Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Keine Kirchen sondern Bethäuser

Die Reformation hatte sich in Schlesien schnell verbreitet. Ab 1526 bildeten sich immer mehr evangelische Gemeinden. Der Augsburger Religionsfrieden von 1555 sicherte den Anhängern der lutherischen Kirche Frieden und Besitzstände. Im Zuge der Gegenreformation wurden aber im Rahmen der Kirchenreduktion in den Jahren 1654–1668 viele evangelisch gewordene Kirchen enteignet und katholisiert.

Die evangelischen Christen mussten sich danach zunächst mit nur wenigen sog. Grenz- oder Zufluchtskirchen begnügen. Nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges entstanden zudem drei Friedenskirchen in Glogau, Jauer und Schweidnitz. Erst durch die Altranstädter Konvention (1707) erhielten die evangelischen Einwohner Schlesiens 120 Kirchen in den Fürstentümern Liegnitz, Brieg, Wohlau, Münsterberg, Oels und am Stadtrand von Breslau zurück. Außerdem durften in den Orten Freystadt, Hirschberg, Landeshut, Militsch, Sagan und Teschen sechs Gnadenkirchen (mit Glockenturm) errichtet werden.

Im Sommer 2022 konnte man im Bethaus Lomnitz eine Ausstellung zur Bibelgeschichte sehen. Foto: wikimedia commons

All das war aber angesichts der hohen Zahl an evangelischen Christen in Niederschlesien zu wenig. Doch die Gläubigen sollten erst nach den sog. Schlesischen Kriegen, als die Region an Preußen fiel, eine weitere Möglichkeit zum Bau von Gotteshäusern bekommen. Nur waren es keine klassischen Kirchen mit Glockenturm, sondern eben „Bethäuser“. 200 wurden in dieser Zeit in einem schlichten Barockstil (meist in Fachwerkbauweise) errichtet oder neu eingerichtet, insbesondere in den zuvor katholischen Herzogtümern Schweidnitz, Jauer, Sagan und Glogau. Da sie in der Zeit Friedrichs II. entstanden, werden sie auch als „Friderizianische Bethäuser“ bezeichnet. Die meisten Bethäuser wurden später durch steinerne Kirchenbauten ersetzt. Nach 1945 verfielen viele dieser Bethäuser, sodass heute kaum noch alte Bethäuser existieren.

Eines dieser alten Bethäuser stand Schönwaldau/Rząśnik (heute Kries Goldberg/Złotoryja). 2008 wurde das historische Bauwerk am alten Standort abgetragen, um es zu retten und mit einer neuen Sinngebung auf Schloss und Gut Lomnitz bei Hirschberg wieder aufzubauen. Ideengeberin dieser Rettungsaktion war die Eigentümerin von Lomnitz, Elisabeth von Küster, die mit ihrem Ehemann Ulrich 1991 das Schloss vom polnischen Staat zurückkaufte und zu einer Hotelanlage um- und ausgebaut hat.

Jedoch erst 2011 konnte der Grundstein für den Wiederaufbau gelegt werden. Die Bauarbeiten im Lomnitzer Park wurden im Juni 2020 abgeschlossen, und das mit maßgeblicher Unterstützung des in Buchwald/Bukowiec und Görlitz beheimateten Vereins zur Pflege Schlesischer Kunst und Kultur (VSK), der zu Spenden aufrief und öffentliche Zuschüsse, unter anderem des Freistaates Sachsen, beantragen konnte.

Heute dient das Bethaus unweit des Schlosses Lomnitz nicht nur zum Gebet. Es ist ein Ort, an dem Konzerte und Ausstellungen stattfinden. Und es ist ein stiller Zeuge der Geschichte der evangelischen Christen in Niederschlesien.

Rudolf Urban

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