Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Heilkomplex mitten im Wald

Pagelshof (Ameryka) ist eine kleine Siedlung in der Woiwodschaft Ermland-Masuren, die zur Gemeinde Hohenstein im Kreis Allenstein gehört. In diesem Dorf, das inmitten eines alten Kiefernwaldes liegt, wurde Anfang des 20. Jahrhunderts beschlossen, ein Zentrum zur Behandlung von Lungenkrankheiten zu bauen. Die Wahl des Standorts war nicht zufällig: Bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts erkannten deutsche Ärzte, dass das lokale Mikroklima des Waldes die Behandlung von Atemwegserkrankungen begünstigt und das Immunsystem stärkt. Auch heute noch halten polnische Ärzte – nach vielen Jahren eigener Forschung – an den früheren Annahmen ihrer deutschen Kollegen fest.

Aus dem Buch des deutschen Historikers und Psychologen Andreas Jüttemann „Die preußischen Lungenheilstätten 1863-1934“ (Berlin 2015) erfahren wir, dass die Geschichte der medizinischen Behandlung in Pagelshof (polnisch: Ameryka) bei Hohenstein (Olsztynek) auf das Jahr 1903 zurückgeht. Damals wurde auf Initiative des Vereins zur Errichtung von Lungenheilstätten in Ostpreußen e. V. eine Lungenklinik gegründet. Anfänglich wurden dort nur Männer behandelt. Die meisten der Patienten waren jung (16-30 Jahre), Arbeiter und Landwirte mit Tuberkulose. Eine große Zahl von ihnen kam zur Behandlung aus Königsberg.

Lungenkrankheiten wurden vor allem klimatisch behandelt und zufälligerweise hat das Gebiet um Pagelshof äußerst günstige Heileigenschaften. Es ist mit alten Kiefern bewachsen, von Norden und Osten durch bewaldete Hügel geschützt und hat einen kleinen See in der Nähe. Dies veranlasste die Entscheidungsträger zum Bau eines Krankenhauses unweit des Vorwerks. Die Schwestereinrichtung des Krankenhauses in Pagelshof ist übrigens das Frauenkrankenhaus in Allenstein (Olsztyn), das zur gleichen Zeit erbaut wurde und sein spezialisiertes, pulmologisches Profil bis heute bewahrt hat (siehe Wochenblatt Nr. 5/1556, 2022).

Die ehemalige Lungenheilstätte für Männer in Pagelshof, heute Ameryka, beherbergt ein Rehabilitationskinderkrankenhaus.
Foto: WSRdD

Moderne Ausstattung
Das Hauptgebäude des Krankenhauses, ein zweigeschossiger Koloss mit drei Flügeln, beherbergte ursprünglich 50 Betten, die aber bald auf 84 aufgestockt wurden. Die Patienten wurden in Mehrpersonenzimmern untergebracht, wobei es im Gebäude auch sechs Einzelzimmer gab, in denen die Kosten für die Unterbringung und die bessere Verpflegung entsprechend höher waren.

Die Innenausstattung des Sanatoriums entsprach modernen hygienischen Anforderungen. Die Fenster aller Patientenzimmer waren nach Süden ausgerichtet. Die Umgebung der Einrichtung erhielt durch die Anlage von Rasenflächen und die Bepflanzung mit Laubbäumen, Sträuchern und Blumen ein freundliches, wohnliches Aussehen. Alle Abwässer wurden in einer biologischen Kläranlage gereinigt und anschließend auf die Felder geleitet. Die Gartenarbeit wurde fast ausschließlich von den Patienten durchgeführt.

Der erste Direktor des Sanatoriums war Dr. Walther Liévin, der ein Team aus einem Assistenzarzt und vier Krankenschwestern leitete. Das gesamte Personal wurde durch mehrere technische Mitarbeiter ergänzt. Die Kurklinik war das ganze Jahr über voll ausgelastet und praktisch zu hundert Prozent belegt. Von der Eröffnung bis zum 1. April 1912 durchliefen 2.282 Patienten das Sanatorium. Nach der Eintragung in die Warteliste war nach einem bis zwei Monaten ein Platz im Sanatorium frei. Drei Jahrzehnte lang wurde die Einrichtung mit Unterbrechungen von deutschen Bürgern genutzt. Während des Ersten Weltkrieges diente das Krankenhaus an Tuberkulose erkrankten Soldaten.

Die Lungenheilstätte Pagelshof bei Hohenstein (Aufnahmedatum: 1905-1908)
Foto: Bildarchiv Ostpreußen

Wirtschaftskrise und Wiedereröffnung
Während der Wirtschaftskrise Ende der 1920er- und Anfang der 1930er-Jahre konnten sich immer weniger Menschen einen Aufenthalt im Behandlungszentrum leisten. Die Einnahmen von 1923 bis 1930 waren sehr bescheiden, das Gebäude begann zu verfallen und stand drei Jahre lang leer. Um die riesige Anlage vor dem endgültigen Verfall zu retten, wurde sie zu einem Ferienhaus für Staatsbedienstete umgebaut. Sie beherbergte auch Arbeiter, die an staatlichen Projekten beteiligt waren: dem Bau des Mausoleums beim Tannenberg-Denkmal für Marschall Hindenburg bei Hohenstein und dem Bau eines Militärflugplatzes im nahe gelegenen Grieslienen (Gryźliny).

