Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Jugend triumphiert in der FUEV

Neugewählter FUEV-Vorsitzender ist Loránt Vincze (links) mit seiner Bürochefin Susann Schenk Foto: Krzysztof Świderski.
Neugewählter FUEV-Vorsitzender ist Loránt Vincze (links) mit seiner Bürochefin Susann Schenk Foto: Krzysztof Świderski.

Es war eines der größten Projekte überhaupt, die die deutsche Minderheit mitorganisiert hat: Vom 18. bis zum 22. Mai fand im Breslauer Haston-Hotel ein Kongress der Föderalistischen Union Europäischer Volksgruppen (FUEV) statt. Trotz des völligen Desinteresses polnischer Medien für den Kongress sorgte eines seiner Elemente für große Emotionen und die Strukturen selbst erlebten ein regelrechtes Erdbeben.

 

„Ich denke, ich übertreibe nicht, wenn ich heute hier zu Ihnen sage: ,Meine Freunde’. Ohne Sie hätte ich meine Ziele nicht erreicht und die FUEV wäre nicht dort, wo sie heute ist“, sagte der scheidende FUEV-Vorsitzende Hans Heinrich Hansen bei der festlichen Gala zum Abschluss des Kongresses. Der Deutsche aus Dänemark nimmt nach neun Jahren nun Abschied von seinem Vorsitz im Dachverband der nationalen Minderheiten Europas, der gegenwärtig über 90 Mitglieder aus 30 europäischen Ländern hat. Die FUEV-Kongresse finden jährlich statt und obwohl es jetzt nicht die erste Versammlung in Polen war, hatte man sich dazu entschieden, sie in Breslau – der Kulturhauptstadt Europas 2016 – abzuhalten.

 

Situation der Minderheiten

 

Neben einem „Jahrmarkt der Nationen” mit einer Präsentation von Traditionsprodukten der europäischen Minderheiten und einer Gala zum Abschluss des Kongresses weckten die beiden Seminarteile und die Delegiertenversammlung die größte Aufmerksamkeit der rund 150 Gäste.

 

Im Anschluss an die Grußworte u.a. des Breslauer Stadtpräsidenten Rafał Dutkiewicz und des Minderheitenbeauftragten der deutschen Bundesregierung Hartmut Koschyk sowie nach dem Verlesen eines Briefes des polnischen Staatspräsidenten Andrzej Duda bekamen die Teilnehmer zunächst die Gelegenheit, eine Ansprache der hohen Kommissarin der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa Astrid Thors zu hören. Anschließend folgte eine Präsentation von Bernard Gaida und Rafał Bartek, die den europäischen Minderheiten die Geschichte und jetzige Situation der deutschen Minderheit in Polen näherbringen sollte: „Es gibt in Polen einen Spruch: ,Wenn es so gut ist, wieso ist es dann so schlecht?’“, so Bernard Gaida. Der Vorsitzende des Verbandes deutscher Gesellschaften machte deutlich, dass obwohl seit der kommunistischen Zeit, als die Deutschen in Polen so gut wie gar nicht als Minderheit anerkannt wurden, vieles sich zum Besseren gewendet hat und die deutsche Minderheit umfassende Privilegien genießt, gibt es im Leben der Minderheiten in Polen nach wie vor Aspekte, die man verbessern könnte. Eines dieser Probleme sind laut Rafał Bartek die notwendigen elterlichen Willenserklärungen, die einen Schulunterricht der jeweiligen Minderheitensprache in Polen erst ermöglichen. Die Vertreter der Deutschen in Polen sind der Ansicht, dass der Unterricht automatisch, unabhängig von der Anzahl der Willenserklärungen, angeboten werden müsste.

