Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Mehr Sprachen, mehr Perspektiven, ein Oberschlesien

Mit Adam Kubik aus Rosniontau, Doktorand an der Universität Heidelberg, sprach Andrea Polański über seine Forschungsarbeit in Bezug auf Schlesien und seine Arbeit an der ältesten Universität Deutschlands.


Adam, Du bist Doktorand an der Heidelberger Universität und betreibst dort Deine Forschungsarbeit, unter anderem zu Schlesien. Wie hat es bei Dir angefangen, dass Du Dich mit der Thematik rund um Schlesien auseinandergesetzt hast?

Die Auseinandersetzung begann 2005 mit dem Fach Geschichte und Kultur Schlesiens während der Studienzeit am Lehrerkolleg in Oppeln. Dort lernte ich, dass alle Lebensbereiche in Bezug auf Schlesien zum Studium geeignet sind. Mir fiel auf, dass in der Gegenwart zahlreiche Themenbereiche eine Ergänzung um die einheimische Perspektive benötigen. Die bisher gültigen Konzepte scheinen nicht aufzugehen, denn Oberschlesien bleibt in seinem auferlegten Provinzcharakter gefangen und kann nicht mit seinem Potenzial der kulturell-sprachlichen Mischung aufblühen, anders als ähnliche Gebiete wie Südtirol, Luxemburg oder Elsass, die ihren europäischen Charakter authentisch vorzeigen.

Wenn von Schlesien die Rede ist, wird oft über Geschichte und Kultur gesprochen, aber die Sprache spielt ebenfalls eine wichtige Rolle. Wie behandelst Du diesen Aspekt in Deiner Forschung?

Sprachen sind relevant, um Machtgefälle oder Perspektiven zu betrachten, und diese aufzugreifen. Was mir auffällt, ist die Behauptung, dass Deutsch zwar stets zu Oberschlesien dazugehöre, doch gleichzeitig werden hier nur äußerst selten Originaltexte in dieser Sprache verfasst oder öffentlich wird es kaum gesprochen. Zudem schreibt man (Ober)Schlesisch den Status eines minderwertigen Dialekts zu, obwohl die jüngste Sprachwissenschaft es als eine Regionalsprache anerkennt, was auch die EU-Kommission durch Aufforderungen an den polnischen Staat in ihren Berichten bestätigt. Statt einer europäischen Ausrichtung der Mehrsprachigkeit, erkenne ich leider eine Stagnation in der „mono(ton)lingualen“ Haltung des Polnischen, die nicht selten besagt, dass Englisch als Fremdsprache ausreiche. Die polnisch-englische Bilingualität scheint zwar pragmatisch zu sein, doch schafft keine Verwurzelung in der Region, anders als die schlesisch-deutsche Bilingualität.

Adam Kubik
Foto: privat

Es steht in Schlesien zur Debatte, ob das Schlesische nun eine selbstständige Sprache oder nur eine Mundart ist. Wie ist da Deine Stellung dazu, auch in Bezug auf Deine wissenschaftliche Tätigkeit?

Darauf antworte ich mit Szczepan Twardochs Worten, die ich von ihm bei seiner Buchlesung 2021 in Oppeln zu hören bekam: Es sei eine politische Wahl, die von dem Sprecher getroffen werde, doch für ihn – wie auch für mich – ist es eine klare Sprache, keine Mundart. Wer Schlesisch als Sprache ansieht, verfolgt die Meinung der angesehenen Philologen Oberschlesiens Prof. Rostropowicz. In der unmittelbaren Nachbarschaft zu Oppeln befindet sich der erfolgreichste schlesischsprachige Verlag Silesia Progress, der seit 2012 einer der urigen Sprachen Oberschlesiens zur Verschriftlichen verhilft.

Du bist ja in Schlesien in einer dreisprachigen Region aufgewachsen und bist deswegen des Deutschen, Schlesischen und Polnischen mächtig. Siehst Du diese sprachliche Vielfalt als Gabe, als ein Geschenk – oder ist es eine Selbstverständlichkeit?

Sprachen sind für mich keine Gabe, da sie die Voraussetzung eines Talents andeuten und eine Sprache kann man auch ohne Sprachbegabung erlernen. Waren etwa unsere mehrsprachigen Vorfahren überdurchschnittlich begabt? Es ist eine Mischung aus Geschenk, die in dieser gemischten Region verortet ist und gleichzeitig auch eine Selbstverständlichkeit, ohne die Oberschlesien nicht ihren Charakter besäße. Diese drei Sprachen hier auf gleichem Niveau zu beherrschen, empfinde ich als Verpflichtung aller Menschen, unabhängig der Herkunft, denn nur so kann wahres, entideologisiertes und von politischen Tendenzen unabhängiges Verständnis erzeugt werden. Es sind zudem europäische Standards in kulturell vermischten, europäischen Grenzgebieten.

An der Universität unterrichtest Du als Dozent Deutsch als Fremdsprache und hast viel Kontakt mit Studierenden aus dem Ausland. Welche Rolle spielen Sprachen für junge Erwachsene, sei es Fremdsprachen, aber auch die eigene Muttersprache?

Sprachen ermöglichen Begegnungen, gegenseitiges Kennenlernen, den Austausch von Ideen, die Vermittlung von Wissen und Erfahrungen und vieles mehr. Vieles lässt sich nicht auf die Kenntnis des Englischen reduzieren, was mir oft Muttersprachler des Englischen bestätigen, die ich in Deutschkursen unterrichtet habe. Wovon ich abraten würde, wäre die Bezeichnung „perfektes Deutsch“, viel besser fände ich „fließendes Deutsch“, was auf alle Sprachen übertragbar ist, da auch einem Muttersprachler Fehler unterlaufen.

Goethes Sprichwort besagt: „Wie viele Sprachen du sprichst, sooft mal bist du Mensch“. Würdest du das bestätigen?

Natürlich, und ich versuche, es in meine Forschung miteinfließen zu lassen. Mit jeder Sprache ist die Betrachtungsweise der Welt anders, diese ergänzen sich dann um bedeutende Einzelheiten zum Ganzen.

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