Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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„Ich hatte keine Angst“

Mit Bernard Dziambor, dem Mitbegründer der SKGD in Kattowitz und langjährigem Aktivisten des DFK Orzesche, sprach Manuela Leibig.

Herr Dziambor, wie waren die Anfänge der Deutschen Minderheit in Schlesien?

Ich kannte Friedrich Schikora schon lange, wir haben in demselben Gebäude gearbeitet. Wenn wir Deutsch gesprochen haben, oder darüber, dass wir uns um das Deutschtum hier kümmern mussten, dann nur, wenn wir ungestört waren. Einmal rief er mich an, mit der Neuigkeit, dass er zu einem Treffen der Deutschen in der Oppelner Woiwodschaft eingeladen ist, Groß Strehlitz war das, glaube ich, oder Annaberg. Ich kam mit. Es waren so viele Leute da, dass wir kaum reinkommen konnten in den Saal. Erst eine Frau hat uns reingeführt. Sie hatte die Idee, das wir ein Schlesiertreffen auf dem Annaberg machen. Woran ich mich noch erinnere, die Frauen haben sehr viel Kuchen gebacken für dieses Treffen, auf solchen großen Blechen. Es folgten weitere Treffen, manchmal hatte ich das Gefühl wir wurden bespitzelt von der Geheimpolizei.

 

Bernard Dziambor arbeitet selbst mit seinen 90 Jahren immer noch am liebsten in seinem Garten
Foto: Jolanta Cwalina

 

Hatten Sie keine Angst, zu diesen Treffen zu fahren?

Ich hatte im Leben sehr wenig Angst gehabt. Ich bin eine Zeitlang Bergarbeiter gewesen, da merkte ich, dass meine Kollegen Angst hatten, in die Scholle zu steigen, ich aber nicht.

 

Wollten Sie nach Deutschland ausreisen?

Sechs Jahre lang war ich tätig in einem Elektrizitätswerk und das war die schlimmste Zeit in meinem Leben, ich habe noch heute vor den Augen, was dort alles geschah. Ich war als Betriebsleiter eingestellt, aber es war sehr schlimm. Ich war frisch verheiratet, wir hatten noch kein Kind. Es gab in Deutschland ein großes Fußballspiel und ich überlegte mit meiner Frau, zu dem Spiel zu fahren und dann weiter zu flüchten. Die Tickets habe ich bestellt und bekam einen Anruf, dass ich sie doch nicht kaufen darf. Ich weiß nicht, wie das geschehen konnte. Danach habe ich nicht mehr daran gedacht. Ich war mehrere Male in Deutschland, einmal sogar zwei Monate lang, es war schön, aber ich bereue nicht, dass wir hier geblieben sind. Das, was mich mit Deutschland verbindet, ist die Sprache, doch die Kultur ist schon ganz anders. Ich bin ein echter Oberschlesier und hier gehöre ich hin. Ich lese gerne zu der Geschichte Oberschlesiens und vertiefe so die Bindung zu meiner Heimat.

An dem Treffen mit Helmut Kohl konnte Bernard Dziambor (dunkle Haare, hinten rechts) teilnehmen.
Quelle: privat

 

Sie haben sich von Anfang an für die Gründung der Deutschen Minderheit engagiert. Was waren so große Erlebnisse, an die Sie sich erinnern?

