Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Die Sache mit dem Vergessen

Das Tor des Lagers Zgoda

Das Lager Zgoda – Tatort zweier Regime. Errichtet von den Nationalsozialisten, war es zuerst ein Außenlager von Auschwitz. Nach dem Einmarsch der Roten Armee im Januar 1945 wurde daraus ein Konzentrationslager für deutsche Oberschlesier. Seit 2005 findet jedes Jahr im Juni eine Gedenkfeier für die Opfer des Lagers statt, doch immer weniger Teilnehmer kommen. Es droht Vergessen.

 

Tot ist nur, wer vergessen ist, sagte der Philosoph Immanuel Kant. Doch die Sache mit dem Vergessen ist tückisch.Unmerklich legt sich mit der Zeit ein Schleier darüber und wird immer dichter. Dieses Schicksal könnte das Lager Zgoda ereilen. Zu der Gedenkfeier für die Opfer des Lagers Zgoda in Schwientochlowitz am 17. Juni waren nach Angaben des DFK Schlesien, dem Organisator, rund 100 Teilnehmer angereist. „Leider werden es immer weniger“, bedauert Eugeniusz Nagel vom DFK.

 

Warum ist das so? Er zuckt mit den Schultern. „Das dauert alles schon zu lange“, sagt er dann. Dauert zu lange? Also: Es ist lange her und so langsam interessiert es keinen mehr? Nagel zieht die Augenbrauen hoch, die Mundwinkel runter. Wieder Schulterzucken.

 

Zgoda ist Minderheitenthema

 

Seit Jahren organisiert Nagel die Gedenkfeier, die eigentlich alle Opfer des Lagers einschließt. „Ich persönlich mache das für die Opfer von 45“, sagt Nagel und blickt still auf das Massengrab mit dem Gedenkstein für die Zgoda-Opfer von 1945. Und hier beginnt das Problem: Solange die Deutsche Minderheit, der Organisator, dieses wichtige Thema für sich reklamiert, wird es in der polnischen Öffentlichkeit weitestgehend verhallen. Und weil die Deutsche Minderheit demografisch weiter schrumpft ist damit die Zukunft des Zgoda-Gedenkens ungewiss.

 

Vielleicht wäre es klug, in dieser Angelegenheit mit der Bewegung Autonomie Schlesiens (RAS) übereinzukommen, denn schließlich organisiert RAS jedes Jahr im Januar einen Gedenk-Marsch zum Lagertor. Auch die polnische Mehrheit kann man aktiver mit ins Boot holen. So und so scheint es ratsam, die Augen nach Partnern offen zu halten.

 

Gedenken für alle Opfer

 

Dabei sollte klar sein: Das Lager war Tatort zweier totalitärer Regime. Es ist von den Nationalsozialisten errichtet worden und war seit 1943 ein Außenlager von Auschwitz. Nach dem Einmarsch der Roten Armee im Januar 1945 wurde daraus ein Konzentrationslager für deutsche Oberschlesier, die für die Gräueltaten der Nazis büßen sollten.

 

Das einstige Lagertor ist im Jahr 2005 umgesetzt worden, an die Straße, wo es für jedermann sichtbar ist. Davor stehen Tafeln in deutscher, englischer und polnischer Sprache, die an die Opfer – und zwar an alle – erinnern. Pfarrer Franz Wilke aus Marve in Deutschland findet das vorbildlich. 2005 kam Pfarrer Wilke eigens aus Deutschland angereist, um die Messe zu halten. Für ihn Ehrensache, sein Vater war 1945 in Zgoda umgekommen. Nach langer Zeit war er auch in diesem Jahr wieder dabei und hielt die Messe gemeinsam mit Pfarrer Marcin Brzoska von der evangelischen Gemeinde in Schwientochlowitz. Versöhnung lautete ihre Botschaft.

 

Achtsamkeit

 

Als vorbildlich im Sinne der deutsch-polnischen Versöhnung konnte man auch die anschließende Kranzniederlegung am Lagertor bezeichnen. Neben der deutschen Konsulin in Oppeln, Sabine Haake, und dem Abgeordneten der Deutschen Minderheit, Ryszard Galla, traf man auch Politiker von polnischer Seite. Man war sich in den öffentlichen Ansprachen einig: Wir dürfen nicht vergessen. Damit die Opfer Frieden finden. Damit sich so etwas nicht wiederholt.

 

Das ist ein wichtiges positives Signal. Dennoch: Die Gedenkveranstaltung wird bisher immer kleiner und es gilt deshalb besondere Achtsamkeit vor dem Schleier des Vergessens.

 

Marie Baumgarten

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