Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

Gestärkt in die Zukunft gehen

Mit Rafał Bartek, dem Vorsitzenden der Sozial-Kulturellen Gesellschaft der Deutschen im Oppelner Schlesien, sprach Rudolf Urban

Seit Monaten beschäftigt die deutsche Minderheit ein wichtiges Thema – die Kürzungen beim Deutschunterricht. Ab September soll eben nur dieser Unterricht eine Stunde wöchentlich betragen, während die anderen Minderheiten weiterhin drei Stunden behalten. Fast drei Monate nach dieser Entscheidung des Bildungsministers – wie ist der Stand der Dinge? Hat sich etwas bewegt, von dem die Öffentlichkeit vielleicht nichts weiß?

Es ist bis heute für uns schwer zu kommentieren. Denn die Mitglieder der deutschen Minderheit waren und sind loyale Bürger des polnischen Staates. Keiner wirft uns auch direkt vor, wir hätten etwas falsch gemacht. Man wirft der deutschen Regierung vor, sie mache etwas nicht richtig in Bezug auf den Polnischunterricht in Deutschland. Leidtragende sind dabei aber gerade wir und die jüngste Diskriminierungsaktion soll eine Antwort auf die fehlende Symmetrie sein, wie ständig von der polnischen Seite betont wird. Dabei kann es doch keine Symmetrie geben, denn schon allein die Bildungssysteme sind in beiden Ländern unterschiedlich und auch der Status der beiden Gruppen ist nicht gleich.
Wir, polnische Bürger deutscher Nationalität, wurden aber von unserer Regierung zu Geiseln ihrer Deutschlandpolitik gemacht, indem man uns zur Minderheit einer anderen, schlechteren Kategorie herabstuft. Damit hat sich Polen außenpolitisch in der Europäischen Union keinen Dienst erwiesen, um es diplomatisch zu formulieren. Und in Polen selbst hat man mit den Verordnungen des Bildungsministers den Fakt Diskriminierung in die polnische Rechtsprechung aufgenommen. Für uns als Minderheit, aber eben nicht nur für uns, denn wir bekommen seit Monaten auch sehr viel Zuspruch aus der polnischen Mehrheit, aus Wirtschafts- und Wissenschaftskreisen, ist es eine Sachlage, die wir mitten in Europa im 21. Jahrhundert nicht für möglich gehalten hätten.
Und um auf Ihre Frage zu kommen: Nein, es hat sich nichts an dieser Sachlage verändert. Das Bildungsministerium bleibt leider weiterhin bei seinem Standpunkt, auch wenn mittlerweile jedem klar sein müsste, dass diese Verordnungen ganz einfach rechtswidrig sind.

Haben Sie deshalb die Gemeinsame Kommission der Regierung und der nationalen und ethnischen Minderheiten verlassen?

Zunächst einmal haben Bernard Gaida, der Vorsitzende des Verbandes deutscher Gesellschaften, und ich unsere Mitgliedschaft in der Gemeinsamen Kommission als Zeichen des Protests ruhen lassen, wir sind also nicht ausgetreten. Die Aufgabe dieses Gremiums, das infolge des im Jahr 2005 beschlossenen Minderheitengesetzes ins Leben gerufen wurde, ist es, Gesetze und Verordnungen, die direkten Einfluss auf die Minderheiten haben, zu begutachten, um eventueller Diskriminierung vorzubeugen. Die Verordnungen des Bildungsministers wurden der Kommission aber nicht vorgelegt, das Gremium wurde also übergangen. Wir können nun nicht weitermachen, andere Gesetze begutachten, über die Lage der Minderheiten in Polen diskutieren, während die deutsche Minderheit ganz offen diskriminiert wird, aber niemand von der Regierungsseite diesen Sachverhalt ändern will. Deshalb hat sich der VdG also auch entschieden, gegen die polnische Regierung Beschwerde bei der EU-Kommission einzulegen.
Wir sind ja, wie ich bereits gesagt habe, loyale Bürger des Landes und so fällt es uns alles andere als leicht, die eigene Regierung quasi zu verklagen. Es werden aber Menschen-, Bürger- und Minderheitenrechte in Polen gebrochen, die auch im EU-Recht festgeschrieben sind, sodass wir keinen anderen Ausweg sehen, als internationale Institutionen einzuschalten.
Wir hoffen darauf, dass sich die Situation so schnell wie möglich wieder normalisiert und wir unseren Kindern nicht weiter erklären müssen, warum ihre Altersgenossen aus anderen Minderheiten mehr Unterricht in ihrer Sprachen haben können und sie mit nur einer Stunde auskommen müssen.

