Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Ich schätze mich glücklich Botschafter in Polen zu sein

Botschafter Rolf Nikel
Botschafter Rolf Nikel

Rolf Nikel ist seit zwei Jahren Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Polen. Die Funktion des höchsten deutschen Vertreters übt er gerade in einer Zeit aus, in der viele die deutsch-polnischen Beziehungen in einer Krise sehen. Łukasz Biły sprach mit ihm über seine Meinung zur Situation.

 

Herr Botschafter, Sie sind jetzt seit 2014 deutscher Botschafter in Polen und haben das Glück, gerade im Jubiläumsjahr des deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrags dieses Amt auszuüben. Wie bewerten sie diese Nachbarschaft heute im Vergleich auf den Stand vom Jahr 1991?

 

In den letzten 25 Jahren haben wir einen großen gemeinsamen Weg zurückgelegt. Heute besteht Nähe auf ganzer Bandbreite der Beziehungen und eine wahre Freundschaft. Sie sind Vorbild einer gelungenen Aussöhnung auch für andere Teile der Welt. Insofern schätze ich mich in der Tat glücklich, Botschafter Deutschlands in einem eng befreundeten Land zu sein. Ich denke an die sehr lebendigen Städtepartnerschaften, den kulturellen Austausch, an die für beide Seiten vorteilhafte wirtschaftliche Zusammenarbeit. Ein Juwel unserer Zusammenarbeit ist das deutsch-polnische Jugendwerk – das in diesem Jahr ebenfalls sein 25jähriges Bestehen feiert. Jedes Jahr nehmen über 100.000 Jugendliche aus beiden Ländern an den schulischen und außerschulischen Programmen des Jugendwerks teil. Seit Beginn 1991 über 2,5 Millionen Jugendliche in beide Richtungen. Dies alles ist längst im positivsten Sinne Alltag und Normalität. Es ist im wahrsten Sinne des Wortes ein Schatz, den wir hüten und pflegen müssen.

 

Einige Menschen meinen, die deutsch-polnischen Beziehungen erleben im Moment eine Abkühlung. Wie sehen Sie diese These, auch als jemand, der in Warschau lebt, also der neuen Regierung sehr nahe ist?

 

Sie erwähnten bereits das Jubiläumsjahr, welches wir gemeinsam in Polen und Deutschland begehen. Im Rahmen dieses Jubiläumsjahres hat es Treffen der Staatspräsidenten, deutsch-polnische Regierungskonsultationen und unzählige Treffen auf Ministerebene gegeben. Die Besuchsfrequenz zwischen der neuen polnischen Regierung und der Bundesregierung, aber auch zwischen den Parlamenten ist sehr dicht. Dies zeigt: Wir arbeiten eng und vertrauensvoll mit der polnischen Regierung zusammen und wollen dies auch in Zukunft fortsetzen. Natürlich gibt es bei aller Nähe auch Punkte, wo wir nicht immer einer Meinung sind. Aber gerade weil die deutsch-polnischen Beziehungen so gut sind, können wir uns in aller Freundschaft auch ausgiebig zu den Streitthemen austauschen und gemeinsame Lösungen suchen.

 

Klar ist, dass der deutsch-polnische Nachbarschaftsvertrag ein ganz besonderes Dokument ist, welches viele Dinge regelt. Haben Sie eigentlich einen „Lieblingspunkt“, etwas das in Ihren Augen ganz besonders wichtig ist?

 

Der Nachbarschaftsvertrag ist ein Kompass für die Entwicklung der Beziehungen in allen Bereichen. Natürlich sind die Artikel 20 und 21, die die Rechte der Deutschen Minderheit und der Bürger polnischer Herkunft in Deutschland festlegen, besonders wichtig. Die deutsche Minderheit in Polen ist eine Brücke im deutsch-polnischen Verhältnis und das gleich in mehrfachem Sinne – zwischen der Minderheit- und Mehrheitsgesellschaft, zwischen Deutschen und Polen, aber auch innerhalb der nationalen Minderheiten in Polen. Deutschland unterstützt die deutsche Minderheit und setzt sich für den Erhalt ihrer sprachlichen und kulturellen Identität ein. Auch das deutsch-polnische Jugendwerk, dessen Verdienste für die deutsch-polnische Verständigung ich bereits erwähnte, gehört in diese Kategorie der besonders wichtigen Artikel des Nachbarschaftsvertrags.

 

Was sind Ihrer Meinung nach die größten Herausforderungen für die deutsch-polnische Zusammenarbeit in den nächsten Jahren?

 

Wir leben in einer Zeit mehrfacher Umbrüche und enormer Herausforderungen. Deutschland und Polen sind dazu aufgerufen, Gestaltungsmächte in und für Europa zu sein. Im Verbund mit Frankreich könne beide viel bewegen – zum Vorteil Europas, aber auch seiner Nachbarn. Der deutsch-polnische Dialog ist schon lange nicht mehr auf bilaterale Fragen beschränkt. Polen ist für uns mehr als ein guter Nachbar. Warschau ist ein wichtiger Partner in der EU. Wir arbeiten gemeinsam an der Lösung europäischer Herausforderungen. Gemeinsam suchen wir nach Antworten für das Europa des 21. Jahrhunderts. Wir sprechen intensiv über die Zukunft unseres Kontinents, die Migrationskrise, den Ukraine-Konflikt, die Russland-Politik, über die Bekämpfung des islamistischen Terrorismus und den Syrien-Konflikt.

 

Nicht nur der Vertrag wird 25 Jahre alt, sondern auch der Verband der deutschen Gesellschaften. Wie wichtig ist Ihrer Meinung nach ein solcher Dachverband für die deutsche Minderheit?

 

Ich freue mich, dass ich nach Oppeln kommen konnte, um das 25-jährige Bestehen des Verbands der deutschen Gesellschaften mitzufeiern. Der VdG hat allen Grund, stolz zu sein auf sich, seine Mitglieder und das, was sie gemeinsam geleistet haben. Der Dachverband vereint Mitglieder verschiedener Gruppen, bündelt ihre Interessen und verschafft ihnen somit besser Gehör.

 

Wie gefällt Ihnen Polen nach diesen zwei Jahren? Was mögen sie an diesem Land am meisten?

 

Meine Frau und ich fühlen uns sehr wohl in Polen. Wir sind sehr freundlich aufgenommen worden, und wir sind begeistert von diesem Land und seinen Menschen. Es ist beeindruckend zu sehen, wie rasant und dynamisch Polen sich entwickelt. Am meisten mag ich aber die Herzlichkeit und Wärme der Menschen, die mir begegnet. Dies ist, gerade als deutscher Botschafter, nicht selbstverständlich. Und unwiderstehlich sind die polnische Küche und die polnischen Kuchen.

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