Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Ein Spielplatz der Geschichte

Seit einigen Jahren wird Schloss Steinort im Kreis Angerburg renoviert, es fließen Gelder aus dem deutschen und polnischen Kultusministerium. Voraussetzung ist ein Konzept zur künftigen Nutzung. Dazu gehört das Palastfestival im Sommer, dessen dritte Ausgabe Anfang August stattfand. Ein Höhepunkt dabei war die deutsch-polnische Festival-Theaterproduktion „Steinort 1935“.

 

Philosophische Abendrunde in der Eingangshalle. Foto: Sylwia Pochmara-Hahnkamp

 

Schloss Steinort ist ein wichtiger Ort in der Geschichte Ostpreußens – über Jahrhunderte als Zuhause der Familie von Lehndorff, während des Zweiten Weltkriegs als Quartier von Außenminister von Ribbentrop und gleichzeitig der Verschwörer des Attentats auf Hitler am 20. Juli 1944. Der letzte Eigentümer des Schlosses, Heinrich von Lehndorff, bezahlte für seine Teilnahme daran mit dem Leben. Heute ist Schloss Steinort als Gebäude, vor allem aber als Gesamtheit mit Park, Wirtschaftsgebäuden, Hafen und Dorf Zeugnis dieser Geschichte.

 

Diese Bedeutung griff das Palastfestival “Welcome to the Playground“ mit vielfältigen Angeboten auf. „Es soll ein wenig wie in der Barockzeit sein, dass Menschen zum Schloss kommen, um Musik, Theater und andere Kultur zu genießen“, erklärt die Freiwillige Christa David-Wadle. Ihre Tochter Hannah Wadle, die Direktorin des Festivals, ist sich der Mehrdeutigkeit des Titels bewusst: „Dieser Ort ist Spielplatz der Geschichte in seiner positiven und negativen Bedeutung – ostpreußische Junker, Widerstand gegen Hitler, die neue Bevölkerung nach 1945, die heutigen Investoren und die Möglichkeiten, die sich hier bieten.“

 

Die Ambivalenz dieses Spielplatzes thematisiert Autor Jakub Maiński in seinem Theaterstück “Steinort 1935“. In der Eingangshalle des Schlosses versammeln sich Angehörige des ostpreußischen Adels zu einem Familientreffen. Änderungen zeichnen sich ab, eine Heirat steht bevor, die neuen Herrscher des Deutschen Reiches planen die Nürnberger Gesetze. Es entwickelt sich eine hitzige Diskussion, vor allem zwischen dem Juristen Arno und dem Mediziner Ernst, über das Konzept des “besseren Menschen“ und die Evolution, über den gesellschaftlichen Platz der bisherigen Elite und die Folgen der neuen Gesetze. Die Übersetzung per Kopfhörer in die jeweils andere Sprache ermöglichte dem Publikum das Verfolgen der Argumente auf deutsch und polnisch, die damals den einen zu einem Anhänger der Nazis, den anderen zu einem Widerstandskämpfer machten.

 

 

Uwe Hahnkamp

 

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