Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Kaiserliches Pflegeheim

 

Das Ende des 19. und der Anfang des 20. Jahrhunderts sind mit einer sehr dynamischen Entwicklung Allensteins (poln. Olsztyn) verbunden. Besonders die Bauindustrie erlebte damals eine Blütezeit. Zahlreiche Häuser und öffentliche Einrichtungen wurden gebaut und damit auch neue Straßen.

 

Eines der bekanntesten historischen Gebäude in Allensteins Innenstadt ist zweifellos das majestätische Gebäude des ehemaligen Städtischen Pflegeheims, das verborgen zwischen Bäumen auf einem Hügel liegt. Es wurde in der Nähe der Kreuzung der Warschauerstraße (poln. ul. Warszawska) und der Mariengasse (poln. ul. Mariańska) gegenüber dem bereits zuvor gebauten Marienkrankenhaus errichtet.

Die Notwendigkeit einer solchen Einrichtung ergab sich aus dem wachsenden Bedarf der Stadt an dieser Art von Institutionen und aus der Tatsache, dass das alte Pflegeheim an der damaligen Guttstädter-Chaussee (poln. ul. Dobromiejska), heute ul. Wojska Polskiego, in einem sehr schlechten Zustand war. Allerdings begann die Stadtverwaltung mit dem Bau des Gebäudes erst, nachdem ihr vorgeworfen wurde, beim Bau des neuen Rathauses zu verschwenderisch gewesen zu sein. Man war der Meinung, dass dies auf Kosten wichtiger und notwendigerer Projekte für die Stadt, wie z. B. eines Pflegeheims, geschehen war. Schließlich fiel 1906 die Entscheidung, es zu bauen. Es war das Jahr, in dem Deutschland und Preußen die Silberhochzeit des Kaiserpaares Wilhelm II. und Auguste-Victoria feierten.

 

Das neue Städtische Pflegeheim, gerade nach dem Kaiserpaar Wilhelm-Auguste-Viktoria benannt, wurde am 1. April 1913 eröffnet. Sein Erbauer war der deutsche Architekt Max Boldt, Schöpfer vieler wichtiger Gebäude in Allenstein, darunter des neuen Rathauses und des Feuerwehrkomplexes.

 

 

Dawny Dom Opieki Wilhelma i Augusty-Victorii po remoncie. Dziś znajduje się tu m.in. internat dla uczniów szkół medycznych.
Żródło Urząd Marszałkowski Olsztyn

 

 

Im Archiv von Ermland und Masuren befindet sich eine detaillierte Beschreibung des ehemaligen Kaiserlichen Pflegeheims in Allenstein, dessen Aussehen in den 1960er Jahren von Zbigniew Grabowski dokumentiert wurde. Dank dessen wissen wir, dass dieses statuenartige Gebäude für die Heiminsassen auf einem h-förmigen Grundriss errichtet wurde. Sein Baukörper besteht aus einem rechteckigen Hauptkörper, der mit Risaliten bereichert ist, d. h. Gebäudeteilen, die über die Stirnseite der Hauptmauer hinausragen, um die Fläche zu vergrößern, sie zu schmücken und ihr einen repräsentativen Charakter zu verleihen. Dem Hauptteil und seinen kürzeren Seiten wurden zwei rechtwinklige Seitenflügel hinzugefügt. Die Räume zwischen den Fenstern wurden mit einer bescheidenen ornamentalen Dekoration mit floralen Motiven verziert.
Das Gebäude ist dreigeschossig mit Putzfassaden, einem Keller und einem nutzbaren Dachgeschoss. Das Ganze ist mit einem gebrochenen Mansardendach bedeckt. Die Dachflächen beinhalten notwendige Gauben, um Licht in den Raum zu bringen. In den 1970er Jahren wurde ein zusätzliches Dachgeschoss über dem Hauptkörper aufgesetzt. Das Dach ist mit einer (originalen) mittig angeordneten Holzlaterne bekrönt. Das Gebäude wurde außerdem mit elektrischen Lampen beleuchtet, hatte eine zentrale Dampfheizung, Wasser- und Abwasseranlagen sowie Gasküchen.

