Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Sturmzeit in Ostpreußen

Auf der Suche nach Lesestoff bin ich in der Bibliothek auf ein recht zerlesenes Exemplar gestoßen. Es war zwar ziemlich dick – etwas über 500 Seiten – aber wenn anscheinend schon so viele Menschen es gelesen haben, dann konnten sie sich nicht irren, die Geschichte ist wohl lesenswert. Klappentext gelesen – und Buch ausgeliehen.

 

Die Trilogie „Sturmzeit“ „Wilde Lupinen“ und „Die Stunde der Erben“ von Charlotte Link
Foto: Manuela Leibig

 

Im Buch „Sturmzeit“ von Charlotte Link begegnete mir Felicia Degnelly, eine junges, hübsches und recht verzogenes Mädchen. Es ist Sommer 1914 und Felicia genießt ihre Zeit auf dem ostpreußischem Gut ihrer Familie, auf Lulinn. Der österreichische Thronfolger wird in Sarajewo erschossen, die ganze Familie diskutiert, was nun geschehen wird. Eine spannende Geschichte beginnt. Felicia entwickelt sich im Laufe der Jahre zu einer erwachsenen, zielstrebigen Frau. Aus Trotz heiratet sie den zynischen Realisten Alex Lombard, einen Mann, den sie gerade eben kennengelernt hat, obwohl sie eigentlich schon immer in Maxim Marakow, den idealistischen Revolutionär, verliebt ist. Ebenfalls aus Trotz wird sie zur Krankenschwester. Sie geht ihren Weg und macht, was sie will, vor allem konzentriert sie sich auf ihre Karriere. Doch im Ernstfall, der häufig vorkommt, lässt sie ihre Familie und ihr Gut Lulinn nicht im Stich. Im Buch finden wir die Beschreibung der Natur in Ostpreußen, wichtig sind die Trakehner (Pferderasse aus Ostpreußen), die auch auf Lulinn gezüchtet werden und die ostpreußische Seele wird in der Person des Ferdinand Dombergs, dem Großvater von Felicia, lebendig dargestellt.

 

„Wilde Lupinen“

Starke Frauen, Scheidung, das Geschehen an der Front, das Leben der Soldaten nach dem Krieg, der Börsenkrach von 1929… Nach so vielen Abenteuern wollte ich mehr von der Familie Degnelly, wofür die Autorin zum Glück gesorgt hat. Im zweiten Teil der Trilogie (Hurra! es gibt noch mehr! wie ich nach einer kurzen Recherche im Netz festgestellt habe) „Wilde Lupinen“ begegnet mir Belle, die Tochter von Felicia, die eine Filmkarriere in Berlin machen möchte. Wenig interessiert sie die politische Situation 1938. Auch bei diesem dicken Wälzer musste die Autorin mächtig Recherche betrieben haben: die Kriegsrealität in Berlin, München und Ostpreußen wird widergespiegelt – wie vollkommen anders war diese doch im Vergleich mit den Zusammenkünften der Menschen, die mit den Nationalsozialisten kollaborierten – und wie skrupellos waren die Verfolgungen der Juden in ganz Europa.

 

1944 in Ostpreußen

Nach den Bombardierungen Berlins schickt Belle ihre Großmutter Elsa und ihre Tochter Sophie auf das Gut Lulinn nach Ostpreußen. Sie denkt, dort ist es sicherer als in der Hauptstadt. Als Elsa im Sterben liegt, wird Felicia benachrichtigt und macht sich aus München auf den Weg nach Lulinn. Felicia, die im ersten Weltkrieg der russischen Armee auf dem Gut die Stirn geboten hat, glaubt, dass auch dieses Mal niemandem etwas geschehen wird. Als am 4. August 1944 die Russen das Memelland, den nordöstlichsten Zipfel Ostpreußens angreifen aber nicht weiter kommen, bestätigte dieses die Kundgebungen der nationalsozialistischen Partei, dass die Russen an Ostpreußens Grenzen keine Chancen haben. Wochen später sind die Russen doch in Ostpreußen, Güter stehen in Flammen, die ersten Flüchtlingstracks formieren sich, Gerüchte über Ausschreitungen der Russen gegenüber den Deutschen kursieren, alle auf Lulinn wollen flüchten. Doch Felicia bleibt hart, sie kann ihr geliebtes Land nicht im Stich lassen.

 

 

 

Die Flucht

Trecken war verboten, es gab Standgerichte, die dafür Todesurteile aussprachen. Das war Felicias Argument, um nicht zu fliehen und Lulinn nicht im Stich zu lassen. Die Russen werden es wahrscheinlich niederbrennen, dachte sie. Weiterhin besteht das Evakuierungsverbot. Am 9. Januar 1945 wurde es frostig, drei Tage später griffen die Russen an. Deutsche Soldaten kämpften nicht mehr, um die Russen aus dem Land zu jagen, sondern um den flüchtenden Frauen und Kindern einen Vorsprung in Richtung Westen zu geben. In Ostpreußen bricht das Chaos aus. Ströme von Flüchtlingen erreichen Lulinn, suchen Schutz und Wärme für eine kurze Ruhepause und ziehen weiter. Felicias Ex-Eheman Alex, der sie nach Lulinn begleitet hat, drängt sie zur Flucht. Schließlich machen sie sich auf den Weg.

 

Im Schneesturm und Frost ging es Richtung Westen. Schließlich stoßen sie zu einem Treck, der nur sehr langsam vorankam und in der Gegend von Lakellen von den Russen beschossen wurde. In einem Dorf machte der Treck halt, in den Scheunen drängten sich etwa 100 Personen, vor allem Frauen und Kinder. Beim Weiterziehen wird der Treck von russischen Soldaten beschossen und angehalten. Doch Felicia hat wie so oft in ihrem Leben Glück – ein russischer Soldat gibt ihr getrocknete Kräuter, damit sie ihrer schwerkranken Enkelin Sophie einen Tee machen kann. In Elbing, der Küstenstadt am Frischen Haff, versammeln sich die Flüchtlinge. Unzählige Menschen waren an allen möglichen Ecken…
Fesselnd beschreibt Charlotte Link die Situation der Flüchtlinge, die Situation an der Front und die Propaganda im Dritten Reich – Transparente mit Kampfparolen waren selbst im Februar 1945 noch zu sehen – kommen auch deutlich zum Vorschein. Dieser Roman ist ein gelungener Mix aus einer Familiengeschichte und der Beschreibung der Ereignisse in der Kriegszeit, die nicht zu belastend sind, sondern der Geschichte eine gewisse Tiefe verleihen.

 

Wie dieses Buch ausgeht, das verrate ich nicht, nur so viel, dass Felicias Überlebenswillen siegt und sie die Flucht aus Ostpreußen nach Berlin überlebt. Was im dritten Teil der Trilogie „Die Stunde der Erben“ passiert, das weiß ich selber noch nicht, aber das Buch habe ich schon in der Bibliothek ausgeliehen und mache mich jetzt ans Lesen. Und Sie sollten es auch tun.

 

Manuela Leibig

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