Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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„Die Auswirkungen für uns sind katastrophal“

Die Kleinstadt Krummhübel/ Karpacz gleicht dieser Tage einer Geisterstadt. Die wenigsten Läden haben auf. Die Straßen sind menschenleer. Da, wo sich sonst Menschenschlangen drängelten, wehen jetzt nur noch ein paar Plastiktüten durchs Bild. Wir haben uns mit einer Hotelbesitzerin, einem Gaststättenbetreiber und einem Supermarktverkäufer unterhalten. Sie alle möchten inkognito bleiben.

„Wir als Hoteliers haben zurzeit, und das seit über einem Jahr, die Wahl zwischen Pest und Cholera“, sagt Brigitta L. (Name geändert). Brigitta L. besitzt ein kleines Hotel in Krummhübel mit einem fantastischen Blick direkt auf die Schneekoppe. Eigentlich eine Goldgrube, vor allem in der Hochsaison. „Aber Corona und die politischen Restriktionen, die damit einhergehen, zwingen mich, das Hotel dicht zu machen“. Klar, es gebe auch andere Hoteliers, die sich einfach nicht an die politischen Vorgaben halten. „Aber die riskieren 50.000 Złotys Strafe.“

 

Jetzt ist eigentlich Hochsaison

Sie könne die Leute, die ihr Hotel einfach weiter betreiben, sogar irgendwo verstehen, sagt Brigitta L.: „Denn die Menschen rennen uns in diesen Tagen gerade die Bude ein.“ Die Buchungen über booking.com und ähnliche Anbieter lägen auf einem Rekordniveau. Sie lehne aber alle ab, so die Hotelbesitzerin. Sie müsse das tun, denn der polnische Gesetzgeber verlangt es so. „Es ist wirklich die Wahl zwischen Pest und Cholera: Entweder wir gehen pleite, weil wir zu machen. Oder wir werden kriminell und riskieren so hohe Strafen, dass wir am Ende auch pleite sind.“, sagt Brigitta L. „Und von den 2000 Złotys, die uns der Staat monatlich gibt, können wir unser Gewerbe nicht am Leben halten. Ich kenne viele, die demnächst zu machen müssen – für immer.“

 

„Normalerweise sind die Bürgersteige so voll, dass man nur schwer vorankommt.“
Leon Schwarzenberg

 

Verlorene Einnahmen

Ein Spaziergang durch die menschenleere Kleinstadt von Krummhübel lässt vermuten, wie die Stadt aussieht, wenn es Nebensaison ist. Zurzeit ist aber eigentlich Hochsaison. Normalerweise gehen die Touristen in dieser Jahreszeit hier shoppen, essen, Kaffee trinken. Sie geben hier im Riesengebirge ihr Geld aus. Für die Stadt Krummhübel ist es die Einnahmequelle schlechthin.

 

Auch der Angestellten im Tourismusbüro von Krummhübel fehlt vor allem eins: Touristen. Wer die Touristeninfo zurzeit betritt, wird hier bedient wie ein König und überschüttet mit Informationen.

 

Ein paar Meter weiter, in einem kleinen Supermarkt, erzählt der junge Verkäufer Marcin S., dass normalerweise die Bürgersteige „so voll sind, dass man nur sehr langsam vorankommt. Gerade ist ja Hochsaison“, so Marcin S. „Jetzt können die Touristen noch nicht mal einen Ort zum Frühstücken finden – weil alles geschlossen ist.“

 

 

„Irgendwie überleben“

Es gibt in Krummhübel auch einige Hoteliers, die sich über die Bestimmungen hinwegsetzen. „Weil wir sonst nicht überleben würden“, sagt einer. „Die Vorgaben, die die Politik macht, sind so willkürlich.“, sagt ein anderer. „Wieso dürfen wir nicht aufmachen über das lange erste Maiwochenende – wo wir üblicherweise sehr viel verdienen? Aber einen Tag später, am 4. Mai, wenn alles vorbei ist, dürfen wir wieder?“

 

Ein paar Kilometer weiter, in einem Nachbarort von Krummhübel kann man derzeit sogar Mittagessen. Wer an die Restauranttür tritt, dem wird die verriegelte Tür aufgeschlossen – und hinter dem wird die Tür auch wieder verriegelt. Restaurantbesitzer Patryk M. – auch sein Name ist geändert – riskiert dabei sehr viel. Dabei versuche er doch nur, sein Restaurant „durch diese verrückte Zeit zu bringen.“ Aber auch er wisse nicht, wie lange er sich so noch „durchwursteln“ kann. „Das ist nervlich extrem belastend alles.“

 

Leon Schwarzenberg

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