Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Ein Engländer in Schlesien

Mit dem Studenten Simon Knowles aus England sprach Andrea Polański über seine schlesische Herkunft, die er während seiner Reise durch Schlesien erforschte.


Simon, Du bist Engländer, hast aber schlesische Wurzeln. Wie kommt das?
Dahinter steckt eine interessante Familiengeschichte. Also, meine Oma Elke Squibbs, von zu Hause Brandies, stammt aus Schlesien, genauer gesagt aus Obernigk. So, wie viele Schlesier ist auch sie während des Zweiten Weltkrieges nach Deutschland geflohen und kam nach Bayern. Dort ist sie mit ihrer Familie geblieben, hat in München studiert und war anschließend an der Sportschule. Mein Opa ist Engländer und studierte Deutsch und Französisch an der Oxford-Universität. Er musste im Sommer einen Studentenaustausch in Deutschland machen und es kam so, dass er bei der Familie meiner Oma unterkam. So lernten sie sich kennen, haben sich angefreundet und daraus wurde dann mehr. Meine Oma hat ihn mehrmals in England besucht, er war auch öfters in München bei ihr und nachdem sie geheiratet haben, sind sie zusammen nach England gezogen. Ja, und ich bin jetzt der Enkel.

Die Oma von Simon Knowles, Elke, stammte aus Schlesien.
Foto: Andrea Polański

Wie sah das in Deiner Kindheit aus, Du bist ja in England, im Vereinigten Königreich, aufgewachsen und auch all Deine anderen nächsten Familienmitglieder stammen von dort. Wusstest Du schon immer, dass Deine Oma nicht Engländerin ist, wurde darüber gesprochen?
Ja, sie hat immer von sich als Deutsche geredet, aber sie hat mir auch den geschichtlichen Hintergrund erklärt. Sie erzählte, dass sie Schlesierin ist und dass diese Region früher zu Deutschland gehörte, aber heutzutage ein Teil Polens ist. Es hat mich sehr interessiert, weil es ja für mich etwas Ungewohntes war, das ihr Heimatort mal in einem Land, mal in einem anderen lag, aber mit dem wachsendem geschichtlichen Bewusstsein, kam dann auch das historische Verständnis und ich habe verstanden, was genau passiert ist.
Hast Du Dich schon immer für Geschichte, aber insbesondere Deine Familiengeschichte, interessiert?
Das kam so alles mit der Zeit. Es war halt immer interessant, dass Oma Elke nicht aus England stammte und später habe ich auch in der Schule begonnen, den Deutschunterricht zu besuchen. Ich habe diese Sprache auf Grund meiner Herkunft gewählt, um es so mit meiner Identität zu verbinden.

Die Geschichte Europas, selbst die Geschichte Großbritanniens ist sehr komplex, daher kommt die Frage auf, ob Du in Deiner Schulzeit überhaupt irgendwelche Berührungspunkte mit Schlesien oder der Geschichte zwischen Deutschland und Polen hattest.
Die Berührungspunkte mit diesem Teil der europäischen Geschichte hatte ich tatsächlich nur dank meiner Oma. Natürlich haben wir den Zweiten Weltkrieg in der Schule durchgenommen, aber nicht wirklich wurde etwas zu Deutschland und Polen im schlesischen Kontext referiert. Ich habe erst in Gesprächen mit meiner Oma erfahren, was mit Schlesien während des Krieges und danach passiert ist. Ich muss hier bemerken, dass sie auch nur grob davon erzählt hat, sie hat sich im späteren Leben nicht so sehr für Geschichte interessiert, oder anders gesagt, damit auseinandergesetzt, aber ich kann das auch komplett verstehen. Wenn man mit acht Jahren als Kind den Krieg selbst erlebt, aus der Heimat für immer flieht, das sind traumatisierende Erlebnisse und man muss Verständnis dafür haben, dass nicht jeder an diese Zeiten zurückdenken will.

Ich sehe meinen Aufenthalt in Schlesien als ein Abenteuer, eine Studienreise, eine Reise in die Vergangenheit meiner Familiengeschichte.

Wie ist es jetzt dazu gekommen, dass Du in Schlesien bist?
Das ist auch interessant. Ich mache aktuell in Heidelberg ein Erasmus-Jahr und musste einen deutschen Sprachkurs belegen. Es kam so, dass mein Deutschlehrer Adam Kubik ist, der selbst Schlesier ist. Da ich mich ja für das Thema interessiere, haben wir guten Kontakt geknüpft, uns ausgetauscht und ich habe von ihm sehr viel über die Region erfahren. Er hat mir vorgeschlagen, ihn vor Ostern zu besuchen und das habe ich natürlich sehr gerne gemacht. Ich war noch nie in Polen, in Schlesien und ich wollte einfach die Region kennenlernen. Keiner aus meiner Familie war jemals in Schlesien, nachdem sie vor 80 Jahren geflohen sind. Ich wollte vor allem das Geburtsdorf meiner Oma sehen.

Wie nimmst Du denn Schlesien wahr? Gab es jetzt während Eurer Reise durch Schlesien Orte, Gegebenheiten, die Du aus den Erzählungen Deiner Großmutter kanntest?
Eigentlich wusste ich nicht, was ich hier erwarten soll. Oma Elke hat mir vor allem über Obernigk erzählt, also da, wo sie gewohnt hat. Sie wusste halt noch, wo z. B. der Metzger war, wo man schön Blumen kaufen konnte, wo sie zur Schule ging, wo jemand gewohnt hat. Das sind Sachen, an die man sich aus dem Kindesalter erinnert. Ich habe mir selbst das geschichtliche und landeskundliche Wissen angeeignet und jetzt sehe ich einfach in der realen Umgebung das, was ich gelernt habe, in Form von Orten, Gedenktafeln, Gesprächen etc. Ich wusste auch, dass meine Oma im deutschen Breslau geboren wurde und es war interessant zu beobachten, wie die Stadt heute als polnische Großstadt weiter besteht.

Welche persönliche Bedeutung hat für Dich dieser Aufenthalt in der alten Heimat Deiner Oma, in Schlesien?
Ich sehe meinen Aufenthalt in Schlesien als ein Abenteuer, eine Studienreise, eine Reise in die Vergangenheit meiner Familiengeschichte. Es sind sehr viele wertvolle Eindrücke, die ich hier sammeln konnte und ich brauche noch Zeit, um sie alle auf mich wirken zu lassen. Ich bin sehr dankbar für die Zeit hier in Schlesien.

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