Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Vom Suchen und Finden

Agnieszka Roczon von der Abteilung für Stadtpromotion in Seidenberg (Zawidów) ist stolz auf den bekannten Sohn der Stadt.
Agnieszka Roczon von der Abteilung für Stadtpromotion in Seidenberg (Zawidów) ist stolz auf den bekannten Sohn der Stadt.

Die evangelische Dreifaltigkeitskirche in der Görlitzer Altstadt soll zum Jakob-Böhme-Museum umfunktioniert werden. Nur noch selten werden dort Gottesdienste gehalten und die Kirche hat keine eigene Gemeinde mehr. Nun soll hier eine ständige Jakob-Böhme-Ausstellung untergebracht werden.

 

Die Präsentation unter dem Arbeitstitel „Vom Suchen und Finden – Jacob Böhme (1575-1624). Wege der Weisheit“ ist schon in Vorbereitung. Die Staatlichen Kunstsammlungen in Dresden haben sie für das Reformationsjahr 2017 geplant. Sie soll dann zuerst in Dresden und anschließend an weiteren Orten in Deutschland gezeigt werden. Ihre Mitwirkung an der Präsentation haben die Herzog-August-Bibliothek in Wolfenbüttel, die Biblioteca Philosophia Hermetica in Amsterdam und die Oberlausitzische Bibliothek der Wissenschaften in Görlitz bekundet. Alle diese Institutionen forschen und sammeln über Böhme.

 

Für den ständigen Standort in der Dreifaltigkeitskirche hat sich auch der Görlitzer Oberbürgermeister und gebürtige Hindenburger Siegfried Deinege ausgesprochen. Er sieht darin einen weiteren Tourismusmagnet in Görlitz.

 

Die Dreifaltigkeitskirche am Görlitzer Obermarkt gab es bereits zu Zeiten von Jakob Böhme. Die Böhme-Ausstellung würde im Mittelschiff präsentiert werden, der Chorraum und die Barbarakapelle stünden weiterhin für Gottesdienste zur Verfügung. Doch bis es zu der Doppelnutzung des Gotteshauses kommt, bleib noch viel Zeit. Die Dauerausstellung soll erst ab 2019 gezeigt werden.

 

Rezeption in Polen

 

Jakob Böhme, der die von Luther begonnene Kirchenreform vorantrieb, zieht jetzt schon Touristen nach Görlitz. Noch müssen die Anhänger des Mystikers und Philosophen mit dem Jakob-Böhme-Haus jenseits der Neiße im polnischen Teil vorlieb nehmen. „Polen verirren sich hier kaum. Es sind vorwiegend deutsche Touristen, aber auch Niederländer oder Amerikaner, die nach Jakob Böhme fragen. Wir lassen sie dann in das Böhme-Haus rein, aber viel zu sehen gibt es dort nicht“, berichtet Piotr Zubrzycki vom polnischen Lausitz-Museum, das auch das Böhme-Haus betreut. Das Haus am östlichen Neißeufer (ul. Daszyńskiego 12) war Böhmes erstes in Görlitz. Hier lebte er von 1590 bis 1610. Mit einem Vortrag im letzten Jahr versuchte das Lausitz-Museum den Schustersohn und Theosophen Böhme unter den polnischen Niederschlesiern bekannt zu machen. Dafür wurde Światosław Nowicki eingeladen – eine Koryphäe auf dem Gebiet.

 

Der junge Filmemacher Łukasz Chwałko, der in Brighton Filmregie und Kultur in Breslau studierte, wählte Jakob Böhme als Filmthema. Er zeigt Jacob Böhme am Anfang als den „schreibenden und denkenden Mann“ in seinem historischen Umfeld. Der 60-Minuten-Film ist durch Interviews mit Böhme-Kennern aus verschiedenen Ländern angereichert. Seine Premiere hatte der Film im Juni auf der polnischer Seite der geteilten Stadt Görlitz.

 

Seidenberg will erinnern

 

Małgorzata Lutowska hat in ihrem polnischsprachigen Buch „Der anvertraute Schlüssel“ die Figur Jakob Böhmes und seiner niederschlesischen protestantischen Mitstreiter nachgezeichnet. „Für mich war die Welt der Protestanten stets eine verschlossene, aber auch magische. Es war mir ein Bedürfnis, den Schlüssel zum Verständnis dieses Teils des Niederschlesischen Erbes zu finden“, so die Schriftstellerin, Deutschlehrerin und Reiseleiterin Lutowska.

 

Auch Seidenberg (Zawidów) erinnert an den bekanntesten Sohn der Stadt mit einer Informationstafel am nur noch übriggebliebenen Turm der protestantischen Kirche im Ort. In dieser Kirche war Böhmes Vater Kirchdiener. Der Verband der Freunde von Seidenberg (Stowarzyszenie Miłośników Zawidowa) sammelt Andenken an den Mystiker und strebt die Einrichtung einer Gedenkstube an. Im Marketing-Amt der Stadt treffen die Freunde auf offene Ohren. Agnieszka Roczon, Chefin der Abteilung, weiß, dass man mit dem Namen Jakob Böhme Touristen in das verschlafene Städtchen locken kann. Doch die Mühlen der Behörden mahlen nur langsam. Es gibt zwar einen Revitalisierungsplan für eine Parkanlage, die den Namen des Philosophen tragen würde, doch bis es so weit ist, müssen erst Gehsteige und Parkplätze auf dem Seidenberger Ring hergerichtet werden. So scheint es, dass die Böhme-Fan-Gemeinde als erstes die Ausstellung 2019 in Görlitz besuchen wird können.

 

Klaudia Kandzia

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