Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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„Die polnische Seite macht uns Sorgen“

 

Einen genaueren Blick auf das Deutsch-Polnische Barometer 2020 wirft Marie Baumgarten im Gespräch mit Agnieszka Łada, Mitautorin der Studie und stellvertretende Direktorin des Deutschen Polen-Instituts in Darmstadt.

 

Agnieszka Łada
Foto: privat

 

 

Frau Łada, was hat Sie in diesem Jahr am meisten überrascht?

 

Überraschend war, dass sich die Tendenzen, die wir bisher kannten, verändert haben. Bei den Sympathiewerten der Polen für Deutschland war die Tendenz so, dass sie über die Jahre gestiegen sind. In diesem Jahr sind sie gefallen. Als wir die Daten genauer analysiert haben, waren wir jedoch weniger überrascht. Wir haben festgestellt, dass das mit einer Polarisierung auf polnischer Seite zu tun hat.

 

 

Darauf gehen wir gleich genauer ein. Doch sprechen wir zuerst über die positiven Entwicklungen. Wo sehen Sie auf der Grundlage der Umfrage einen Fortschritt in den deutsch-polnischen Beziehungen?

 

Wenn man über die letzten 20 Jahre die Werte vergleicht, sieht man, was wir alles in den deutsch-polnischen Beziehungen geschafft haben. Vor allem, wenn es um die Akzeptanz-Werte geht, also Fragen wie: Würden Sie einen polnischen Schwiegersohn oder einen polnischen Nachbarn beziehungsweise würden Sie einen deutschen Mitarbeiter, einen deutschen Vorgesetzten akzeptieren? Diese Akzeptanz-Werte sind über die Jahre merklich gestiegen. Das ist eine sehr positive Entwicklung.

 

 

Woran liegt das?

Daran, dass sich beide Nationen über die Jahre besser kennengelernt haben. Dass sie um Versöhnung bemüht waren.

 

 

Was sind die negativen Entwicklungen?

Vor allem die polnische Seite macht uns Sorgen. Mehr Polen zeigen weniger Sympathie für die Deutschen als noch vor zwei Jahren, ihr Deutschlandbild hat sich verschlechtert. Das liegt vor allem an den politischen Debatten in Polen, bei denen Deutschland in Regierungskreisen kritisch dargestellt wird.

 

 

In der Studie heißt es, die Wähler der Regierungspartei PiS haben zu Deutschland und den Deutschen eine generell negativere Einstellung. Worin zeigt sich das und auf wie viel Prozent der polnischen Bevölkerung trifft das zu?

 

Es hat sich dargestellt, zum Beispiel bei den Fragen nach Akzeptanz von Deutschen in verschiedenen gesellschaftlichen Rollen, dass PiS-Wähler viel zurückhaltender sind als Wähler der Bürgerkoalition. Diese Unterschiede sind ziemlich signifikant, sie betragen im Durchschnitt um die zehn Prozentpunkte. Gleiches gilt für die Sympathiewerte gegenüber Deutschland. Zehn Prozentpunkte mehr PiS-Wähler stehen Deutschland kritisch gegenüber.

 

 

Und was genau bedeutet das in der Konsequenz?

Diese Werte stehen in einer starken Korrelation zu dem Medienkonsum. Es besteht ein deutlicher Zusammenhang zwischen der politischen Einstellung sowie dem Medienverhalten der Befragten und ihrem Deutschlandbild. Am gravierendsten unterscheiden sich die Zuschauer des staatlichen Fernsehsenders TVP von solchen des Privatsenders TVN. Erstere bewerten Deutschland und die Deutschen negativer als letztere, und dies nicht nur bezogen auf die Bereiche Politik und Wirtschaft, sondern bis hin zur touristischen Attraktivität des westlichen Nachbarlandes und Sympathiewerte. Oder auch: Zuschauer des regierungsnahen Fernsehsenders TVP sind deutlich häufiger davon überzeugt, dass die Vergangenheit das Schlüsselthema in den gegenseitigen Beziehungen sei, als jene der Privatsender TVN und Polsat.

Woher die Kommentare über Deutschland kommen, beeinflusst also die Meinung der Polen. Diese Entwicklung ist nicht plötzlich gekommen. Das sind die Auswirkungen der PiS-Regierung in den letzten Jahren. Und die spiegeln sich nun auch in der Umfrage wider.

 

Erstmals seit Erscheinen des Barometers im Jahr 2000 zeigen mehr Deutsche Sympathie für die Polen als Polen Sympathie für die Deutschen. Woran liegt das?
Das liegt vor allem daran, dass der Wert bei den Polen aus den bereits genannten Gründen – z.B. Berichterstattung im TVP – gesunken ist. Eine ähnliche Tendenz (Werte gesunken) hatten wir kurz nach der ersten PiS-Regierung Anfang 2008 in der Untersuchung ausgemacht. Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass nicht in gleichem Maße wie der Sympathiewert für die Deutschen sinkt, der Wert der Abneigung ihnen gegenüber steigt. Vielmehr ist jener Anteil an Befragten gestiegen, die sich an dieser Stelle für eine Aussage im neutralen Bereich entscheidet. Und es betrifft nicht nur die polnischen Ansichten gegenüber den Deutschen. Um zu vergleichen, haben wir die Frage von gegenseitiger Sympathie oder Abneigung in den Kontext der Haltung von Deutschen und Polen gegenüber anderen Nationen gestellt. Dabei wird deutlich, dass sich die Deutschen mit ihrem Ansehensverlust unter den Polen in guter Gesellschaft befinden – denn im Jahr 2020 erfuhren alle in dieser Studie erfassten Nationen, z.B. die Briten, Franzosen, Tschechen oder Amerikaner einen Rückgang in puncto Sympathiewert seitens der polnischen Befragten.

 

 

Und ist der Wert auf deutscher Seite vielleicht gestiegen? Wenn ja, woher der plötzliche Wandel?

Genau gegenteilig wie in Polen stellt sich die Situation in Deutschland dar. Die positive Veränderung des Verhältnisses der Deutschen zu den Polen vollzieht sich im Zuge eines allgemeinen Anstiegs der Sympathie für andere Nationen. Dies betrifft noch nicht einmal so sehr das Verhältnis zu den Franzosen, die seit Jahren die höchsten Sympathiewerte in Deutschland genießen, was sich auch im Jahr 2020 weiterhin stabil bestätigt. Überraschend hingegen ist, dass auch die Sympathie für Länder angestiegen ist, mit denen man in den letzten Jahren einige Turbulenzen erlebt hatte – den USA, Großbritannien oder Russland.

 

 

An wen richtet sich eigentlich das deutsch-polnische Barometer? Wem dient es und wofür?

Unter denen, die sich für die deutsch-polnischen Beziehungen interessieren, sind häufig Diplomaten, Politiker und Beamte. Wir wissen, dass sie diese Daten sehr oft nutzen und zitieren. Sie bitten uns um eine Einordnung, was die Daten bedeuten und um Rat, wo sie Ressourcen investieren sollten. Eine Erkenntnis der Studie ist, dass persönliche Kontakte und Besuche im Nachbarland helfen, einander besser kennen und verstehen zu lernen. In der Schlussfolgerung bedeutet das: Es lohnt, in direkte Kontakte zu investieren und Fördermittel dafür frei zu machen. Genau das wollen Entscheidungsträger von dieser Studie erfahren: Was exakt können sie tun, um die deutsch-polnischen Beziehungen zu verbessern?

 

 

Die Analyse der Studie finden Sie hier:

Mehr Deutsche zeigen Sympathie für Polen

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