Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Ich bin für Symmetrie in bilateralen Beziehungen, aber …

Mit der Verfassungsrechtlerin Prof. Anna Frankiewicz-Bodynek von der Universität Oppeln, sprechen u.a. über mögliche Konsequenzen der Kürzung der Bildungssubvention für den minderheitensprachlichen Unterricht und darüber, wie man für Symmetrie in zwischenstaatlichen Beziehungen einstehen sollte.  

 

Zunächst erklärte der Abgeordnete Kowalski, dann Minister Czarnek, dass Kürzungen bei der Bildungssubvention für den Unterricht der Minderheitensprachen nur für Deutsch gelten würden. Ist das nicht eine offene Diskriminierung einer Gruppe polnischer Bürger?

 

Aus verfassungsrechtlicher Sicht, mit der ich mich befasse, sehe ich hier zwei Probleme. Zum einen verlangt die polnische Verfassung von den staatlichen Organen, nationalen und ethnischen Minderheiten die Freiheit zu garantieren, ihre eigene Sprache zu pflegen und zu entwickeln. Darüber hinaus sieht der bilaterale Vertrag zwischen der Republik Polen und der Bundesrepublik Deutschland vor, dass sich die staatlichen Organe beider Länder dafür einsetzen sollen, dass Angehörige von Minderheiten die Möglichkeit haben, in öffentlichen Bildungseinrichtungen ihre Muttersprache oder in ihrer Muttersprache zu lernen. Dieser Vertrag und andere internationale Verpflichtungen erfordern nicht, dass das Erlernen von Minderheitensprachen die finanziellen Möglichkeiten des Staates übersteigt, und diese sind in letzter Zeit aus vielen Gründen zurückgegangen. Daher glaube ich, dass eine Analyse der tatsächlichen Bedürfnisse von Minderheiten erforderlich wäre, um zu beurteilen, ob die Haushaltskürzungen gerechtfertigt sind. Ich glaube, dass die zuständigen Organisationen nationaler und ethnischer Minderheiten um Konsultationen bezüglich ihrer Bedürfnisse und technischen Möglichkeiten gebeten werden sollten, um sicherzustellen, dass das Recht auf das Erlernen einer Minderheitensprache tatsächlich umgesetzt wird.

 

Der zweite Punkt ist die Ankündigung, dass Kürzungen bei der Bildungssubvention nur für eine, die deutsche Minderheit gelten sollen. Dies lässt Zweifel an der Umsetzung des Gleichheitsgrundsatzes durch die Republik Polen aufkommen.

 

Dieses besteht darin, dass konkrete Gruppen, die das gleiche wichtige Merkmal aufweisen, auf die gleiche Weise und ohne Diskriminierung behandelt werden sollten. Haushaltskürzungen für eine Minderheit wären daher nur dann gerechtfertigt, wenn diese Minderheit bisher proportional stärker subventioniert wurde als die übrigen Minderheiten.

 

Politiker der konservativen Rechten erklären, die Kürzungen im Deutschen seien eine Folge der fehlenden Unterstützung für das Erlernen der polnischen Sprache in Deutschland. Doch lässt sich die von der Rechten beschworene Symmetrie tatsächlich auf die deutsche Minderheit in Polen und die Polonia in Deutschland übertragen?

 

Ich persönlich bin für Symmetrie in den bilateralen Beziehungen. Dies garantiert die Gleichberechtigung der Nationen. Wenn Deutschland internationale Vereinbarungen, auf deren Grundlage es verpflichtet ist, Minderheitensprachen in seinem Hoheitsgebiet zu schützen, und das mit Polen geschlossene Abkommen nicht einhält, besteht die einzige Lösung darin, die deutsche Seite zur Einhaltung dieser aufzufordern. Sollte sich dies als unwirksam erweisen, können entsprechende internationale Gremien angerufen werden, die über verschiedene Mittel verfügen, um die Umsetzung der Verträge durchzusetzen. Einige dieser Maßnahmen sind effektiver, andere weniger, aber das ist der einzige Weg. Andererseits empfinde ich die Argumente polnischer Abgeordneter und Minister als einen konfrontativen Kurs in den polnisch-deutschen Beziehungen, als Revanchismus eines Staates, der sich nicht stark genug fühlt, die Einhaltung der Vereinbarungen durchzusetzen. Ich weiß nicht, ob dies an der diplomatischen Niederlage Polens liegt oder an der fehlenden Diskussion über diese Angelegenheit.

 

Nehmen wir an, der Sejm wird letztendlich den Haushalt samt Kürzungen für den Unterricht der Minderheitensprachen verabschieden. Haben die von diesen Kürzungen betroffenen Menschen und Gruppen einen Ausweg, können sie sich noch irgendwo Unterstützung suchen?

 

Die Sache ist nicht einfach. Minderheiten und ihre Organisationen könnten zum Beispiel den Ombudsmann, den Marschall des Senats oder andere in der polnischen Verfassung erwähnte Institutionen davon überzeugen, sich mit einem Antrag an das Verfassungsgericht zu wenden, um die Verfassungsmäßigkeit dieses Gesetzes in Frage zu stellen. Die Klageerhebung einzelner Minderheitenangehöriger wäre sehr aufwendig und mit langjährigen Gerichtsverfahren und hohen Kosten verbunden. Was den internationalen Weg betrifft, so hat diese UNESCO trotz der Tatsache, dass Polen an  ihr Übereinkommen zur Bekämpfung von Diskriminierung im Bildungsbereich gebunden ist, keine wirksamen Sanktionen gegen diejenigen, die gegen die Verpflichtungen des Übereinkommens verstoßen. Der Europarat ist viel effektiver, schließlich befasst es sich auch mit der Sprachenpolitik seiner Mitgliedsstaaten. Jede Person oder Organisation kann beim Europarat eine Beschwerde einreichen, wenn sie glaubt, Opfer einer staatlichen Verletzung zu sein.

 

Ich frage mal ein wenig provikant: Können Politiker, die so handeln, dass sie die Bürger in bessere und schlechtere einteilen, irgendwie bestraft werden?

 

Wenn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte feststellt, dass ein Staat einen Verstoß begangen hat, ist der Staat verantwortlich, unabhängig davon, wer derzeit im Amt oder vorher gewesen ist. Wenn Sie nach der Verantwortung bestimmter Politiker frage, bin ich skeptisch. Die Geschichte zeigt, dass über Fehler der Regierenden selten richtig gerichtet wird. In den letzten Jahren wurden viele kontroverse Entscheidungen getroffen, die noch viele Jahre diskutiert werden. Wenn Personen in den höchsten Positionen des Staates gegen das Gesetz verstoßen, das mit ihrer Position in Zusammenhang steht, können sie vor dem Staatsgerichtshof haftbar gemacht werden. Allerdings erkläre ich den Studenten in meinen Vorlesungen oft, dass das Staatsgericht eine Guillotine ist, die steht, aber niemals genutzt wird.

 

Das Gespräch fürhrte Rudolf Urban

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