaj:

 

Stosunki polsko-niemieckie na rozdrożu

 

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