Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Die Jugend: Was wird nun aus ihr? Gegenwart und Zukunft

Die Mitglieder der deutschen Minderheit in Polen sind überwiegend ältere Menschen. Personen mittleren Alters nehmen nur selten aktiv am Leben der Organisation teil. Der Mangel an Menschen mittleren Alters resultiert in einer sogenannten „Generationenlücke“. Die Zukunft der deutschen Minderheit liegt in den jungen Menschen, von denen es in den Organisationen aber nicht sehr viele gibt. Die wichtigste gesellschaftliche Rolle, die junge Menschen jetzt und in Zukunft spielen müssen, ist die Fortsetzung der Minderheitenbewegung und der Brückenschlag zwischen der polnischen und der deutschen Nation.

Nach dem gesellschaftspolitischen Umbruch in Polen 1989 kamen viele Organisationen der deutschen Minderheit ins Dasein, auch mehrere Organisationen für ihre Jugend. Die größten von ihnen sind der BJDM (1992, eine polenweite Jugendorganisation der deutschen Minderheit), Ermis (1992, eine Jugendgruppe bei der Allensteiner Gesellschaft Deutscher Minderheit) sowie deutsche Studentenverbindungen: AV Salia Silesia (1992), VDH Ratibor (1999, allerdings gibt es seit ein paar Jahren keine neuen Mitglieder mehr) und VDH Oppeln (2003). Jugendorganisationen bringen nur einen Teil der Jugend der deutschen Minderheit zusammen. Besonders in den 90er Jahren waren in diesen Organisationen viele junge Leute vereint. Dies war die Zeit des Beitrittsbooms zu deutschen Minderheitenorganisationen.

Mangel an jungen Menschen in Organisationen

Eines der wichtigsten zeitgenössischen Probleme der deutschen Minderheit in Polen ist gerade der Mangel an jungen Menschen in Organisationen. Viele junge Menschen haben nicht die Zeit, an den Aktivitäten einer Organisation teilzunehmen, oder sind aus verschiedenen Gründen nicht an einer Mitgliedschaft interessiert. Ein erheblicher Teil von ihnen gehört keiner Organisation an, ob bei der deutschen Minderheit oder der polnischen Mehrheit. Es sei betont, dass in der heutigen Zeit die Menschen in Polen, vor allem die jungen Leute (ungeachtet ihrer Nationalität), im Allgemeinen zurückhaltend sind, wenn es darum geht, sich an sozialen Aktivitäten zu beteiligen.

Das mangelnde Engagement steht im Zusammenhang mit dem Problem der Wirtschaftsmigration. Wie in den vergangenen Jahrzehnten, veranlasst nach wie vor der Mangel an guten Arbeitsmöglichkeiten in Polen und die Aussicht auf bessere Lebensbedingungen und mehr Geld insbesondere junge Menschen dazu, ins Ausland zu gehen. Der arbeitsbedingte Wegzug schränkt jedoch die Aktivität der deutschen Minderheitenorganisationen stark ein, zerstört familiäre Bindungen und trägt zur Entwicklung verschiedener Pathologien bei. In der sozialen Dimension verursacht die Migration mehr Probleme als sie Nutzen bringt.

Identität junger Menschen

Zu den Jugendprojekten, die vom BMI gefördert werden, gehört u.a. Citzbound Berlin, eine Bildungreise für junge Mitglieder der deutschen Minderheit.
Foto: BJDM

