Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

Letzte Ruhe an der Oder

Am Wegesrand nahe der Oder beim Oppelner Stadtteil Königlich Neudorf (Nowa Wieś Królewska) steht einsam (aber nicht verlassen) ein Grab für drei unbekannte Soldaten des Zweiten Weltkrieges, die hier im Januar 1945 gefallen sind. Dass die Grabstelle jahrelang gepflegt wurde, hat sie einem Bewohner des Dorfes zu verdanken.

Der 23. Januar 2022 ist ein kalter, wolkenverhangener Sonntag. Der weißgraue Himmel verschwimmt mit der dünnen Schneedecke auf dem Boden. Es weht nur ein leichter Wind, sodass auf den Feldern bei Königlich Neudorf eine behagliche Stille herrscht; die Oder fließt gemächlich dahin. Das triste Winterwetter versprüht eine nachdenkliche Stimmung – und passt zur Erinnerung an die Ereignisse, die hier auf den Tag genau vor 77 Jahren geschahen.

Denn am 23. und 24. Januar 1945 erreichte die Front des Zweiten Weltkrieges auch das Oppelner Stadtgebiet. Und obwohl es hier – im Gegensatz zu Breslau oder Posen – keine große Schlacht um die Stadt gab, forderten die vielen kleineren Gefechte doch zahlreiche Todesopfer unter den beteiligten Soldaten und den in der Stadt verbliebenen Zivilisten. Davon zeugt nicht zuletzt auch der sowjetische Soldatenfriedhof in der Oppelner Katowicka-Straße.

An drei unbekannte Soldaten, die hier in diesen Tagen ihr Leben verloren, erinnert ein Grabmal bei Königlich Neudorf. Man findet es, wenn man von der örtlichen Przyjaźni-Allee auf die Żwirowa-Straße und dann vorbei am Bolko-Baggersee auf den Fahrrad- und Spazierweg geht; kurz darauf nimmt man die Abzweigung nach links auf die Felder in Richtung der Oder – und kommt so unweigerlich an der Grabstelle vorbei. Einsam und doch präsent steht der Grabstein dort am Wegesrand auf einer Erderhöhung, nur wenige Meter vom Ufer des Flusses entfernt. Darauf angebracht ist ein schwarzes Metallkreuz mit silberner Jesusfigur. Auf dem Stein eingraviert steht in deutscher und polnischer Sprache: „Hier ruhen drei gefallene unbekannte Soldaten – Januar 1945“.

Das Grabmal in Königlich Neudorf
Foto: Lucas Netter

Als das Grab nach Kriegsende angelegt wurde, befand es sich einige Meter weiter, direkt am Rand eines Feldes, und war damals lediglich mit einem spärlichen Holzkreuz versehen. Anfangs habe sogar noch ein Soldatenhelm daran gehangen, erinnert sich Irena Olbińska, die in den 1950er- und 1960er-Jahren in Königlich Neudorf aufgewachsen ist und mit ihrem Mann Jurek bis heute in ihrem Elternhaus lebt, nur wenige hundert Meter von der Grabstelle entfernt. „Als Kinder waren die Felder rund um den See unser Spielzimmer“, erzählt sie. „Im Sommer haben wir manchmal Blumen gepflückt und sie auf das Grab gelegt.“

Jahrelang gepflegt wurde die Ruhestätte von Tomasz Czech, der ebenfalls in Königlich Neudorf – das 1955 in die Stadt Oppeln eingemeindet wurde – wohnte. Einmal hätten sich einige Kinder aus der Nachbarschaft einen Spaß daraus gemacht, die Knochen der begrabenen Soldaten auszugraben, berichtet Irena Olbińska. Doch Tomasz Czech habe dafür gesorgt, dass die Totenruhe schnell wiederhergestellt wurde. Selbst Auskunft geben über sein Engagement für die drei Gefallenen kann er leider nicht mehr, denn er verstarb bereits im März 1969.

Weil rund um die Oder bei Regen und Schneeschmelze ständig die Felder unter Wasser standen beziehungsweise stehen, wurde das Grab später auf die erhöhte Position verlegt und mit dem erwähnten Grabstein und Metallkreuz „ausgestattet“. Bis heute erinnert es daran, dass auch diese idyllische Gegend einst ein Ort für Leid und Tod war.

Lucas Netter

Show More