Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Gemeinsam in Europa auftreten

 

Mit Stephan Rauhut, dem Bundesvorsitzenden der Landsmannschaft Schlesien, sprach Rudolf Urban über die Geschichte und die Zusammenarbeit mit der Deutschen Minderheit.

 

Stephan Rauhut (links)wurde bei der diesjährigen Delegiertenversammlung mit dem Schlesierkreuz ausgezeichnet.
Foto:
Landsmannschaft Schlesien

 

 

 

Vor 70 Jahren wurde die Landsmannschaft als Interessenvertretung der Vertriebenen und Ausgesiedelten gegründet. Aber an eine Zusammenarbeit, ja geschweige denn an irgendwelche Kontakte mit den Heimatverbliebenen war damals nicht zu denken.

 

Seit der Machtübernahme durch die kommunistische Regierung in Polen wurde die Existenz einer deutschen Minderheit geleugnet. Man sagte, es gebe keine Deutschen mehr, was natürlich falsch war, denn viele von ihnen lebten in ihrer Heimat, in Nieder- und Oberschlesien. Es war damals deshalb schwer, in Kontakt zu kommen. Auch wenn die Mauer noch nicht bestand, war 1950 bei der Gründung der Landsmannschaft der „Eiserne Vorhang“ schon unten gewesen. Nach Schlesien zu fahren, war also nur eine Ausnahme und weniger die Regel.

 

 

Für die polnische Regierung vor 1989 waren der Bund der Vertriebenen und die Landsmannschaften eher Prügelknaben gewesen, wenn es Probleme auf zwischenstaatlicher Ebene gegeben hat, vor allem wegen ihres Postulates des Rechts auf Heimat, das eindeutig verstanden wurde. Wie hat sich denn die Landsmannschaft politisch in Deutschland aufgestellt?

 

Zunächst müssen wir auf die Vorgeschichte schauen, denn es gab ja schon vor dem Jahr 1950 Versuche der Gründung von Landsmannschaften, was aber bis dahin von den Alliierten verweigert wurde. Sie hatten Sorge, dass es bei den Millionen Vertriebenen, darunter auch Schlesiern, die im Westen angekommen waren, zu Unruhen kommen könnte, wenn sie sich zusammentun. Man muss bedenken, es war wirklich eine gewaltige Kraft, die man bei der Verkündung des Charta der Heimatvertriebenen am 6. August 1950 in Stuttgart gesehen hat, als sich dort ca. 250.000 Menschen eingefunden haben. Ebenso war es dann auch bei den ersten Heimattreffen der Schlesier, zu denen mehrere hunderttausend Menschen gekommen sind. Sie kamen trotz der schweren Zeit damals, in der die Vertriebenen teilweise noch in Lagern lebten. Aber sie wollten zusammenkommen und ein Statement abgeben.

In der Charta war es sehr klar formuliert, dass wir auf Rache und Vergeltung verzichten, wir wollen ein gemeinsames Europa, aber wir verzichten nicht auf die Heimat, dieses Recht muss bestehen. Es ging also um die Wahrung der politischen Interessen, genauso wie um die der sozialen, z. B. wenn es um den Lastenausgleich geht und wie es funktionieren könnte. Ein anderes Thema war auch die berufliche Anerkennung der Vertriebenen in Deutschland. Die Vertriebenenverbände waren so etwas wie eine soziale Lobbyorganisation für die Anliegen der Heimatvertriebenen und der späteren Aussiedler.

 

 

Als dann ab der zweiten Hälfte der 80er Jahre auch bei uns in Schlesien die Deutschstämmigen sich zwar noch nicht legal, aber fast schon offiziell, getroffen und zusammengetan haben, war die Landsmannschaft gleich mit dabei.

 

Ja, das kam von allen Ebenen der Landsmannschaft, dem Bundesvorstand und den Kreisgruppen, sowie den BdV-Gruppen. Man merkte da die Aufbruchsstimmung und große Energie, den Menschen „drüben“ zu helfen. Das fing aber auch schon einige Jahre vor den ersten inoffiziellen Treffen der deutschen Schlesier an. Es begann eigentlich mit der großen Zahl von Aussiedlern, vor allem aus Oberschlesien, die in den 80er Jahren zu uns gekommen waren und erzählten, wie es östlich von Oder und Neiße ist. Vorher wusste man vieles nicht. Und da wurden dann auch etliche Hilfstransporte mit Babykleidung, Medikamenten usw. organisiert. Dabei entstanden neue Kontakte und Beziehungen. Aber es entwickelten sich auch private Freundschaften, die bis heute wirken.

