Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Wenn ich mal groß bin …

 

Was willst du denn mal werden, wenn du groß bist? Sicher können Sie sich an diese Fragen aus Kindertagen noch erinnern. Und vielleicht stellen Sie die Frage bereits den eigenen Kindern oder Enkeln. Die Auswahl an künftigen Berufen scheint heutzutage schier unbegrenzt, da fällt eine Entscheidung oft schwer. Einige Impulse gibt die Kinderspielstadt „Klein Raschau“ vom 1. bis 5. Juli in der Woiwodschaft Oppeln.

 

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Großer Andrang bei der Kinderspielstadt. Foto: Marie Baumgarten

 

Morgens um acht in Rauschau. Neon-grüne Cappies werden verteilt. Ein heißer Tag kündigt sich an – der Kopfschutz ist deshalb für alle Kinder Pflicht. Es wird gedrängelt, die Ungeduld wächst. Jeder will der Erste sein, wenn sich die die Tore der Kinderspielstadt „Klein Raschau“ gleich zum siebten Male öffnen.

 

Klein Raschau –  das ist eine Stadt nur für Kinder, die hier ihre Talente entdecken können und erste Ideen für die spätere Berufswahl bekommen. Zum Beispiel an der Jugend-Uni – ein Angebot für die Älteren. In dem weißen Zelt unter der prallen Sonne stehen heute Recht und Chemie auf dem Plan. Besonders spannend: Die Vorlesung mit echten Rechtsberatern, die ein bisschen aus dem Nähkästchen plaudern.

 

Jura-Stunde mit den Rechtsberatern Andrzej Burzmiński (Mitte) und Mateusz Sapała (links). Foto: Marie Baumgarten

 

Experten kommen gut an

„Um ein guter Anwalt zu sein, muss man sich Mühe geben. Es ist ein schwieriger Beruf, häufig sogar frustrierend“, gibt Andrzej Burzmiński zu. „Aber es lohnt sich, ihn dennoch auszuüben“, bekräftigt der Rechtsberater, der von sich sagt, dass er in diesem Beruf  viel Erfüllung finde. Er und sein Kollege Mateusz Sapała versuchen in kurzer Zeit einen Einblick in den Berufsalltag zu geben. „Ich hatte in der siebten und achten Klasse keine Vorstellung davon, womit Rechtsanwälte sich beschäftigen. Das, was ich wusste, kannte ich aus dem Fernsehen. Aber ich kannte niemanden persönlich, der mir diesen Beruf hätte erklären können“, sagt Mateusz Sapała und hofft, dass viele Schüler an diesem Tag etwas für sich mitnehmen können.

 

Zumindest lässt sich soviel sagen: Auch wenn Rechtsanwalt auf der Berufswunschliste nicht ganz oben steht, der lebendige Kontakt mit den Experten jedenfalls kommt bei den Schülern gut an und wird den einen oder anderen auch zukünftig inspirieren – so wie  Marcelina Jadczak. „Wir haben verschiedene Situationen durchgespielt, zum Beispiel wie es bei einem Notar abläuft oder im Gerichtssaal. Es war wirklich interessant. Ein schwieriger Beruf, aber er gefällt mir. Ich möchte jetzt darüber noch mehr erfahren“, sagt die 13-Jährige aus Goslawitz.

 

 

Ohne Herzblut geht es nicht

Derweil im Zelt nebenan, dem Kinder-Krankenhaus. Dass das, was wir beruflich ausüben, nicht selten über ein menschliches Schicksal entscheidet, erfahren wir auch hier. Ein Unfall wird simuliert. Der Sanitäter muss erste Hilfe leisten. Eine Lehrstunde in Sachen Leben retten hätten wohl auch viele Erwachsene nötig. Die 8-jährige Hanna Friedrich aus Groß Stein jedenfalls weiß jetzt, was bei einem Unfall zu tun ist. Und sie weiß: Später, wenn sie erwachsen ist, möchte sie als Ärztin Menschen das Leben retten. „Was ich heute erlebt habe, davon profitiere ich noch in der Zukunft.“

 

 

Lecker. Pizza für alle. Foto: Marie Baumgarten

 

Das Wichtigste ist es, seinen Beruf  mit Leidenschaft auszuüben – und das gilt für jeden Beruf, in dem man gut sein möchte. Diese Lektion vermittelt Paweł Kulczyk nebenan in der Kinderküche. Sein Ziel ist es, die beste Pizza der Welt zu backen, und das gelingt nur, wenn er sein ganzes Herz dort hinein steckt, sagt er: „Ohne Herzblut hat die Arbeit keinen Sinn.“

 

Nach 2 Jahren Pause findet die Kinderspielstadt wieder in Raschau statt. Foto: Marie Baumgarten

 

Wieder zu Hause

Die Kinderspielstadt, die der Verein Pro Liberis Silesiae seit sieben Jahren organisiert, findet nach Umbauarbeiten an der deutsch-polnischen Montessori-Schule übrigens erstmals nach zwei Jahren wieder in Raschau statt. Freude bei den Organisatoren. „Es ist schön, wieder zurück zu kommen. Für mich ist es auch das Zuhause, wo wir angefangen haben. Und es ist einfacher vor Ort zu koordinieren und mit den Kindern zu arbeiten“, sagt Sabina Prokop von Pro Liberis Silesiae.

 

Praxisnahe Chemie-Stunde. Foto: Marie Baumgarten

 

Die Köpfe dampfen

Noch einmal zurück zur Jugend-Uni. Chemie-Lehrerin Renata Hurek will in einem Experiment zeigen, wie die Umwelt den Verlauf der chemischen Reaktion beeinflusst. Und ist damit näher an der Praxis als geplant. „Es ist uns gelungen, hier, auch im Vergleich zu draußen, festzustellen, dass die Temperatur nicht immer zur Beschleunigung des Verlaufs eines Experiments führen muss. Sie kann die chemische Reaktion beschleunigen, aber uns Menschen zugleich verlangsamen“, sagt sie mit einem Augenzwinkern, und die Erschöpfung hört und sieht man ihr an.

 

Am Ende eines langen Tages dampfen so manche Köpfe, so manche Kräfte sind erschöpft. Erleichterung verspricht eine kühle Wasserdusche, unter der die Kinder übermütig herumtollen. Spaß haben sie an diesem Tag allemal. Und der eine oder andere hat nun vielleicht sogar eine Idee davon, was er beim nächsten Mal antworten wird, wenn es heißt: Was willst du denn mal werden, wenn du groß bist?

 

Marie Baumgarten

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