Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Fluchterfahrungen in verschiedenen Jahrhunderten

 

Ende Februar eröffneten die Städtischen Musen Zittau (Żytawa) die deutsch-polnische Sonderausstellung „entKOMMEN“ zum Thema Vertreibung, Flucht und Ankunft. Fast 20 Jahre sind vergangen, seitdem sich die Stadt zuletzt mit der Nachkriegsgeschichte in einer Ausstellung befasste.

 

„entKOMMEN“ im Städtischen Museum Zittau

 

 

Das Projekt käme viel zu spät, bemängelte der Großteil der für die Ausstellung nach ihren Schicksalen befragten deutschen Zeitzeugen. „Es ist nun einfach biologisch so, dass die Generation, die diese furchtbaren Erfahrungen machen musste, in absehbarer Zeit endgültig verschwunden sein wird und wir die Menschen nicht mehr nach ihren Erfahrungen werden befragen können“, so Lars Dannenberg, der aus den Zeitzeugenberichten auch eine Publikation zusammenstellte, die jedoch, so der Wissenschaftler, kaum die Dramatik der Ereignisse wiedergeben könne.
Im Juni 1945 verloren etwa 24.000 Bewohner aus dem „Zittauer Zipfel“ östlich der Neiße ihre Heimat, indem dieses Gebiet mit dem Kriegsende polnisch wurde. Die dort ansässigen Menschen gingen in die nahen Ortschaften westlich der Neiße und blieben großenteils dort. Ihre Heimatorte wurden von ebenso vertriebenen Polen, oft gegen deren Willen, besiedelt. Nach 1991 kamen weitere Menschen, zunächst vom Balkan, später aus Tschetschenien, Afghanistan, Irak, Eritrea oder Syrien nach Zittau. All diese Schicksale, wie auch die der evangelischen Glaubensflüchtlinge aus Böhmen im 18. Jahrhundert, bringt die Schau „entKOMMEN“ zusammen.

 

 

Späte Geschichtsaufarbeitung

 

Und wer weiß, ob nicht das Thema Vertreibungen weitere Jahrzehnte geruht hätte, wenn nicht nach 2015 die Flüchtlinge und Migranten ins Land gekommen wären. Jens Hommel von der „Hillerschen Villa – Sozialkultur im Dreiländereck“, die zusammen mit den Städtischen Museen Zittau verantwortlich für die Schau „entKOMMEN” zeichnet, erklärte, dass es diesen konkreten Anlass tatsächlich gab: „Mit dem Anwachsen der Flüchtlingszahlen von 2015 begann in Deutschland eine große gesellschaftliche Debatte. Und obwohl die Flüchtlingszahlen viel geringer waren, als Anfang der 90er Jahre nach dem Bürgerkrieg in Jugoslawien, veränderte sich etwas atmosphärisch in der Gesellschaft. Sie erinnern sich an die Diskussionen, warum unter den Menschen, die selbst die Vertreibung erlebten, so wenige Empathie für die Flüchtlinge hatten und diese Ereignisse nicht eins zu eins übertragen wurden. Warum die Willkommensgesellschaft teilweise nicht funktioniert hat und teilweise nur ein frommer Wunsch geblieben ist. Das war ein Anlass für uns, dieses Thema aufzugreifen und in die Geschichte zu gehen, um zu versuchen, Bezüge herauszuarbeiten“, so Hommel.

Der Ausstellungskuratorin Annett Hellwig war es besonders wichtig, Flüchtlingsschicksale in Beziehung zu setzten, ohne sie gleichzusetzten: „In Zusammenhang damit steht die Hoffnung, dass, wenn man sich mit den vergangenen Vertreibungsschicksalen auseinandersetzt, unser Verständnis für heute geflüchtete Menschen steigt“. Hellwig war sich kaum bewusst, dass so viele Menschen im Dreiländereck eine persönliche Flucht- oder Vertreibungsgeschichte in der Familie haben: „Das hat mich überrascht. Mir war die Zahl von 25 bis 26 Prozent geläufig und für ein Viertel aller deutschen Bürger hat man angegeben, dass sie einen Vertreibungshintergrund in der Familiengeschichte haben. Im Dreiländereck sind es weit mehr Menschen. Es war sehr eindrücklich für mich, das zu erfahren“, so Hellwig.

 

 

 


Heutige Flüchtlinge kommen nicht mit Truhen oder Fotoalben, sie bewahren ihre Heimaterinnerungen digital auf ihren Handys auf.

 

Vertriebenenverband fehlt

An dem Projekt nehmen neben den beiden Hauptakteuren, den Städtischen Museen und der Hillerschen Villa außerdem das Gerhart Hauptmann-Theater Görlitz-Zittau, der Freiraum Zittau e.V (ein Verein zum Schutz und Erhalt ungenutzter Häuser), das Deutsche Rote Kreuz, das Christian-Weise-Gymnasium, die Volkshochschule Dreiländereck, das Museum Dittelsdorf, die Bruderschaft des Reichenauer Landes (Bractwo Ziemi Bogatyńskiej) und der Verband der Sibirer Reichenau (Koło Związku Sybiraków Bogatynia) teil. Einen Verein deutscher Vertriebener sucht man darunter vergebens.

 

 

Begleitveranstaltungen

 

Das Projekt wird durch Begleitveranstaltungen, wie z.B. eine Filmvorführung der polnischen Produktion „Schlesiens Wilder Westen“ oder die „Sentimentale Reise durch Reichenau“ am 9. Mai, organisiert von der Stadt und Gemeinde Reichenau, ergänzt. Der geplante Vortrag „Von Königshain zu Działoszyn – Die Geschichte eines oberlausitzischen Dorfes“ von Ryszard Zawadzki, einem Geschichtslehrer aus Reichenau (Bogatynia), der seit 10 Jahren Begegnungen zwischen heutigen und ehemaligen Königshainern organisiert.musste leider wegen der Corona-Epidemie abgesagt werden.

 

Klaudia Kandzia

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