Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

Weihnachten in Masuren – wie sah die Weihnachtszeit hier früher aus?

 

Wie sah Weihnachten früher bei uns aus?

 

Alfred Czesla erzählt von masurischen Weihnachten, wie sie kaum einer mehr kennt.

 

Er erzählt vom Pikolus, der die Geschenke bringt, von Hafergelee am Heiligabend und einem weihnachtlichen Nähverbot für Frauen – denn Arbeiten in der Weihnachtszeit – das könnte zu Rheuma führen…

 

 

Foto: polen.travel

 

Die Bräuche, Riten und der Volksglaube der Masuren sind untrennbar mit der evangelischen Kirche und auch mit vorchristlichen Traditionen verbunden. Zwei Feiertage waren für sie dabei die wichtigsten: Ostern und Weihnachten. In Masuren dauerte die Weihnachtszeit bis zum Dreikönigsfest und wurde als Hochzeitsfest oder würdige Feier bezeichnet.

 

Dieser Brauch hat eine sehr lange Geschichte, die bis zur Wende des 15. und 16. Jahrhunderts zurückreicht und immer mit dem Anfang der Adventszeit begann. Am ersten Sonntag wurde ein Kranz aus Tannenbaumzweigen mit einer Kerze darauf an die Decke gehängt. An jedem folgenden Adventssonntag wurde dann eine weitere Kerze hinzugefügt. Die Adventszeit endete am Morgen vor dem Heiligabend. Im Morgengrauen fand dann eine Frühmette zur würdigen Feier statt, die zu den wichtigsten Ereignissen des Jahres in Masuren gehörte.

 

Frühmette

 

Über die Frühmette zur würdigen Feier schrieben der ostpreußische Heimatforscher Max P. Toeppen (1822-1893) in seinem 1867 erschienenen Buch „Aberglauben aus Masuren“ und später der masurische Aktivist und Folklorist Karol Małłek (1898-1969) in seinem 1931 herausgegebenen Buch „Jutrznia Mazurska na Gody dla domu, szkół i zborów Ewangelickich“. Ein äußerst interessantes Buch über die Frühmette verfasste und veröffentlichte im Jahr 1894 auch der Dorflehrer Wilhelm Roschkowski aus dem masurischen Buchwalde (poln. Kajkowo) im Kreis Osterode (Ostróda). Der Text wurde auch im Ruhrgebiet für die dort arbeitenden Masuren mehrmals herausgegeben.
Aus den Texten erfahren wir, dass die traditionelle Frühmette aus Liedern, Orationen und Dialogen bestand. Die Protagonisten waren Engel, Scholaren, Waisen, Hirten, Pilger, Drei Könige, Herodes und Schriftgelehrte. Bis zu mehreren Dutzend Menschen, hauptsächlich Kinder, nahmen an den Feierlichkeiten teil.

 

Die Teilnehmer waren in weiße Hemden mit langen Ärmeln gekleidet, die mit verschiedenfarbigen Schärpen verziert waren. Ein Engel und ein Scholar hielten in ihrer rechten Hand eine brennende Kerze in einem speziellen Kerzenständer. In der Frühmette wurden Szenen im Zusammenhang mit der Geburt Christi dargestellt. Ursprünglich waren die Feierlichkeiten ein religiöses Mysterium, im 18. Jahrhundert nahmen sie dann jedoch den Charakter eines Volkstheaters an.

 

Die Frühmette wurde von Dorflehrern oder Pastoren organisiert. Die Aufführung fand in einer Kirche, einer Schule und manchmal in einem Haus statt. In der Zwischenkriegszeit wurde die Frühmette oft ins Deutsche übersetzt, wobei der Ablauf nach wie vor dem früheren ähnelte.

 

In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts verschwand sie im Zusammenhang mit der Massenauswanderung von Masuren nach Deutschland. Heute wird die Frühmette hin und wieder von Folkloregruppen aufgeführt, doch es handelt sich hierbei nur noch um ein Schauspiel und kein authentisches Ritual.

 

 

Heiligabend

 

Auf die Frühmette folgten die Vorbereitungen für das Heilige Abendmahl. Heiligabend selbst war anders als der, den wir heute kennen. Er enthielt nur sehr wenige kirchliche Elemente. Lange Zeit gab es keine Tradition des Heiligabendfastens. Dieses kam erst viele Jahre später, und zwar auf Druck katholischer Priester und Siedler aus anderen Regionen Polens. An diesem Tag wurden verschiedene Arten von Fleischgerichten gegessen.

