Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Wie der Alte Fritz seinen Hut verlor (+Video)

Marek Pyzowski lebt in der niederschlesischen Metropole Breslau und studiert dort Geschichte, doch eigentlich stammt er aus dem 40 Kilometer entfernten Brieg (Brzeg). Der 23-Jährige gehört einer Generation junger Polen an, die ohne historischen Ballast das deutsche Erbe ihres Landes neu entdecken.

Auf dem Bahnhof Brieg rollt der IC aus Breslau ein. Geschichtsstudent Marek Pyzowski kommt nach Hause. Viele andere in seinem Alter ziehen der Kleinstadt mit ihren rund 35.000 Einwohnern ein aufregendes Wochenende in der niederschlesischen Hauptstadt vor. Doch Marek Pyzowski findet: auch Brieg hat viel zu bieten, besonders für alle mit einem Faible für Geschichte und Architektur. „Was die Architektur betrifft, hebt sich Brieg von anderen Städten Polens hervor. Die hiesigen historischen Objekte könnten genauso gut in Krakau oder Breslau stehen“, sagt Marek Pyzowski.
Das Meisterstück Nummer eins der Brieger Architektur: Das Schlesische Piastenschloss. Es handelt sich hierbei um eines der bedeutendsten Schlösser der Renaissance in Mittel-Osteuropa. Die Räumlichkeiten des Schlosses beherbergen heute das Piastenmuseum. Ein echter Hingucker ist das Eingangstor. Es zeigt Georg II. und seine Frau Barbara von Hohenzollern. Über ihnen die Ahnengalerie. „Georg II. wollte damit zeigen, welch ein wichtiger Fürst er ist. Nebenbei hat er damit ein wahrlich großes Kunstwerk geschaffen, das in Europa seinesgleichen sucht“, erklärt der Geschichtsstudent.

 

Viele Kulturen haben die Stadt geprägt

Die Schlesischen Piasten, eine Linie des alten slawischen Adelsgeschlechts, sind wegen ihres enormen Einflusses auf die Entwicklung der Stadt bei den Briegern sehr beliebt, und das zu allen Zeiten. „Die repräsentative Hauptstraße in Brieg ist die Piastenstraße. Den Namen haben sich nicht erst die Polen nach dem Zweiten Weltkrieg ausgedacht“, sagt Marek Pyzowski und führt weiter aus: „Interessant ist, dass die Deutschen, die vor dem Zweiten Weltkrieg in Brieg lebten, sich mit den hiesigen Piasten-Fürsten verbunden fühlten. Aber auch die Polen, die nach dem Krieg nach Brieg kamen, fühlten diese Verbundenheit und sahen sie als ihre Dynastie an. Schließlich waren die Piasten die erste Königsdynastie in Polen. Unsere Piastenfürsten verkörpern also einen interessanten Kultur-Mix.“

Der Kultur-Mix in Brieg beginnt schon früh und wird zur Grundlage für das reiche architektonische Erbe der Stadt an der Oder. Viele Kulturen haben die Stadt geprägt. Nicht nur die Deutschen haben im Mittelalter die Region besiedelt und entwickelt, es gab auch eine polnische Bevölkerung. Und die Mäzenaten der Schlesischen Piasten haben Künstler aus unterschiedlichen Teilen Europas nach Brieg geholt. Am charakteristischsten ist die Handschrift der Italiener, sie haben den Briegern das Rathaus und das Schloss hinterlassen. Und die Stadt zum dem gemacht, was sie heute ist. „Offenheit ist

Verständnis für andere, ist die Grundlage für eine gutes Miteinander und Entfaltung“, sagt Marek Pyzwoski.