 

In unmittelbarer Nähe des Hauptgebäudes befanden sich ein Garten sowie Wirtschaftsgebäude (z. B. Schweineställe, ein Pferdestall und Lagerhallen) und Nebengebäude (wie Desinfektionsräume, eine Leichenhalle und eine Prosektur). In der Nähe befand sich auch ein 1961 aufgelöster multireligiöser Friedhof, auf dem die verstorbenen Bewohner des Pflegeheims beigesetzt wurden – siehe „Wochenblatt.pl“ Nr. 3 (1502) vom 15.-21.01.2021.

 

Seit ihrer Gründung erfüllte die Einrichtung eine Pflege- und Behandlungsfunktion. Sie bot Platz für 180 Insassen auf vier Stationen: Armenaufenthaltsstation, Erste Krankenstation (kostenlos behandelt), Zweite Krankenstation (gegen Gebühr behandelt) und Mutter-Kind-Station.

 

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war das Kaiserliche Pflegeheim eines der repräsentativsten Gebäude in Allenstein.
Foto Archiv MKZ Olsztyn

Der Kaiserliche Pflegeheim diente 32 Jahre lang, bis zur Nacht vom 21. auf den 22. Januar 1945, als medizinisches Zentrum der Stadt, eine Kombination aus Krankenhaus und Sanatorium, Armenhaus und Altenheim. Leider ist das Schicksal seiner letzten Bewohner unbekannt.

 

Das Gebäude wurde nicht durch den Zweiten Weltkrieg zerstört. Ab Ende Januar 1945 waren dort für einige Monate Soldaten der Roten Armee stationiert, gefolgt von Soldaten der polnischen Armee. Im Februar 1946 übergab der Allensteiner Woiwode das gesamte Gebäude an das Bistum Ermland. Es beherbergte die bischöfliche Kurie und später ein niederes und höheres Priesterseminar. 1962 wurde die Staatliche Krankenpflegeschule hier der nächste Hausherr.
In seiner 100-jährigen Geschichte wurde das Gebäude dreimal renoviert. Vor zehn Jahren wurde das ehemalige Kaiserliche Pflegeheim einer weiteren, und zwar der wichtigsten Renovierung unterzogen, die das Gebäude vor der völligen Zerstörung bewahrte. Das Auffälligste ist seine wunderschön renovierte Fassade, die die Umgebung überragt. Das Dach musste aufwendig repariert werden. Alle Fliesen wurden ausgetauscht, da die ursprünglichen, über hundert Jahre alten, leider nicht mehr zu retten waren. Historische Ziegel blieben jedoch auf dem Turmdach erhalten, wo eine beträchtliche Anzahl von alten kleinen Biberschwanzziegeln geborgen und wiederverwendet wurde. Die Zentralheizung wurde modernisiert, die Fundamente wurden isoliert, ein Parkplatz wurde angelegt, dazu ein Zaun und eine stilvolle Beleuchtung. Alle Renovierungsarbeiten wurden unter maximaler Erhaltung des Charakters des denkmalgeschützten Gebäudes durchgeführt. Die Gesamtkosten für die Sanierung des historischen Gebäudes betrugen 2,5 Mio. PLN, wovon 1,3 Mio. PLN von der EU bereitgestellt wurden. Dank dieser Investition erstrahlt das Gebäude nun wieder in altem Glanz und ist erneut zu einem Aushängeschild Allensteins geworden.

 

Zurzeit ist dieses prächtige Gebäude im Besitz der nach Prof. Zbigniew Religa benannten postlyzealen Schule, in der fast 600 Schüler lernen. Es beherbergt ein Wohnheim für 56 Personen sowie eine Kantine und eine Bibliothek, die auch von Ärzten und Medizinstudenten der Universität Ermland-Masuren genutzt wird. Ein Teil des Gebäudes steht auch der Gesundheits- und Tourismusabteilung des Marschallamtes zur Verfügung.

 

Seit über hundert Jahren dient dieses wertvolle Bauwerk den Armen und Kranken und obwohl der Träger mehrmals wechselte, ist sein Hauptzweck, abgesehen von einer kurzen Unterbrechung nach dem Krieg, unverändert geblieben und wird bis heute erfolgreich fortgeführt.

 

Alfred Czesla

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