 

Der zweite Seminartag des Kongresses galt vorwiegend der allgemeinen Situationen der nationalen Minderheiten im heutigen Europa. Die Berichterstattungen der Minderheiten selbst, ob der deutschen, dänischen oder ungarischen, bestätigten, was Bernard Gaida in seinem vorangehenden Referat betonte, indem er sagte: „Es gibt unter uns Minderheiten, die eine bessere, aber es gibt auch Minderheiten, die eine schlechtere Situation als die Deutschen in Polen haben.” So würdigte man einerseits z.B. die guten Ansätze im Schulwesen der Deutschen in Kroatien, andererseits aber stellte man mit Bedauern fest, dass die Finanzierung ihrer Institutionen in den letzten neun Jahren halbiert wurde. Ein Beispiel für eine oft fatale Situation einer Minderheit sind die Roma. Obwohl – wie die Minderheitenbeauftragte des niederschlesischen Woiwoden und selbst Roma-Angehörige Justyna Matkowska unterstrich –, „die Kultur der Roma schon immer geheimnisvoll und damit verbunden auch faszinierend war”, kommt es gegenüber Roma-Angehörigen nach Aussage einer Teilnehmerin häufig sogar zu schrecklichen Anfeindungen, geschweige denn von einer praktisch fehlenden Möglichkeit, ihre Sprache an Schulen zu unterrichten.

 

Großes Oppeln

 

Trotz der überaus interessanten Gäste und lebhaften Diskussionen fand der FUEV-Kongress mit kleinen Ausnahmen keinerlei Resonanz in den polnischen Medien. Eine Änderung brachte erst die von den Delegierten angenommene Resolution gegen eine zuletzt umfassend debattierte Vergrößerung Oppelns: „Wir sind überzeugt, dass eine Stärkung der multikulturellen Region Oppeln, welche auch die Entwicklung der Stadt Oppeln im Blick hat, in einem gesellschaftlichen Konsens und unter Beachtung der Relevanz lokaler Gemeinschaften vonstattengehen sollte“, glauben die FUEV-Delegierten und meinen damit eine umfassende Debatte und einen Dialog mit Bürgern von Oppelns umliegenden Gemeinden zu diesem Thema. Diese Debatte ist in diesem Fall schlicht ausgeblieben. Der FUEV-Beschluss stieß nahezu sofort nach seiner Veröffentlichung auf breite Kritik sowohl vonseiten des Oppelner Stadtpräsidenten Arkadiusz Wiśniewski, der ihn als eine „Politisierung der Diskussion, bedingt durch die Angst von Spitzenleuten der deutschen Minderheit, ihre Posten zu verlieren” bezeichnete, als auch von der rechten Seite des politischen Spektrums. So meinte der Europaparlamentarier Sławomir Kłosowski von der Partei Recht und Gerechtigkeit, die deutsche Minderheit müsste mit ihren vorhandenen Rechten zufrieden sein und anstatt zu klagen zum Beispiel auf die Situation der Polen in Deutschland schauen. Kłosowski erwähnte in einem Radiointerview allerdings nicht, dass der Bund der Polen in Deutschland Mitglied der FUEV ist, jedoch nicht der Einladung zum Kongress gefolgt ist und sich somit nicht zur Resolution geäußert hatte. Auch den Brief von Staatspräsident Dudu, der die FUEV eindeutig lobt, hat Klosowski nicht erwähnt.

 

Führungswahl

 

Ganz besondere Emotionen in der FUEV selbst rief die Wahl des neuen Vorsitzenden und des Präsidiums hervor. Die Zusammensetzung der Kandidaten war ein echtes Festival von Gegensätzen. Der erfahrene Dieter Paul Küssner (Däne aus Deutschland) kandidierte dabei gegen den blutjungen Loránt Vincze (Ungar aus Rumänien): „Küssner wirkt menschlicher, Vincze ist ein Beamter, ernst und konkret“, sagte uns ein Beobachter des Kongresses. Zum neuen Chef wählten die Delegierten letztendlich Loránt Vincze, dessen beträchtliche Entfernung vom Hauptsitz der FUEV im deutschen Flensburg und geringere Erfahrung viele Unbekannte aufwirft, wie sich sein Vorsitz gestalten wird. Vincze selbst sagte nach der Wahl, er wolle in den kommenden Jahren vor allem „das Thema Minderheiten in der Europäischen Union auf den Tisch stellen und dazu führen, dass darüber gesprochen wird.” Die Zeit wird zeigen, ob er ein junger Visionär ist, der die FUEV auf eine höhere Ebene katapultiert, was viele sich von ihm erhoffen.

 

Łukasz Biły

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