 

Auf dem Tisch gab es Gänse, Wurstwaren, Backwaren, Heringe in Teig, Piroggen mit Kohl und Pilzen sowie Vollkornbrot, das in speziellen dünnen Formen gebacken und oben bestrichen wurde. Jeder bekam Ölkuchen und Teigbomben auf den Teller gestreut. Beim Abendessen wurde statt eines festlichen Dürrobst-Kompotts Preiselbeer- oder Hafergelee getrunken. Gegessen wurden verschiedene Gerichte von Fischen aus masurischen Seen.

 

Bis 1945 war der Brauch des Oblate-Brechens während des Heiligabendessens in Masuren unbekannt. Auch das Verzieren des Weihnachtsbaums, das erst im 20. Jahrhundert in masurischen Bauernhütten Eingang fang, ist erwähnenswert. Als Äquivalent diente mitunter eine große Garbe aus Stroh oder Heu, die in einer Ecke der Wohnstube aufgestellt wurde, oder man hängte grüne Nadelbaumzweige auf. Später, als sich der Weihnachtsbaum zu etablieren begann, wurden Kekse und Äpfel daran gehängt und große Teller mit Leckereien darunter gestellt. Die Geschenke brachte den Kindern, genau wie heute, der Nikolaus, den die Masuren Nikolus oder Pikolus nannten.

In der Heiligabendnacht wurden den auf die Erde kommenden Seelen der Toten auch magische Kräfte zugeschrieben. Um Spuren ihrer Anwesenheit zu entdecken, wurden der Boden und Sitzbänke mit Sand oder Mehl bestreut. Auf diese Weise wollte man die Spuren der im Haus verweilenden Seelen entdecken. Wenn in einer Familie jemand kurz vor der würdigen Feier starb, lud die Familie den Verstorbenen zum Abendessen ein und rief ihn dazu von der Hausschwelle aus herbei.

 

An Heiligabend dachten Landwirte übrigens nicht nur an ihre Lieben, sondern auch an ihre Tiere. Zwar warteten sie nicht, bis die Pferde, Kühe, Ziegen oder Schweine mit menschlicher Stimme zu sprechen beginnen würden, doch auch diese hatten während des Abendmahls ihren Platz. Traditionell wurde an Heiligabend Heu unter der Tischdecke ausgelegt. Am Ende des Abendmahls nahm der Hausherr das Heu unter der Tischdecke hervor und ging in den Pferdestall und den Kuhstall, um es mit den Tieren zu teilen.

 

Arbeitsverbot

 

In der Weihnachtszeit galten in Masuren viele Verbote in Bezug auf Arbeit. So war es z.B. verboten, Tiere zu töten, weil es Unglück brachte. Frauen durften nicht nähen, weil dies zu Rheuma führen könnte. Am sichersten war es, die Zeit mit der engsten Familie und mit Weissagungen zu verbringen und jegliche Hausarbeiten auf später zu verschieben. An den Abenden traf man in den Häusern zusammen und lud dazu auch die nächsten Nachbarn ein. Gemeinsam wurden dabei Weihnachtslieder gesungen, Weihnachtsgerichte gegessen und die festliche Atmosphäre auf die folgenden Tage ausgedehnt.

Silvester und Neujahr waren für Masuren die magischste Zeit des ganzen Jahres, denn sie fiel in die so genannten Zwölfer, die von Weihnachten bis zum Dreikönigstag gezählt wurden. Diese Zeit wurde auch als Gody bezeichnet, denn in dieser Zeit kamen zwei Jahre (Gody), das alte und das neue Jahr, miteinander in Berührung.

 

Die Masuren nahmen Abschied vom alten Jahr und begrüßten das neue, indem sie bei einem festlichen Abendessen ein Mehlgericht, die sog. Muse, und große Fische aßen, denn sie glaubten, dass eine solche Mahlzeit Reichtum für das ganze Jahr bringen würde. Sie hielten sich auch an die Regel, bis zur Mitternacht des Silvesterabends alle geliehenen Dinge zurückgeben und ihre Schulden zurückzuzahlen. In der Silvesternacht backten sie Neujahrskekse, die sie später zu Hause aufbewahrten, damit es auf ihrem Hof glücklich zuging.
Weihnachten in Masuren dauerte viel länger als nur die paar Festtage.

 

Es war eine Zeit, vor allem für die Dorfbewohner, in der man sich zumindest teilweise von harter Arbeit ausruhen und jene Gerichte essen konnte, die nicht jeden Tag auf den Tisch kamen. Denn die Menschen in den masurischen Dörfern waren eher arm.
Heute feiert in Masuren niemand mehr Weihnachten nach den alten Bräuchen.

 

Es wurde wirkungsvoll verdrängt durch moderne Weihnachtstraditionen, die nach dem Zweiten Weltkrieg zusammen mit Siedlern von jenseits des Bugs und aus anderen Regionen des Landes in dieser Region Einzug hielten.

