Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Großer Verlust für die Kinder und die Region

Nach der Abstimmung über den Staatshaushalt 2022 in der vergangenen Woche ist die Kritik an der Kürzung der Subventionen für den Unterricht von Deutsch als Minderheitensprache nicht verstummt. Nicht nur die Organisationen der deutschen Minderheit in Polen verbergen ihre Empörung nicht, auch Kommunalpolitiker, Lehrer und deutsche Politiker kritisieren die Politik der Regierung.

 

Zur Erinnerung: Der Abgeordnete der Solidarna Polska Janusz Kowalski versuchte seit mehreren Wochen die Subvention für den Deutschunterricht als Minderheitensprache zu kürzen, weil seiner Meinung nach die deutsche Seite den Polnischunterricht an deutschen Schulen nicht finanziere. Sein Vorschlag wurde nicht nur von Bildungsminister Przemysław Czarnek, letztlich auch von der gesamten Regierungspartei für diese Idee unterstützt, die am vergangenen Freitag den Haushalt samt dieser Änderung verabschiedete und so eine Kürzung der Ausgaben für den Unterricht von Deutsch als Minderheitensprache annahm.

 

Stimme des Oppelner Sejmik

Die Kürzung der Mittel wird insbesondere die Woiwodschaft Oppeln treffen, da hier die meisten Kinder und Jugendlichen Deutsch als Minderheitensprache in den Schulen lernen. Daher reagierte der Sejmik der Woiwodschaft Oppeln auf die Entscheidung des Sejm, indem er auf der heutigen Sitzung einen Appell angenommen hat, der von der Fraktion der deutschen Minderheit vorbereitet wurde. Dort lesen wir unter anderem: „Wir appellieren an den Minister für Nationale Bildung und Wissenschaft, die Auswirkungen dieser Änderung zu überprüfen. Gleichzeitig appellieren wir an den Senat der Republik Polen, diese Änderung abzulehnen. Wir bitten den Ministerrat der Republik Polen, unseren Standpunkt zu diesem äußerst wichtigen Thema zu unterstützen. Wir glauben, dass die Begrenzung der Mittel für den Unterricht von Minderheiten- und Regionalsprachen den Interessen des polnischen Staates schaden und dem Wohl der von uns vertretenen Gemeinschaften schaden wird, die seit Jahrhunderten in der Republik Polen leben.“

 

Sejmikvorsitzender Rafał Bartek (Mi.)
Foto: UMWO

 

In der Diskussion vor der Abstimmung argumentierten die PiS-Räte unter anderem mit fehlender Symmetrie zwischen der Unterstützung der deutschen Minderheit in Polen und der Polonia in Deutschland. „Die deutsche Minderheit genießt viele Rechte, auf die die polnische Minderheit nicht zählen kann. Sie machen einen guten Job, aber es fehlt die Sensibilität in die andere Richtung“ sagte PiS-Sejmikmitglied Andrzej Byczkowski und verwies auf das Beispiel des Minderheitenabgeordneten Ryszard Galla, der gegen den Wiederaufbau des Saski-Palastes in Warschau stimmte. Andererseits betonte der Vorsitzende des Sejmik Rafał Bartek, dass dieses Geld nicht für die nationalen Minderheiten bestimmt sei, sondern für die Kommunalverwaltungen, die dank ihnen den Unterricht der Minderheitensprache durchführen. „Es sollte nicht vergessen werden, dass dank dieses Geldes oft kleine Schulen in ländlichen Gebieten betrieben werden und jetzt ihr Bestehen ernsthaft bedroht wird – fügte er hinzu.