Im Jahr 1937 wurde ein modernisiertes Gebäude eröffnet, wodurch das Sanatorium seine ursprüngliche Funktion wiedererlangte. Während des Zweiten Weltkrieges wurde der Krankenhauskomplex erneut der Armee überlassen und diente diesmal als Stützpunkt der Luftwaffe. Auch Häftlinge aus dem nahe gelegenen Kriegsgefangenenlager Königsgut beteiligten sich an den Arbeiten.

Die Lugenheilstätte Pagelshof bei Hohenstein (Aufnahmedatum: 1927-1930)
Foto: Bildarchiv Ostpreußen

Warum „Amerika“?
Wie kam „Amerika“ in das Ermland? Das Gut Pagelshof wurde in den 1840er-Jahren gegründet und wechselte mehrmals den Besitzer. Ende des 19. Jahrhunderts war es im Besitz eines Ermländers, der es mit dem Geld, das er während seines Aufenthalts in den USA gesammelt hatte, kaufte und es Amerika nannte. Im Jahr 1917 wurde das Anwesen, neben dem das Sanatorium errichtet wurde, von dem preußischen Reservisten Willy Pagel gekauft und nach der Kriegserklärung der Amerikaner an Deutschland wieder in „Pagelshof“ umbenannt.

Als Folge des Zweiten Weltkrieges wurde Pagelshof 1945 zusammen mit dem gesamten südlichen Ostpreußen an Polen übergeben. Der Name des Dorfes wurde zu Pagłowo polonisiert, doch diese Bezeichnung wurde nicht akzeptiert. Daher stimmten die kommunistischen Behörden, wenn auch sehr widerwillig, der Rückkehr zu dem Namen Amerika – wengleich in der polnischen Schreibweise „Ameryka“ – zu.

Im Winter 1945, nach der Besetzung Ostpreußens durch die Rote Armee, wurden weibliche Militärangehörige der Einheit, die den Flugplatz in Grieslienen übernahm, im Krankenhausgebäude untergebracht.

Die Lugenheilstätte Pagelshof bei Hohenstein (Aufnahmedatum: 1935-1940)
Foto: Bildarchiv Ostpreußen

Nach 1945
Nach dem Abzug der Sowjets stand das Krankenhaus mehrere Jahre lang leer. Im Jahr 1948 beschloss die Sozialversicherungsanstalt, unter deren Verwaltung es fiel, es in ein Tuberkulose-Sanatorium für Kinder umzuwandeln. Von den ursprünglichen Vorkriegsgebäuden des Krankenhauses sind das prächtige Hauptgebäude und die 1908 errichtete Ärztevilla bis heute erhalten geblieben. Leider ist die ansehnliche hölzerne Veranda, die eigentlich das Haupttherapiezentrum war, nicht erhalten geblieben – dort sollten die Patienten jede freie Minute verbringen und sich der wohltuenden Wirkung des örtlichen Mikroklimas hingeben. Ursprünglich war es ein einstöckiges Gebäude, aber bald wurde ein Obergeschoss hinzugefügt. In den 1960er-Jahren wurde es schließlich abgerissen.

Im Jahr 1974 wurde das Sanatorium in das Woiwodschafts-Rehabilitationskrankenhaus für Kinder umgewandelt. Die Einrichtung bestand aus drei Abteilungen: einer pulmologischen Station und zwei Rehabilitationsstationen. Jahrzehntelang investierte das Sanatorium in die Infrastruktur und die medizinische Ausrüstung sowie in die Qualifikation des Personals. In dieser Zeit wurde auch das zehn Hektar große Gelände rund um die Heilanstalt gepflegt, denn die dokumentierten Forschungen von Dr. Krystyna Janukowicz belegen, dass der Aufenthalt im Freien den Kindern bei der Behandlung am meisten hilft. „Für den Bau der Rehabilitations- und Behandlungsinfrastruktur hat das Sanatorium von der Europäischen Union mithilfe der Woiwodschaftsverwaltung einen Zuschuss von 6,7 Mio. Złoty für ein Projekt im Wert von 8 Mio. Złoty erhalten“, so Dr. Roman Lewandowski, Direktor des Krankenhauses, der dort seit 23 Jahren tätig ist.

Heute beherbergt der Therapiekomplex in Pagelshof das größte Rehabilitationskinderkrankenhaus in Polen.
Foto: WSRdD

Heute beherbergt der Therapiekomplex in Pagelshof das größte Rehabilitationskinderkrankenhaus in Polen. Jedes Jahr werden dort etwa 10.000 Patienten im Alter zwischen drei Monaten und 18 Jahren betreut. Es beherbergt sechs Stationen, darunter die Rehabilitations- und die Allergie-/Rehabilitationsstation, sowie die Abteilung für Physiotherapie, die sich im Hauptgebäude befindet und seit fast 120 Jahren ununterbrochen im Dienste der Patienten steht.

Dieser Ort ist ein unbestreitbares Erbe sowohl der polnischen als auch der deutschen Geschichte – und auch der Geschichte der Medizin. Dies zeigt, dass Dinge, die für die Menschen wertvoll und nützlich sind, von den Nachfolgern respektiert werden können, trotz der Grenzveränderungen nach dem Zweiten Weltkrieg. Auf diese Weise ist die Vergangenheit mit der Gegenwart zu einer Einheit verschmolzen.

Alfred Czesla

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