Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Die Kalendermänner von 2020.

 

 

Das Projekt „LernRaum.pl“ nimmt auch in der Woiwodschaft Ermland-Masuren an Fahrt auf. Thema einer Veranstaltung war der „Ermländische Hauskalender“. Im Rahmen der Werkstatt stellte ihn die Referentin Dr. Barbara Sapała den Teilnehmern vor. Anschließend gestalteten die Teilnehmer selbst einen „Ermländischen Hauskalender“.

 

Referentin Barbara Sapała im Gespräch mit einer Teilnehmerin

 

 

Beim Stichwort Kalender denken viele gleich an Abreißkalender. Oder sie denken an einen Wandkalender zum Eintragen von Terminen. Beim „Ermländischen Hauskalender“ aber geht es um viel mehr. Denn gerade im 19. Jahrhundert war der Kalender mehr als irgendein Notizbuch für wichtige Ereignisse.
„Neben dem Kalendarium gab es noch den zweiten Teil für die Unterhaltung der Leser“, erklärt Dr. Barbara Sapała. Sie ist Germanistin an der Ermländisch-Masurischen Universität in Allenstein und beschäftigt sich intensiv mit dem „Ermländischen Hauskalender“, seinen Inhalten und seiner Geschichte.

 

 

Regionale Erziehung

„Wir hatten im Ermland eine bäuerliche Bevölkerung, die für Bücher keine Zeit hatte. Ein Hauskalender wurde jeden Tag benutzt und in der Familie oft laut vorgelesen. Die Menschen lebten im katholischen Glauben und im Rhythmus der Jahreszeiten“, erzählt Barbara Sapała.
Als es dann selbst an die Erstellung eines eigenen Kalenders ging, diskutierten die Teilnehmer zunächst darüber, was für sie selbst alles in so einen Kalender gehört: Kurze Kalendergeschichten, Gedichte, Sprüche und Bauernregeln, aber auch praktische Tipps wie Kochrezepte und Heilkräuterkunde kamen als Vorschläge.

Ursprünglich wurde der „Ermländische Hauskalender“ im Jahr 1855 von drei Professoren in Braunsberg (pln. Braniewo), der wichtigsten Stadt der katholischen Kirche in Ermland, gegründet. Ihnen ging es nicht zuletzt auch darum, ein regionales Bewusstsein zu schulen. So stellten sie im Kalenderihren Lesern z.B. wichtige Orte wie den Wallfahrtsort Krossen (pln. Krosno) vor. Die weite Welt blieb anfangs viele Jahre außen vor.

 

Referentin Barbara Sapała im Gespräch mit einer Teilnehmerin

 

Zwei Lieblingsbücher: Die Bibel und – der Hauskalender

Der „Ermländische Hauskalender“ hatte große Bedeutung im Ermland. Jeder „echte Ermländer“ hatte quasi zwei Bücher zuhause: die Bibel und den Hauskalender. Er einte die Ermländer bis 1945 – und nur 5 Jahre später, ab 1950, wieder als erstes Jahrbuch einer Vertriebenengruppe.
Hier verarbeiteten die Ermländer ihre zum Teil traumatischen Kriegserlebnisse. Hier blieben sie ihrer Heimat verbunden. Augenzwinkernd erklärt Dr. Sapała, wie wichtig den Ermländern ihr Kalender ist: „Bis heute kommt er – inzwischen als „Ermlandbuch“ – in der Adventszeit heraus. Wenn er nicht schnell genug erscheint, schreiben ungeduldige Leser Briefe an die Redaktion.“

 

 

Der Kalendermann – eine Institution

Die Redaktion, oder genauer – der verantwortliche Kalendermann – ist geradezu eine Institution. „Julius Pohl etwa, ab 1863 der erste, langjährige Kalendermann, war sehr bekannt und beliebt. Er dichtete selbst für den Kalender, gestaltete und redigierte ihn. Als er 1906 sein Amt abgab, gab es hitzige Diskussionen um die Berufung seines Nachfolgers“, so Barbara Sapała.

 

Im Rahmen der diesjährigen Kalender-Werkstatt mit Dr. Sapała schlüpften die Teilnehmer eben in jene prominente Rolle des Kalendermannes: Sie gestalteten selbst ihren ganz persönlichen Hauskalender. Mit Texten und Illustrationen von Künstlern, die mit Ostpreußen und dem Ermland verbunden sind.

Text und Foto: Uwe Hahnkamp

* 01
* 02 Originalkalender von 1929
* 03 Vom Hauskalender zum Ermlandbuch
* 04 Redakteure bei der Arbeit

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