Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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„Habe versucht, es paritätisch zu halten“

Die Volksabstimmung in Oberschlesien jährt sich in diesem Jahr zum hundertsten Mal. Ein neuer Film dokumentiert jetzt die Ereignisse erstmals auch aus deutscher Perspektive.

Nach dem Ersten Weltkrieg bricht die altbekannte Ordnung Europas zusammen. Nationalstaaten treten anstelle der zusammengebrochenen Monarchien, insbesondere in Mittel- Osteuropa. Dort jedoch, wo sich die Bevölkerung heterogen zusammensetzt, eröffnet die Schaffung homogener Nationalstaaten neue Konflikte.
Im multikulturellen und multiethnischen Oberschlesien kommt es zur Volksabstimmung. Die Bewohner stehen vor einem Dilemma: „Polen oder Deutschland?“ Schließlich wird auf Beschluss der Pariser Botschafterkonferenz Oberschlesien 1922 geteilt.

Regisseur Ronald Urbanczyk. Foto: Marie Baumgarten

Unterschiedliche Sicht auf deutscher und polnischer Seite

Erstmals zeichnet jetzt eine Dokumentation die Ereignisse von damals auch aus deutscher Perspektive nach. „Ich habe versucht, es paritätisch zu halten und den Film zu gleichen Teilen mit deutschen und polnischen Historikern besetzt“, sagt Regisseur Ronald Urbanczyk und staunt über das Ergebnis nicht schlecht: „Es hat sich herausgestellt, dass es auf polnischer wie auf deutscher Seite unterschiedliche Sichtweisen gibt. Die habe ich auch belassen.“ Urbanczyk erklärt: „Für die Deutschen ist die Teilung eine Tragödie und Folge des Versailler Vertrages, für die Polen dagegen eine Befreiung. Auf polnischer Seite wird Wojciech Korfanty als Hauptakteur gesehen, auf deutscher Seite Carl Ulitzka.“ Auf eine Einordnung verzichtet der Filmemacher, so wird der Zuschauer beispielsweise keine klare Antwort darauf bekommen, wie genau es zu den Aufständen gekommen ist, die die Volksabstimmung begleitet haben. „Es ist jedem überlassen, sich anhand der Aussagen der Historiker selbst eine Meinung zu bilden“, rechtfertigt Urbanczyk.

 

Denkmal in Oppeln: den polnischen Aufstndischen des Kampfes um Oberschlesien gewidmet.
Foto: Marie Baumgarten

„Meine Oma kommt auch aus Schlesien!“

Für den gebürtigen Beuthener ist dieser Film ein ganz besonderer, denn schließlich geht es um seine alte Heimat, aus der er samt Familie in den 80er Jahren ins Ruhrgebiet umgesiedelt ist. „Im Ruhrgebiet gibt es viele Menschen, die sagen: Meine Oma kommt auch aus Schlesien! Aber über den Grenzkonflikt aus den 20er Jahren weiß fast niemand etwas“, berichtet Urbanczyk. Mit seiner Produktion wolle er deshalb ein Stück verloren gegangener deutscher Geschichte erzählen, „zugleich aber auch polnische Geschichte“, so der 45-Jährige.

Nicht nur, dass das Plebiszit von deutscher Seite beleuchtet wird, ist neu. Ronald Urbanczyk hat sich auch für die Filmmusik etwas einfallen: Eine deutsch-polnische Hymne ist Ausdruck der über dem Film stehenden Vision von zwischenstaatlicher Zusammenarbeit. „Ein gemeinsames Denkmal für die deutschen und die polnischen Aufständischen auf dem schlesischen Annaberg wäre mein großer Wunsch“, sagt Urbanczyk.

In Auftrag gegeben hat den Film das Oberschlesische Landesmuseum Ratingen, er ist Teil der Sonderausstellung „Polen oder Deutschland? Oberschlesien am Scheideweg“.

 

Marie Baumgarten

Die Dokumentation „Ein europäischer Konflikt. Der Abstimmungskampf um Oberschlesien 1921“ gibt es auf der Internetseite des Oberschlesischen Landesmuseums Ratingen: www.oberschlesisches-landesmuseum.de

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