 

 

Freundschaften sind dann nach 1990 eher zwischen den kleineren Gruppen der Landsmannschaften und den Ortsgruppen der deutschen Minderheit, den sog. DFKs geblieben. Eine große Zusammenarbeit der später anerkannten und organisierten deutschen Minderheit und der Landsmannschaft gab es nach den ersten Jahren dann nicht mehr. Wieso?

 

Die Zusammenarbeit war anfangs sehr intensiv und die Bundeslandsmannschaft hat u. a. dazu beigetragen, dass die Strukturen der Organisation der deutschen Minderheit aufgebaut werden konnten. Aus den Archiven weiß ich, dass wir z. B. Büroausstattung usw. geliefert haben, um so die Arbeit der Organisationen möglich zu machen. Und das Glück war dann in den 90er Jahren, dass die Gesellschaft der deutschen Minderheit eigenständiger werden konnte und eine direkte finanzielle Unterstützung erhielt, auch seitens der Bundesregierung, sodass Hilfe durch die Landsmannschaft nicht mehr so erforderlich war. Die Kontakte blieben, wir haben einige Initiativen zusammen gemacht, aber es ist weniger geworden, weil die Notwendigkeit nicht mehr da war.

Nach Jahren glaube ich, ist es die Aufgabe unserer Organisationen, nun diese Kontakte wieder zu intensivieren, um als gemeinsame Volksgruppe in Europa aufzutreten, als die Schlesier im Westen und in Schlesien selbst.

 

 

Bei einer Konferenz der deutschen Minderheiten und der Landsmannschaften in Dresden vor einigen Wochen haben Sie auch schon dieses Thema angesprochen, dass eine engere Zusammenarbeit anzustreben ist. Sehen Sie konkrete Anknüpfungspunkte?

 

 

Vor allem habe ich in Dresden mit Oskar Zgonina, dem neuen Vorsitzenden des Bundes der Jugend der Deutschen Minderheit gesprochen. Er und unser neuer Jugendbeauftragter Tobias Schulz, der via Internet zugeschaltet war, konnten sich bereits kurz austauschen. Der Plan ist, dass wir vor allem auf der Jugendebene mehr miteinander machen wollen, seien es Studenten- oder Schüleraustauschprogramme. Es geht um das gegenseitige Kennenlernen der Jugend der deutschen Minderheit und unserer jungen Leute, die schlesische Wurzeln oder auch einfach nur Interesse an Schlesien haben. Das könnte ganz gut funktionieren.
Die jungen Menschen, die daran beteiligt sind, Oskar Zgonina und Tobias Schulz, sind da ganz offen und wenn es mit Corona endlich vorbei ist, könnten wir vielleicht im kommenden Jahr mit den ersten gemeinsamen Aktionen starten. Das muss ja auch nicht gleich etwas Großes sein, denn es reichen für den Anfang kleine Initiativen. Die jungen Leute haben ja ganz andere Möglichkeiten des Netzwerkens, als wir Alten das gewohnt sind, deswegen bin ich zuversichtlich, dass da etwas wächst, auch ein neues Verständnis für die andere Sichtweise.

 

 

Zum Schluss noch mein Glückwunsch, denn sie wurden bei der Bundesdelegiertenversammlung der Landsmannschaft Schlesien mit dem Schlesierkreuz ausgezeichnet. Sie wollten auch für den Bundestag kandidieren, was aber nicht geklappt hat.

 

Ja, der Nominierungsparteitag in meinem Kreis Görlitz fand bereits statt und zum Kandidaten der CDU wurde nun Florian Oest gewählt. Das heißt nicht, dass ich jetzt aufgebe. Ich bin jung genug, um die nächste Gelegenheit zu suchen und die Herausforderung anzunehmen.

Aber die Landsmannschaft ist seit der letzten Bundesdelegiertenversammlung bereits im Bundestag vertreten, denn wir haben einen neuen Präsidenten der schlesischen Landesvertretung, also der Bundesdelegiertenversammlung der Landsmannschaft, gewählt und es wurde Peter Beyer, der schon Bundestagsabgeordneter ist. Insofern ist es für die Landsmannschaft Schlesien gar nicht so schlecht, dass wir nach Herbert Hupka wieder einen Vertreter im Bundestag haben. Und wenn wir dann mit mir in vier Jahren einen zweiten bekommen, um so besser.

 

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