Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Erleben, schreiben, denken

Seit zweieinhalbJahren arbeitet Julia Herzog als entsandte Kulturmanagerin des in Stuttgart angesiedelten Instituts für Auslandsbeziehungen (ifa) beim Verband der deutschen Gesellschaften in Ermland und Masuren (VdGEM) sowie der Allensteiner Gesellschaft Deutscher Minderheit (AGDM). Nach einem erfolgreichen letzten Jahr hat sie auch für 2022 wieder spannende Ideen für Projekte, die sie für und mit der deutschen Minderheit im Norden Polens umsetzen möchte.


„Ich denke, wir haben das Beste aus diesem zweiten Coronajahr gemacht“, fasst Julia Herzog die vergangenen zwölf Monate zusammen. Auch 2021 konnte sie mit der deutschen Minderheit in Ermland und Masuren wieder einige Projekte und Veranstaltungen durchführen – trotz anhaltender coronabedingter Einschränkungen. „Mit dem Verlauf des letzten Jahres binich deshalb sehr zufrieden“, resümiert sie. Ein Highlight dabei wardie im Oktober veröffentlichte Broschüre zu den deutschen Spuren in Ermland und Masuren, die sie gemeinsam mit engagierten Jugendlichen aus der Region erstellte (siehe „Wochenblatt.pl“, Nr. 42/2021).

Julia Herzog
Foto: privat

Die Kulturmanagerin ruht sich nun natürlich nicht auf ihren Lorbeeren aus, sondern hat auch für 2022 wieder viele Ideen und Pläne. Ein wichtiges Anliegen: „Nachdem ich zuletzt vor allem in Allenstein aktiv war, möchte ich in diesem Jahr verstärkt in die Regionen gehen, in die kleinen Ortschaften in Ermland und Masuren und auch dort Projekte durchführen“, sagt sie voller Tatendrang.

Ostpreußen aus Erlebnisperspektive

Bereits im März soll dazu das Bildungsprojekt „Die Erkundung des ehemaligen Ostpreußens aus literarischer und moderner Erlebnisperspektive“ stattfinden, das in Kooperation mit dem Ostpreußischen Landesmuseum in Lüneburg auf die Beine gestellt wird. „In fünf verschiedenen kleineren Orten in der Woiwodschaft Ermland-Masuren werden wir mitGrundschülern, die Deutsch als Minderheitensprache lernen, auf spielerische Art und Weise die eigene Geschichte erforschen – mit speziellem Fokus auf die örtliche deutsche Minderheit“, erklärt Julia Herzog.

Grundlage und Leitfaden des Projekts ist dabei das Kinder-Sachbuch „Elche, Bernstein und Planetenforscher“(2006), das abwechslungsreich und mit zahlreichen Illustrationen einen Überblick über die Geschichte Ostpreußens bietet. Die Autorin des Buches, Silke Straatman, ist gleichzeitig die Leiterin der Abteilung Bildung und Vermittlung des Ostpreußischen Landesmuseums. Gemeinsam mit der Kulturreferentin des Landesmuseums, Agata Kern, wird sie für eine Woche nach Ermland-Masuren reisen und mit den dortigen Grundschülern Unterrichtseinheiten und Workshops zur genannten Thematik durchführen – bei denen unter anderem auch Bernstein geschliffen werden soll.

Silke Straatmans Kinder-Sachbuch „Elche, Bernstein und Planetenforscher“
Foto: Husum Verlag / Ostpreußisches Landesmuseum Lüneburg

Projektwoche inklusive Essaywettbewerb
Unter dem Titel „Wie gut kennst du die deutsche Minderheit? Lokale Geschichte entdecken – Kämpfer des Widerstandes“ soll im Frühjahr zudem eine Projektwoche mit etwa 30 Oberstufenschülern einer Schule in Sensburg (Mrągowo) stattfinden. „Die teilnehmenden Jugendlichen werden sich dabei mit deutschen Widerstandskämpfern des Zweiten Weltkrieges beschäftigen – und einen Essay über dieses Thema verfassen“, sagt Julia Herzog. „Auf dem Programm stehen in diesem Zusammenhang auch eine Fahrt nach Steinort (Sztynort) und ein Besuch bei der deutschen Minderheit in der Region“, fügt sie hinzu.
Das Ganze wird in Kooperation mit der Berliner Vertretung desPilecki-Instituts (InstytutPileckiego)organisiert. Auf die Verfasser der zehn besten Essays wartet – sollte die Coronapandemie dies zulassen – dabei ein toller Preis: eine mehrtägige Bildungsfahrt in die deutsche Hauptstadt zu eben jenem Pilecki-Institut, das mit den Jugendlichen dann verschiedene Workshops zur wechselvollen Geschichte des 20. Jahrhunderts durchführen wird.

Internationale Denkwerkstatt
Das größte Projekt in diesem Jahr soll aber eine „internationale Denkwerkstatt“ zum Thema Nachhaltigkeit sein. Warum „international“? „Weil ich das Projekt gemeinsam mit den ifa-Kulturmanagernaus Oppeln, Prag und Pressburg durchführe“, sagt Julia Herzog. Dazu sollen sich Ende Juni etwa 30 Jugendliche der deutschen Minderheit aus Polen, Tschechien und der Slowakei in Pressburg treffen. „Dort werden sie an einem Wochenende an verschiedenen Workshops zu Klimagerechtigkeit und Fast Fashion teilnehmen, die sowohl theoretische als auch praktische Elemente enthalten – durchgeführt von zwei oder drei externen Referenten“, führt die Allensteiner ifa-Kulturmanagerin aus.

Und warum „Denkwerkstatt“? Julia Herzog erklärt: „Über die Nachhaltigkeitsworkshops möchten wir auch zum Nachdenken über die generelle Bedeutung von Engagement anregen – speziell in Bezug auf die deutsche Minderheit. Den Jugendlichen soll bewusst werden, dass es ohne ihr Engagement die organisierte deutsche Minderheit irgendwann nicht mehr geben wird.“
Als ob diese drei Großprojekte noch nicht genug wären, müssen „nebenbei“ auch noch die laufenden Maßnahmen weitergeführt werden, wie zum Beispiel die regelmäßigen Treffen des Deutschklubs im Allensteiner Haus Kopernikus oder die Filmworkshops zum Thema Stereotypen und Vorurteile anhand des deutschen Spielfilms „Heimat ist kein Ort“. Über einen Mangel an Arbeit kann sich Julia Herzog also auch in diesem Jahr nicht beschweren.

Lucas Netter

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