 

Lehrer

Julia (Name auf Wunsch geändert) arbeitet in einer dieser kleinen Schulen bei Oppeln.  „Zunächst tut es mir sehr leid, dass die Entscheidungen der polnischen Regierung wieder einmal die polnische Schule und unsere Kinder getroffen haben. Denn die deutsche Sprache als Minderheitensprache wird nicht nur von Kindern mit Minderheitenhintergrund erlernt. Ich arbeite seit 20 Jahren in diesem Beruf, in einer kleinen Dorfschule, einer mit familiärer Atmosphäre, reicher Tradition und eigener einzigartiger Geschichte. In all den Jahren gab es kein einziges Kind, dessen Eltern sich nicht für den Deutschunterricht entschieden hätten. Alle sahen im Erlernen einer zusätzlichen Sprache eine Chance für die Entwicklung ihrer Kinder, eine Chance auf einen besseren Start in die nächste Bildungsstufe und größere Chancen bei der Studienwahl oder der zukünftigen Berufswahl. Tatsächlich ist diese zusätzliche Subvention eine enorme Unterstützung für so kleine Schulen wie meine, manchmal bedeutet sie sogar das Sein oder Nichtsein für solche Einrichtungen. Eine Schule in einer ländlichen Umgebung ist doch unverzichtbar, sie ist oft das einzige kulturelle Zentrum“, sagt Julia, die besorgt in die Zukunft blickt:

 

„Wenn die Kürzung wirklich erfolgt, ist das ein großer Verlust für unsere Kinder, für ihre Entwicklung, aber auch für die Zukunft unserer Region und unseres Landes und für viele Deutschlehrer, die leider überflüssig werden“.

 

Stimmen aus Deutschland

Auch deutsche Politiker melden sich wegen der Kürzung der Subventionen für den Unterricht von Deutsch als Minderheitensprache zu Wort. Unter ihnen Dietmar Nietan, der im Auftrag des Bundesvorstands der SPD an den Vorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Minderheiten (AGDM) Bernard Gaida schrieb. Darin lesen wir unter anderem: „Lassen Sie mich (…) betonen, dass uns die Aktivitäten bestimmter Abgeordneter im polnischen Sejm gegen eine angemessene Förderung der deutschen Minderheit in Polen mit großer Sorge erfüllen. Seien Sie deshalb versichert, dass wir hier an der Seite der deutschen Minderheit in Polen stehen“.

 

Dr. Bernd Fabritius, Bundesbeuaftragter für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten

 

Auch Prof. Bernd Fabritius, der amtierende Bundesbeauftragte für Aussiedlerfragen und nationale Minderheute, veröffentlichte seine Stellungnahme: „Die Deutschen in Polen sind loyale Bürger ihres Staates und haben als nationale Minderheit dort Anspruch darauf, ihre Muttersprache im staatlichen Schulsystem gefördert zu bekommen, damit diese als wesentlicher Teil ihrer kulturellen Identität erhalten bleibt. Polen hat die internationalen Regelwerke des Europarates ratifiziert. Aufgrund des Rahmenübereinkommens zum Schutz nationaler Minderheiten sowie der Charta zum Schutz von Regional- und Minderheitensprachen haben die Deutschen in Polen als autochthone nationale Minderheit einen Anspruch auf diese notwendige Unterstützung“. Bernd Fabritius kritisiert auch, dass Angehörige der deutschen Minderheit als polnische Staatsbürger von Regierungsvertretern diskriminiert werden, um Ziele für andere Gruppen außerhalb Polens zu erreichen.

Gleichzeitig weist der Beauftragte darauf hin, dass entgegen den Aussagen des Abgeordneten Janusz Kowalski und Minister Czarneks der Polnischunterricht in Deutschland aus öffentlichen Mitteln finanziert wird.

 

„Auch die Bundesländer sind „Deutschland“”,

 

schreibt Fabritius und unterstreicht damit, dass im deutschen politischen System das Bildungswesen bei den Bundesländern und nicht bei der Bundesregierung liegt. „Überall dort, wo entsprechende Nachfrage seitens polnischer Mitbewohner angemeldet wurde, haben die dafür zuständigen Länder nach den dafür geltenden Regeln und in Erfüllung der bilateralen Vereinbarungen entsprechende Angebote unterbreitet und Möglichkeiten geschaffen“, schreibt Fabritius weiter.

Über die Kürzung der Mittel für den Unterricht von Deutsch als Minderheitensprache wird morgen auch auf der Pressekonferenz der Sozial-Kulturellen Gesellschaft der Deutschen im Oppelner Schlesien diskutiert. Daran sollen auch Vertreter des Polnischen Bundesnetzwerkes Partizipation und Soziales teilnehmen.

Rudolf Urban

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