Rafał Bartek
Foto: Rudolf Urban

Kommt bei Ihnen nicht so etwas wie Schadenfreude auf, dass vor wenigen Tagen nun Belarus angekündigt hat, an Schulen mit Polnisch als Unterrichtssprache Russisch einzuführen und nur noch eine Stunde wöchentlich Polnischunterricht zuzulassen?

Nein, keineswegs. Wir solidarisieren uns natürlich mit den Polen in Belarus und sehen diesen Schritt Łukaschenkos als Missachtung von Menschen- und Minderheitenrechten.
Wenn wir nun aber auf die polnische Regierung schauen, die natürlich zu Recht empört auf die faktische Schließung der Schulen mit Polnisch als Unterrichtssprache reagiert, muss ich sagen, die Warschauer Regierung hat sich selbst ein Argument genommen, wenn sie nun für ihre Landsleute in Belarus eintreten will. Wie will man denn gegenüber dem Handeln eines undemokratischen Staates, weil Belarus ja eine Diktatur ist, auftreten, wenn man hierzulande selbst eine konkrete Minderheit diskriminiert?

Kommen wir nun zum Verband deutscher Gesellschaften, bei dem es dieses Jahr zu Neuwahlen des Vorstandes kommt. Zunächst aber stellt sich die Frage, wird denn der VdG als Institution gebraucht oder wären die einzelnen regionalen Organisationen der deutschen Minderheit in ihrem Handeln nicht agiler ohne die Dachorganisation?

Der VdG spielt von Beginn an eine wichtige Rolle, denn es ist die politische Vertretung der Minderheit nach außen. Man muss es so sehen, dass es nicht nur uns intern das Leben erleichtert, wenn wir erst unter uns Themen besprechen, bevor wir etwas nach außen kommunizieren. Es erleichtert auch der deutschen und polnischen Regierung den Kontakt mit der Minderheit, wenn sie einen Ansprechpartner für alle haben.
Nicht zu vergessen ist auch die finanzielle Rolle des VdG, der seit einigen Jahren in diesem Bereich viel stärker präsent ist, indem die einzelnen Organisationen der Minderheit eben über den VdG einen großen Teil der Fördermittel beantragen und dort abrechnen.
Vor dem VdG stehen auch in Zukunft weitere Aufgaben, denn die Organisationen und die Menschen ändern sich und der VdG hat da also die Aufgabe, die Vereine auf diesem Weg zu begleiten, mögliche Konflikte intern zu schlichten und schwächelnden Mitgliedern tatkräftig zur Seite zu stehen.

Nun aber wird Ende Mai ein neuer Vorstand des VdG gewählt und der bisherige Vorsitzende Bernard Gaida hat vor einiger Zeit signalisiert, er stünde für das Amt nicht mehr zur Verfügung. Hat die Oppelner SKGD, als größtes Mitglied des VdG, schon einen anderen Kandidaten für diesen Posten? Sind Sie dieser Kandidat?

Ich kann heute zunächst so viel sagen: Herr Gaida wird dem VdG gewiss erhalten bleiben, vielleicht in einer anderen Funktion. Daran arbeiten wir noch. Wenn es nun um den Vorstand an sich geht, machen wir uns Gedanken, mache ich mir selbst Gedanken in der Verantwortung für die wichtige Gesellschaft, wie das Gremium personell aufgestellt sein könnte. Aber ich möchte offenlassen, ob ich oder jemand anders letztendlich den Posten des Vorsitzenden übernehmen wird, auch, weil es die Entscheidung des Vorstandes ist, dessen Zusammensetzung wir heute nicht kennen.
Was ich aber betonen möchte: Wir dürfen das, was wir in den letzten Jahren aufgebaut haben, nicht verlieren. Wir müssen uns zwar weiterentwickeln, vielleicht hier und da etwas korrigieren oder verbessern, aber die Richtung, die eingeschlagen wurde, ist die richtige. Ich hoffe dabei, die anderen Gesellschaften machen sich nun im Vorfeld der Verbandsratssitzung auch Gedanken. Denn es ist wichtig, dass gerade auf der VdG-Ebene die Stärke des Verbandes nicht nur aus einer Region, aus einer Mitgliedsgesellschaft kommt, sondern dass wir uns gemeinsam unterstützen und gestärkt in die Zukunft gehen.

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