Der Mangel an Engagement ist auch auf die nicht im häuslichen Milieu geformte Identität der Jugendlichen zurückzuführen. Nur ein Teil der Jugendlichen der deutschen Minderheit hat eine ausgeprägte nationale Identität, nur ein Teil hat eine deutsche nationale Identität und identifiziert sich mit der deutschen Nation und Kultur. Die meisten jungen Menschen definieren sich regional oder fühlen sich polnisch. Zur Identität der Jugendlichen der deutschen Minderheit gehören vor allem: Abstammung (oft stammt die nächste Generation aus einer national gemischten Ehe), Familien- und Regionalgeschichte, Erziehung in der Familie und in der Schule einschließlich der Weitergabe von Sprache und Kultur. Hingegen resultieren die Identitätsprobleme der Jugendlichen aus: geschichtlichen Gegebenheiten, Erziehung in der Familie und in der Schule (bei der Mehrheit der Jugendlichen wurde die deutsche Kultur und Sprache nicht an sie weitergegeben, so dass sich bei ihnen kein Identitätsgefühl – keine nationale Identifikation – entwickelt hat), Angst vor der Mehrheit, dem Umfeld oder davor, sich zum eigenen Deutschsein zu bekennen bzw. sich national zu definieren (deshalb ist es für manche Menschen bequemer, sich z.B. als Schlesier oder Europäer zu sehen), ferner ihre Wahrnehmung durch Westdeutsche als minderwertige Deutsche oder als Polen, Desinteresse (kein Interesse an den eigenen Wurzeln, nur am Geldverdienen oder Spaßhaben), fortschreitende Assimilierung in die polnische Nation und schließlich die Globalisierung.

Generell fühlen sich die Jugendlichen der deutschen Minderheit in unterschiedlichem Maße mit der polnischen und deutschen Kultur verbunden. Es ist eine Generation, die stark von der Massenkultur geprägt ist. Die Jugendlichen sind sich der Verbundenheit ihrer Region und damit der eigenen Familie mit der deutschen Kultur und dem deutschen Staat bewusst. In vielen Fällen bleibt das Schlesiertum die sicherste und einzige unhinterfragbare Komponente ihrer Identität. Es ist ihr Bezugspunkt. Sie definieren sich lieber in regionalen als in nationalen Kategorien. Es scheint, dass diese Einstellung an die nächsten Generationen weitergegeben wird. Das Schlesiertum wird als regionale Zugehörigkeit verstanden, während das Deutschtum als eine nationale und staatliche Zugehörigkeit definiert wird. In der jungen Generation sind unter anderem zwei Arten von Haltungen zu beobachten: die Suche nach Identifikationspunkten für die eigene Identität außerhalb der lokalen, regionalen und nationalen Gemeinschaft – das Streben, ein Weltbürger, ein Europäer zu werden, sich anderen Kulturen zu öffnen – und die Suche nach und die Rückkehr zu den eigenen Wurzeln. Hervorzuheben ist auch, dass für viele junge Menschen die Frage der Identität keine große Rolle spielt. In Zukunft wird sich wahrscheinlich ein großer Teil der Angehörigen der deutschen Minderheit nicht mit der deutschen Minderheit identifizieren und seine Identität vor allem auf den Regionalismus stützen. Nur ein Teil der Menschen wird eine deutsche nationale Identifikation haben (sich deutsch oder deutsch-schlesisch fühlen) und sich voll mit der deutschen Sprache und Kultur identifizieren. Dies wird vor allem bei denjenigen der Fall sein, die viele Jahre in Deutschland aufgewachsen sind und mit ihren Eltern in ihre Heimat zurückgekehrt sind, und/oder bei denjenigen, die bilinguale Schulen besuchen oder Deutsch als Muttersprache in Schulen als zusätzliche Sprache lernen. Mehr zweisprachige Schulen und Schulen, in denen Kinder und Jugendliche der deutschen Minderheit Deutsch als Muttersprache lernen, geben Hoffnung, dass zumindest ein Teil dieser jungen Menschen in Zukunft Mitglieder der deutschen Minderheitenbewegung werden.

