Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Mariannes Märchenschloss (+Video)

Das Schloss Kamenz ist eines der größten Bauten, die zum Ende der Epoche der Romantik erbaut wurden. Das Schloss zählt 27.000 Quadratmeter, also fast 3 Hektar Fläche unter dem Dach und birgt ca. 100 Räume.

 

Prinz Friedrich Ludwig, der spätere König der Niederlande, Wilhelm II. genannt, emigrierte 1812 in die Gegend von Kamenz in Niederschlesien. Begeistert von der Landschaft im Tal der Glatzer Neiße überredet er seine Mutter Wilhelmine von Preußen, hier ein Stück Land zu kaufen. Nach dem Tod von Wilhelmine erbte ihre Tochter Marianne von Oranien Nassau das Land. Wilhelmina Frederika Louise Charlotte Marianne von Oranien-Nassau – wie sie mit vollem Namen hieß – Prinzessin von Preußen und den Niederlanden, war von dem Land so angetan, dass sie im Niederschlesischen Kamenz ein Schloss als Familiensitz erbauen ließ.

 

Dank der speziell bearbeiteten Ziegelsteine glänzt das Schloss im Sonnenschein.
Foto: Manuela Leibig

 

Prinzessin mit eigenem Willen

Marianne von Oranien Nassau beauftragte niemand Geringeren als den Architekten Karl Friedrich Schinkel mit dem Entwurf des neugotischen Schlosses. „Er war ein herausragender Experte des 19. Jahrhunderts. Das Schloss war sein letztes großes Werk, das er leider nicht vollenden konnte, weil er drei Jahre nach Beginn der Bauarbeiten gestorben ist“ sagt Sławomir Radzik, Verwalter des Schlosses in Kamenz. Die Fortsetzung von Schinkels Arbeit übernahm sein talentierter Schüler Ferdinand Martius. Für den 200 Hektar großen Schlosspark wurde Peter Joseph Lenné engagiert, Direktor der Königlichen Gärten in Berlin. Ihm sind die schönen Schlossterrassen und die zahlreichen Springbrunnen zuzuschreiben. Im Park wuchsen verschiedene Pflanzen, auch exotische Früchte wurden in den Gärten angebaut.

Marianne, als Ideengeberin und Investorin des Schlosses, hatte bei dem Bau und der Konstruktion sehr viel mitzureden. „Das geht aus den Briefen hervor, die heute verfügbar sind, sogar während des Baus hat sie große Änderungen vorgenommen. Ein spezielles Zwischenstockwerk wurde auf ihren Wunsch dazu gebaut. Es befand sich zwischen dem Erdgeschoss und dem ersten Stock. Dieses Stockwerk war ausschließlich für die Dienerschaft gedacht. Dank dieses Zwischenstockwerks konnten sich die Bediensteten im Schloss unsichtbar für andere bewegen und die Bewohner und Gäste bedienen“, erklärt der Verwalter des Schlosses.

 

 

Auch technisch eine Perle

Im Schloss wurden auch verschiedene technische Neuheiten eingebaut: in den Korridoren wurden Kanalisationsrohre verlegt, ebenso Rohre für eine Fußbodenheizung. So konnten dort viele exotische Pflanzen aufgestellt werden und auch den Winter überstehen. Im Sommer hatten sie wiederum durch die vielen großen Fenstern genügend Licht. Eine andere Besonderheit ist, dass bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hier durch eine Abwasseraufarbeitung von den Pferdeställen Biogas hergestellt wurde, das für die Beleuchtung der Terrassen genutzt wurde. „Das macht einen umso größeren Eindruck, als erst 1899 in Exeter in England diese Technologie offiziell zum ersten Mal zum Beleuchten der Straßen genutzt wurde. Dabei gab es das in dem Schloss hier schon ein paar Jahrzehnte früher“ sagt Sławomir Radzik.

Der Bau des Schlosses begann 1838 und dauerte genau 33 Jahre, wobei hauptsächlich die Bewohner von Kamenz bei der Erbauung des Schlosses als Arbeiter tätig waren. „Das war der offizielle Abschluss. In Wirklichkeit jedoch dauerten die Arbeiten an der Möblierung des Schlosses und der Gartenanlagen noch bis in die Zwischenkriegszeit. Die Idee war, ein Schloss zu bauen, das wie eine Burg aussieht. Ich denke, das ist gelungen. Noch heute bezeichnen die Einheimischen das Schloss als Burg“, so Sławomir Radzik.

 

Das Schloss kann man täglich von 10.00 bis 17.00 Uhr besichtigen.
Foto: Manuela Leibig

 

Die Zerstörung

 

Eine Zäsur für das Schloss, so wie für viele andere seinerzeit in Schlesien, bildete das Jahr 1945. Damals flüchtete der letzte Besitzer des Schlosses, Prinz Waldemar, vor der Roten Armee in den Westen. Damit begann das tragische Kapitel in der Geschichte dieses Schlosses, sagt der Schloss-Verwalter: „Die Zerstörung nahm ihren Anfang nach der Ankunft der Roten Armee in Kamenz Ende Mai. Die Einrichtung des Schosses wurde geraubt. 17 Waggons gefüllt mit Kunstwerken, Bildern und Skulpturen verließen Kamenz Richtung Osten. Nicht lange danach wurde das Schloss in Brand gesteckt, und das zwei Mal. Das Schlimmste ist, dass es eigentlich schon nach dem Kriegsende geschah. Der erste Brand fand im Januar 1946 statt, auf die Menschen, die das Feuer löschten, wurde geschossen. Beim zweitem Brand im Februar hat es 8 bis 9 Tage lang gebrannt“.

 

 

Der Wiederaufbau

 

Ab 1946 bis 1986 wurde das Schloss 40 Jahre lang seinem Schicksal überlassen. Es war offen für jeden, Tag und Nacht. Man kam hierher, um zu rauben und zu zerstören. Ab 1986 wurde das Schloss privat verpachtet. Seit 2012 ist die Gemeinde Kamenz Besitzerin des Schlosses. Damit begannen aufwendige Entrümplungs- und Renovierungsarbeiten. Die ersten Touristen durften bereits im Mai 2013 staunende Blicke in das wiederauferstandene Schloss werfen.
Seitdem hat sich wirklich viel verändert. 2013 wurden den Besuchern nur einige Räume zur Besichtigung zur Verfügung gestellt. Heute kann man das komplette Erdgeschoss und beinahe den ganzen ersten Stock des Schlosses besichtigen. Sławomir Radzik ist zuversichtlich, was die Zukunft des Schlosses angeht: „Nachdem die Arbeiten abgeschlossen sind, denke ich, dass das Schloss in Kamenz zu einem der bekanntesten Schlösser in Polen wird“.

 

Außer den Bauarbeiten am Schloss selbst werden auch die Terrassen und 27 Springbrunnen wieder in Betrieb gesetzt. Auch im Schlosspark wird viel gemacht. Allein im Jahr 2015 wurden 60 Tausend Pflanzen, 200 Arten von Bäumen, Büschen und Kletterpflanzen angepflanzt.

 

Das Schloss in Kamenz kann man von 10 bis 17 Uhr besichtigen.
Bei einer Führung durch das Schloss erfahren Sie nicht nur viel über den Bau, sondern auch vieles über das stürmische Leben von Marianne von Oranien Nassau, Prinzessin von Preußen und den Niederlanden. Es lohnt sich zudem, einen Spaziergang durch den Schlosspark zu machen.

 

Manuela Leibig

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