Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Die Stadt sind wir

Diskussion mit v.l. Moderatorin Alicja Kulik (Polskie Radio Olsztyn), Jonas Büchel (urban institute, Riga), Weronika Czyżewska-Poncyljusz (Fundacja Pogranicze, Sejny)
Diskussion mit v.l. Moderatorin Alicja Kulik (Polskie Radio Olsztyn), Jonas Büchel (urban institute, Riga), Weronika Czyżewska-Poncyljusz (Fundacja Pogranicze, Sejny)

Unter dem Titel „Die Stadt sind wir“ hatte die Stiftung Borussia am 9. September zu einer Diskussionsveranstaltung eingeladen. Thema waren die gemeinsame Verantwortung von Einwohnern und Planern für den öffentlichen Raum.

 

Weronika Czyżewska-Poncyljusz von der Stiftung Pogranicze hat sich mit ihrer Organisation eines Hauses nahe der Stadt Sejny unweit der polnisch-weißrussischen Grenze angenommen. In dem Haus fanden Kunstprojekte statt, junge Menschen lebten im Sommer dort und renovierten das Gebäude. „Die Nachbarn waren anfangs skeptisch, aber da wir über Jahre immer wieder kamen, entwickelte sich Vertrauen zu uns“, schildert sie den Prozess der Annäherung. Der Faktor Zeit spiele bei solchen Projekten, aber auch in der Stadtplanung eine große Rolle, so Raumplaner Jonas Büchel, der seit Jahren in Lettlands Hauptstadt Riga lebt: „Man beginnt etwas, langsam kommen mehr Leute dazu und plötzlich kommt man an die entscheidenden Personen heran.“

 

In Riga hat er die Diskrepanz zwischen amtlicher Planung und den Bedürfnissen der Einwohner erlebt. Mit Kollegen stieß er daher ein Projekt an, das städtische Planer und einfache Menschen an einen Tisch brachte – und die Planer aus ihren Büros hinaus in die Stadt. Dass die Verbindung von Fachwissen und Engagement der Bürger Sinn macht, zeigte sich etwas später. Die aktive Kunstszene Rigas suchte bezahlbare Räume, gleichzeitig gab es einen immensen Leerstand an Wohnraum. Diesen Gegensatz lösten Künstler und freie Planer durch die Idee, diese Häuser zu „bespielen“. Diese Aufführungen waren dann eine wichtige Attraktion für Rigas Jahr als Kulturhauptstadt Europas 2014. „Aus der Verknüpfung von Kunst und sozialen Fragen entstand eine Bewegung, die unter dem Motto „Free Riga“ Tausende Menschen versammelt, die in der Stadt etwas bewegen wollen“, beschreibt Jonas Büchel die heutige Größenordnung.

 

Solche Zahlen darf man in Ermland und Masuren nicht erwarten. Dennoch gibt es Personen und Organisationen, die sich „von unten“ für ihren Wohnort einsetzen. Hier bieten sich Chancen für die deutsche Minderheit, Ideen einzubringen, die bei der Zukunftswerkstatt „Minderheit 2030“ entstehen. Deren Teilnehmer, die sich am 24. bis 25. September in Osterode (Ostróda) zum zweiten Mal treffen, hatten bei der ersten Veranstaltung eine starke Kooperation auf lokaler Ebene gefordert – denn darüber lässt sich auch ohne direkten politischen Einfluss einiges erreichen.

 

Text: Uwe Hahnkamp

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