Generationswechsel und Aktivierung junger Menschen

Die ältere Generation, die heute meist eine Minderheit bildet, braucht Nachfolger. Nur einige der älteren Aktivisten entscheiden sich dafür, junge Leute an ihre Stelle als Vorsitzende der Ortsgruppe oder in den Vorstand der Ortsgruppe zu holen. Der Generationswechsel in den lokalen deutschen Minderheitenorganisationen vollzieht sich nur langsam, wenngleich aus der Perspektive der Jahre ein Wachstum zu erkennen ist. Nach Meinung vieler meiner Gesprächspartner ist es für die Aktivierung von Jugendlichen, einschließlich des Erreichens von Jugendlichen, die nicht Mitglied in einem Verein sind, nicht nur notwendig, einen Ort zu haben, an dem sich Jugendliche treffen können, sondern ihnen auch ein interessantes Programm anzubieten, das ihren Erwartungen entspricht (idealerweise sollten sie es selbst gestalten können). Das Programm der Organisation sollte vor allem Folgendes beinhalten: gemeinsame Ausflüge (in der Region und nach Deutschland), Kontakt mit Gleichaltrigen aus Deutschland, Seminare zu Themen, die auf die Erwartungen einer bestimmten Gruppe zugeschnitten sind, Spiele und Aktivitäten, die die Jugendlichen zusammenbringen und ihnen helfen, sich gegenseitig besser kennen zu lernen. Junge Menschen brauchen eine breite Akzeptanz und sollten sich nützlich und geschätzt fühlen.

Die Zukunft der Minderheit

Weronika Flach und Oskar Zgonina möchten sich gemeinsam mit anderen Jugendlichen für die lokale Gesellschaft engagieren.
Foto: Manuela Leibig

Junge Menschen werden in den Organisationen für die Zukunft der Bewegung dringend gebraucht. Rückblickend lässt sich bereits feststellen, dass die Zahl der Organisationen und ihrer Mitglieder abnimmt. In den kommenden Jahrzehnten werden folgende Faktoren für die Existenz der deutschen Minderheit entscheidend sein: die Attraktivität der deutschen Minderheitenbewegung, die nationale Identität dieser gesellschaftlichen Gruppe, das gesellschaftspolitische Klima in Polen und die mögliche Anerkennung der Schlesier als ethnische oder nationale Minderheit. Langfristig wird die deutsche Minderheitenbewegung wahrscheinlich auf etwa ein Dutzend – wenn auch relativ dynamisch agierende – Gruppen schrumpfen, die eine deutschnationale Minderheit in Polen bilden werden. Das wird eine gesellschaftliche Gruppe mit mehreren tausend bis einigen zehntausend Angehörigen sein, vor allem im historischen Oberschlesien, die ihre deutschnationale Identität aus Überzeugung und starker Verbundenheit mit der deutschen Kultur beibehalten und gleichzeitig stark mit der Region verbunden bleiben, in der sie seit Generationen leben.

Paweł Popieliński

Über den Autor: Paweł Popieliński: Doktor der Humanwissenschaften, Soziologe und Politikwissenschaftler, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Arbeitsgruppe Deutschland am Institut für politische Studien der Polnischen Akademie der Wissenschaften. Verfasser der Monographie Młodzież mniejszości niemieckiej na Górnym Śląsku po 1989 roku. Geneza organizacji, tożsamość narodowa, rola społeczno-polityczna (Jugend der deutschen Minderheit in Oberschlesien nach 1989. Entstehungsgeschichte der Organisation, nationale Identität, gesellschaftspolitische Rolle), Warschau 2011, und des kürzlich erschienenen Habilitationsbuches Mniejszość niemiecka w III Rzeczypospolitej Polskiej (1989-2019) w procesie integracji ze społeczeństwem większościowym ((Die deutsche Minderheit in der Dritten Republik Polen (1989-2019) im Prozess der Integration in die Mehrheitsgesellschaft)), Warschau 2020. Seit über 20 Jahren befasst er sich hauptsächlich mit der Geschichte und den aktuellen Problemen der deutschen Minderheit in Polen.
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