Nach Warschau sollten wir fahren, als am 14. November 1990 die Außenminister Hans-Dietrich Genscher und Krzysztof Skubiszewski den Grenzvertrag unterschrieben. Doch es war mir nicht möglich. Mein Chef kam zu mir und sagte, dass er von der Personalabteilung einen Anruf bekommen hat, dass, wenn ich nach Warschau fahren möchte, für 1-2 Tage, da soll ich keinen Urlaub bekommen, ich darf nicht fahren. Dem Schikora ist dasselbe passiert. Ich habe ihm das nicht weiter erklärt, ich habe so getan, als wüsste ich nicht, worum es geht. Erst bei dem Treffen mit Helmut Kohl konnte ich dabei sein. Ich weiß noch genau, wie wir eingeladen wurden in das Gericht, als die Organisation registriert werden sollte. Viele Deutsche standen vor dem Gericht und warteten auf die Registrierung. Wir waren sehr traurig, als die Richterin den Antrag für Registrierung abgelehnt hat. Und draußen vor dem Gericht drohte ein Tumult auszubrechen, und da habe ich mit einer Frau beschlossen, dass wir „Großer Gott, wir loben Dich“ singen werden. Wir hatten beide eine ziemlich starke Stimme und haben das Lied angestimmt. Und die Menge hat sich beruhigt, ich hatte nämlich Angst, dass gleich die Miliz kommt und uns prügeln wird, wenn wir unser Unbehagen austragen.

 

Warum haben Sie sich damals für die Deutsche Minderheit engagiert?

Es war die einzige Möglichkeit, hier etwas zu bewegen. Als der Fritz Schikora zu mir kam, dass was geändert werden kann, hier in meiner Heimat, da habe ich natürlich mitgemacht. Wir haben Unterschriften gesammelt, geteilt haben wir uns das. Der Blasius Hanczuch machte den Kreis Ratibor, der Schikora übernahm Gleiwitz und ich hatte das frühere Ostoberschlesien.

 

Was waren die ersten Initiativen der schon offiziell anerkannten Deutschen in ihrer Umgebung?

Ich habe eine Quartalzeitschrift herausgegeben, das „Kultur Bulletin“. Geschrieben haben dafür viele Menschen aus unserer Umgebung und auch aus Beuthen. Es war schwierig am Anfang, das Kopiergerät bei meiner Arbeit wurde bewacht, da konnte ich die Zeitschrift nicht kopieren. Es gelang nur dank der vielen Kontakte, was in Bewegung zu setzen. Gerne trafen wir uns bei Blasmusik und haben auch gesungen. Das waren schöne Zeiten. Wir waren auch mal von der Hans-Seidel-Stiftung nach Deutschland eingeladen. Wir als DFK wollten auch unbedingt ein Treffen mit dem Schriftsteller Horst Bienek einrichten, der Norbert Willisch hat uns dabei geholfen. Doch es hat leider nicht geklappt, denn Bienek ist erkrankt und gestorben. Wir haben auch viele Ausflüge gemacht, vor allem in Schlesien, damit wir unsere Heimat besser kennenlernen.

 

Den „Kultur Bulletin“ hat Bernard Dziambor heraugegeben.
Foto: Jolanta Cwalina

Sie schreiben ihre Erinnerungen nieder, was hat Sie dazu bewogen?

Ich habe erst 40 Seiten fertig geschrieben, vor mir liegt viel Arbeit. Meine Kinder haben mich dazu ermutigt und ich habe schließlich angefangen. Ich sammle noch Briefmarken und arbeite gerne in meinem Garten, da bleibt mir nicht so viel Zeit zum Schreiben, aber ich bemühe mich.

 

Herr Dziambor, Sie sind 90 Jahre alt. Was ist Ihr Rezept für ein langes Leben?

Immer freundlich zu sein und immer lachen. Ich habe mein ganzes Leben lang sehr viel gearbeitet, schon als 7-jähriger Junge habe ich mir Kaninchen gewünscht und für die war ich dann verantwortlich. Meinen Garten habe ich immer mehr ausgebessert, mir einen Teich angelegt, Rosen, Gemüse und 80 Sorten von verschiedenen Blumen gepflanzt usw. Ich habe auch immer gerne gelesen. Als 1945 die Russen kamen, bin ich durch den Keller in die Schulbibliothek gelaufen und wollte die Bücherreihe über die Indianer holen von Fritz Steuben, das waren meine Lieblingsbücher. Aber ich habe nur das erste Buch aus der Reihe gefunden und habe es bis heute. Genau wie ein paar andere, ich dachte, sie werden alle vernichtet und ich musste sie retten.

 

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