 

Alfred Czesla 

Wie sah Weihnachten früher bei uns aus?

 

Alfred Czesla erzählt von masurischen Weihnachten, wie sie kaum einer mehr kennt.

 

Er erzählt vom Pikolus, der die Geschenke bringt, von Hafergelee am Heiligabend und einem weihnachtlichen Nähverbot für Frauen – denn Arbeiten in der Weihnachtszeit – das könnte zu Rheuma führen…

 

 

Foto: polen.travel

 

Die Bräuche, Riten und der Volksglaube der Masuren sind untrennbar mit der evangelischen Kirche und auch mit vorchristlichen Traditionen verbunden. Zwei Feiertage waren für sie dabei die wichtigsten: Ostern und Weihnachten. In Masuren dauerte die Weihnachtszeit bis zum Dreikönigsfest und wurde als Hochzeitsfest oder würdige Feier bezeichnet.

 

Dieser Brauch hat eine sehr lange Geschichte, die bis zur Wende des 15. und 16. Jahrhunderts zurückreicht und immer mit dem Anfang der Adventszeit begann. Am ersten Sonntag wurde ein Kranz aus Tannenbaumzweigen mit einer Kerze darauf an die Decke gehängt. An jedem folgenden Adventssonntag wurde dann eine weitere Kerze hinzugefügt. Die Adventszeit endete am Morgen vor dem Heiligabend. Im Morgengrauen fand dann eine Frühmette zur würdigen Feier statt, die zu den wichtigsten Ereignissen des Jahres in Masuren gehörte.

 

Frühmette

 

Über die Frühmette zur würdigen Feier schrieben der ostpreußische Heimatforscher Max P. Toeppen (1822-1893) in seinem 1867 erschienenen Buch „Aberglauben aus Masuren“ und später der masurische Aktivist und Folklorist Karol Małłek (1898-1969) in seinem 1931 herausgegebenen Buch „Jutrznia Mazurska na Gody dla domu, szkół i zborów Ewangelickich“. Ein äußerst interessantes Buch über die Frühmette verfasste und veröffentlichte im Jahr 1894 auch der Dorflehrer Wilhelm Roschkowski aus dem masurischen Buchwalde (poln. Kajkowo) im Kreis Osterode (Ostróda). Der Text wurde auch im Ruhrgebiet für die dort arbeitenden Masuren mehrmals herausgegeben.
Aus den Texten erfahren wir, dass die traditionelle Frühmette aus Liedern, Orationen und Dialogen bestand. Die Protagonisten waren Engel, Scholaren, Waisen, Hirten, Pilger, Drei Könige, Herodes und Schriftgelehrte. Bis zu mehreren Dutzend Menschen, hauptsächlich Kinder, nahmen an den Feierlichkeiten teil.

 

Die Teilnehmer waren in weiße Hemden mit langen Ärmeln gekleidet, die mit verschiedenfarbigen Schärpen verziert waren. Ein Engel und ein Scholar hielten in ihrer rechten Hand eine brennende Kerze in einem speziellen Kerzenständer. In der Frühmette wurden Szenen im Zusammenhang mit der Geburt Christi dargestellt. Ursprünglich waren die Feierlichkeiten ein religiöses Mysterium, im 18. Jahrhundert nahmen sie dann jedoch den Charakter eines Volkstheaters an.

 

Die Frühmette wurde von Dorflehrern oder Pastoren organisiert. Die Aufführung fand in einer Kirche, einer Schule und manchmal in einem Haus statt. In der Zwischenkriegszeit wurde die Frühmette oft ins Deutsche übersetzt, wobei der Ablauf nach wie vor dem früheren ähnelte.

 

In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts verschwand sie im Zusammenhang mit der Massenauswanderung von Masuren nach Deutschland. Heute wird die Frühmette hin und wieder von Folkloregruppen aufgeführt, doch es handelt sich hierbei nur noch um ein Schauspiel und kein authentisches Ritual.

 

 

Heiligabend

 

Auf die Frühmette folgten die Vorbereitungen für das Heilige Abendmahl. Heiligabend selbst war anders als der, den wir heute kennen. Er enthielt nur sehr wenige kirchliche Elemente. Lange Zeit gab es keine Tradition des Heiligabendfastens. Dieses kam erst viele Jahre später, und zwar auf Druck katholischer Priester und Siedler aus anderen Regionen Polens. An diesem Tag wurden verschiedene Arten von Fleischgerichten gegessen.

