Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Keine Frage der Größe

Immer ein Lächeln auf den Lippen – der Stadtpräsident von Stolp Robert Biedroń.
Immer ein Lächeln auf den Lippen – der Stadtpräsident von Stolp Robert Biedroń.

Schon seit Langem kursiert bei der deutschen Volksgruppe in Polen die Theorie, dass die polnische Toleranz an der Größe der deutschen Minderheit in der jeweiligen Region Polens zu messen ist. Demnach ist das Verständnis dort größer, wo die Deutschen weniger sind. Dadurch sind sie auch weniger fordernd und lösen weniger Emotionen aus – so die Theorie. Beim Anblick der Medienberichte müsste es stimmen, doch die Betroffenen selber sagen, es sei keine Frage der Größe.

 

“Ich bin stolz auf unsere Vielfalt. Wir dürfen nicht vergessen, dass Stolp jahrhundertelang ein Teil Deutschlands war”, sagte kürzlich der Stadtpräsident von Stolp Robert Biedroń. Eine Aussage, die in der polnischen Politik immer noch großen Mutes bedarf. Trotz 25 Jahre Demokratie halten sich deutsch-polnische Ressentiments immer noch stark in der Öffentlichkeit. Immer wieder lädt sich über der deutschen Minderheit in Polen das aus, was eigentlich mit deutsch-polnischen geschichtlichen Zusammenhängen zu tun hat.

 

Gegen diese Ressentiments wehrt sich Robert Biedroń nachdrücklich. Nicht zum ersten Mal hatte der 41-Jährige die deutsche Minderheit eine Bereicherung seiner Stadt genannt. Die Deutschen seien ein Beitrag dazu, dass Stolp bunt ist, so Biedroń. Mit Stolp hatte Biedroń wenig zu tun, deswegen war für viele Bewohner seine Kandidatur bei den Kommunalwahlen 2014 ein kurioses Experiment, doch jetzt gefällt ihnen die offene Art des liberalen Politikers: “Man spürt einen frischen Wind, seit er Präsident ist”, sagt das Mitglied der deutschen Minderheit in Stolp Agnieszka Rach-Tomaszewska. Wie die junge Aktivistin berichtet, sei Biedroń ein Präsident des Dialogs. Ein rotes Sofa ließ er beispielsweise vor dem Rathaus aufstellen und traf sich dort mit Bewohnern, um sich persönlich über ihre Probleme und Ideen zu unterhalten.

 

So offen – auch gegenüber der deutschen Minderheit – ist ein schlesischer Politiker nur selten. Immer wieder muss beispielsweise in der Oppelner Region die deutsche Minderheit um wichtige Angelegenheiten ringen. Dagegen ist im Norden Polens ein Robert Biedroń kein Einzelfall. In Danzig ehrte sogar der Bund der Danziger letztens Stadtpräsident Paweł Adamowicz für seinen Beitrag zur Akzeptanz der deutschen Vergangenheit im heutigen Gdańsk. Adamowicz zeichnet sich nicht nur durch eine gute Zusammenarbeit mit der deutschen Minderheit aus, sondern gibt öffentlichen Kommunikationsmitteln sogar Namen ehemaliger deutscher Bewohner von Danzig – hieß es in der Laudatio.

 

Doch woher kommt eigentlich die Offenheit der nördlichen Kommunalpolitiker? “Die haben doch ganz andere Probleme. Ein Adamowicz muss sich nicht mit zweisprachigen Ortsschildern oder Deutsch als Minderheitensprache in der Schule auseinandersetzen”, sagt ein Vertreter der Deutschen aus Schlesien. Des Öfteren hört man das Argument, dass die kleinere deutsche Minderheit im Norden Polens nicht so sehr ins Auge steche und deshalb besser behandelt werde. Für die Deutschen aus dem Norden selber ist es aber keine Frage der Größe. “Wir sind in Danzig viel mehr als man denkt. Wir haben Zahlen von Wissenschaftlern, die besagen, dass es sogar 20.000 Deutschstämmige in Danzig gibt. Es ist eher etwas, was man „den guten Geist des Ortes“ nennen kann. Am wichtigsten aber ist die individuelle Aufgeschlossenheit des jeweiligen Politikers”, meint der Chef der deutschen Minderheit in Danzig, Roland Hau.

 

Mit seinen Worten deckt Roland Hau wohl den wahren Grund der Toleranz im nördlichen Polen auf. Einen „guten Geist“ hat Schlesien allemal, deswegen bleibt für die Zukunft dieser Region auf mehr individuelle Aufgeschlossenheit zu hoffen.

 

Łukasz Biły

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