Friedrich der Große: Das Denkmal war vor dem Brieger Rathaus zu Ehren des Preußenkönigs errichtet worden, nachdem er in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts den Habsburgern Schlesien entrissen hatte. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Denkmal zerstört. Geblieben ist aber der Sockel.
Foto: privat

Ein Denkmal für den Preußenkönig

Brieg ist aber nicht nur für die schlesischen Piasten mit ihrem prunkvollen Schloss bekannt, es ist auch in die Geschichte eingegangen als jene Stadt, in der im 18. Jahrhundert Preußenkönig Friedrich der Große seinen Hut verlor. Die Stelle, an der sich dieses Ereignis zugetragen hat, ist noch heute zu erkennen. Ein Dreieck auf dem Asphalt symbolisiert den Hut Friedrichs II. Er hat im 18. Jahrhundert Brieg besucht. In der heutigen Rej-Straße hat sein Pferd sich aufgerichtet und dabei ist der Hut auf den Boden gefallen. Die Bürger von Brieg wollten diesen Augenblick festhalten und haben Friedrich dem Großen ein Mini-Denkmal gesetzt.

 

Ein Dreieck auf dem Asphalt symbolisiert den Hut Friedrichs II. Foto: Marie Baumgarten

Und noch etwas ist bis heute vom Alten Fritz geblieben, wenngleich wohl die wenigsten Menschen davon wissen. Unter dem Turm des Brieger Rathauses befindet sich der Sockel des einstigen Denkmals. Es war vor dem Rathaus zu seinen Ehren errichtet worden, nachdem er in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts den Habsburgern Schlesien entrissen hatte. Nach dem Zweiten Weltkrieg, als die Grenzen sich verschoben hatten, wurde das Denkmal zerstört.

Friedrich der Große: Das Denkmal war vor dem Brieger Rathaus zu Ehren des Preußenkönigs errichtet worden, nachdem er in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts den Habsburgern Schlesien entrissen hatte. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Denkmal zerstört. Geblieben ist aber der Sockel.
Foto: Marie Baumgarten

Neue Generation – neue Hoffnung

Marek Pyzowski bedauert, dass viele Menschen kaum die Region kennen, in der sie leben – und das nicht nur in Schlesien. Er will das ändern. Alte Postkarten und Fotos seiner Heimatstadt, die er über viele Jahre sammelt, weil die historischen Bauten ihn seit Kindertagen faszinieren, veröffentlicht er deshalb in den sozialen Medien und versieht sie mit kleinen geschichtlichen Anekdoten. Das Interesse ist groß, über 6.000 Nutzer folgen der Seite bereits.

„Ich will die Vergangenheit zeigen, weil wir aus ihr lernen können. Schaut man sich Postkarten aus dem Vorkriegs-Brieg an, sieht man, dass die Straßen von Bäumen gesäumt wurden. In Polen haben wir gerade das Problem, dass alles zubetoniert wird“, sagt er. Mit Blick auf den Klimawandel sieht er das kritisch. „Damals hat man schon gewusst, dass die Bäume notwendig sind. Der Klimawandel führt dazu, dass wir die Bäume brauchen werden. Man kann also aus der Vergangenheit schöpfen und damit die Zukunft beschreiten.“

Für Marek Pyzowski ist das deutsche Erbe seiner Heimat Brieg kein Tabu. Foto: Marie Baumgarten

Aus der Vergangenheit schöpfen, um damit die Zukunft zu beschreiten: Dass ein ungezwungener Umgang mit dem deutschen Erbe auf polnischem Boden heute möglich ist, macht eines deutlich: die freundschaftliche deutsch-polnische Zusammenarbeit der letzten 30 Jahre trägt Früchte. Und nicht zuletzt profitieren die jungen Deutschen und die jungen Polen von der „Gnade der späten Geburt“, wie Alt-Bundeskanzler Helmut Kohl es einst ausdrückte.
Das sieht aus Marek Pyzowski so: „Der Zweite Weltkrieg – das sind die Zeiten meiner Ur-Großeltern. Ich kannte sie zum Großteil nicht, ich habe keine familiären Bezüge. Die Zeiten sind vorbei.“

 

Marie Baumgarten

Mehr über seine Heimatstadt Brieg erzählt Marek Pyzowski auf der Facebook-Seite „Brieg auf alten Fotografien und Postkarten“ („Brzeg na starych fotografiach i pocztówkach“).

 

 

 

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