 

Auf dem Tisch gab es Gänse, Wurstwaren, Backwaren, Heringe in Teig, Piroggen mit Kohl und Pilzen sowie Vollkornbrot, das in speziellen dünnen Formen gebacken und oben bestrichen wurde. Jeder bekam Ölkuchen und Teigbomben auf den Teller gestreut. Beim Abendessen wurde statt eines festlichen Dürrobst-Kompotts Preiselbeer- oder Hafergelee getrunken. Gegessen wurden verschiedene Gerichte von Fischen aus masurischen Seen.

 

Bis 1945 war der Brauch des Oblate-Brechens während des Heiligabendessens in Masuren unbekannt. Auch das Verzieren des Weihnachtsbaums, das erst im 20. Jahrhundert in masurischen Bauernhütten Eingang fang, ist erwähnenswert. Als Äquivalent diente mitunter eine große Garbe aus Stroh oder Heu, die in einer Ecke der Wohnstube aufgestellt wurde, oder man hängte grüne Nadelbaumzweige auf. Später, als sich der Weihnachtsbaum zu etablieren begann, wurden Kekse und Äpfel daran gehängt und große Teller mit Leckereien darunter gestellt. Die Geschenke brachte den Kindern, genau wie heute, der Nikolaus, den die Masuren Nikolus oder Pikolus nannten.

In der Heiligabendnacht wurden den auf die Erde kommenden Seelen der Toten auch magische Kräfte zugeschrieben. Um Spuren ihrer Anwesenheit zu entdecken, wurden der Boden und Sitzbänke mit Sand oder Mehl bestreut. Auf diese Weise wollte man die Spuren der im Haus verweilenden Seelen entdecken. Wenn in einer Familie jemand kurz vor der würdigen Feier starb, lud die Familie den Verstorbenen zum Abendessen ein und rief ihn dazu von der Hausschwelle aus herbei.

 

An Heiligabend dachten Landwirte übrigens nicht nur an ihre Lieben, sondern auch an ihre Tiere. Zwar warteten sie nicht, bis die Pferde, Kühe, Ziegen oder Schweine mit menschlicher Stimme zu sprechen beginnen würden, doch auch diese hatten während des Abendmahls ihren Platz. Traditionell wurde an Heiligabend Heu unter der Tischdecke ausgelegt. Am Ende des Abendmahls nahm der Hausherr das Heu unter der Tischdecke hervor und ging in den Pferdestall und den Kuhstall, um es mit den Tieren zu teilen.

 

Arbeitsverbot

 

In der Weihnachtszeit galten in Masuren viele Verbote in Bezug auf Arbeit. So war es z.B. verboten, Tiere zu töten, weil es Unglück brachte. Frauen durften nicht nähen, weil dies zu Rheuma führen könnte. Am sichersten war es, die Zeit mit der engsten Familie und mit Weissagungen zu verbringen und jegliche Hausarbeiten auf später zu verschieben. An den Abenden traf man in den Häusern zusammen und lud dazu auch die nächsten Nachbarn ein. Gemeinsam wurden dabei Weihnachtslieder gesungen, Weihnachtsgerichte gegessen und die festliche Atmosphäre auf die folgenden Tage ausgedehnt.

Silvester und Neujahr waren für Masuren die magischste Zeit des ganzen Jahres, denn sie fiel in die so genannten Zwölfer, die von Weihnachten bis zum Dreikönigstag gezählt wurden. Diese Zeit wurde auch als Gody bezeichnet, denn in dieser Zeit kamen zwei Jahre (Gody), das alte und das neue Jahr, miteinander in Berührung.

 

Die Masuren nahmen Abschied vom alten Jahr und begrüßten das neue, indem sie bei einem festlichen Abendessen ein Mehlgericht, die sog. Muse, und große Fische aßen, denn sie glaubten, dass eine solche Mahlzeit Reichtum für das ganze Jahr bringen würde. Sie hielten sich auch an die Regel, bis zur Mitternacht des Silvesterabends alle geliehenen Dinge zurückgeben und ihre Schulden zurückzuzahlen. In der Silvesternacht backten sie Neujahrskekse, die sie später zu Hause aufbewahrten, damit es auf ihrem Hof glücklich zuging.
Weihnachten in Masuren dauerte viel länger als nur die paar Festtage.

 

Es war eine Zeit, vor allem für die Dorfbewohner, in der man sich zumindest teilweise von harter Arbeit ausruhen und jene Gerichte essen konnte, die nicht jeden Tag auf den Tisch kamen. Denn die Menschen in den masurischen Dörfern waren eher arm.
Heute feiert in Masuren niemand mehr Weihnachten nach den alten Bräuchen.

 

Es wurde wirkungsvoll verdrängt durch moderne Weihnachtstraditionen, die nach dem Zweiten Weltkrieg zusammen mit Siedlern von jenseits des Bugs und aus anderen Regionen des Landes in dieser Region Einzug hielten.

 

Alfred Czesla

Show More