Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Lachen oder weinen

Der Weg über die Oder ist nicht immer einfach, wenn man sich für den Zug entscheidet. Manchmal überaus beschwerlich. Manchmal abenteuerlich. Manchmal aber auch unterhaltsam amüsant.

 

Foto: Marie Baumgarten

 

Es hat sich in dem Nacht-Express zugetragen, der von Berlin nach Przemysl und Wien rollt. Gebucht war ein Bett im Dreier-Schlafwaggon. Eigentlich wollte ich einen Sitzplatz haben, doch die freundliche Deutsche-Bahn-Dame, die mir das Ticket verkauft hat, beharrte darauf, dass es gar keine Sitzplätze gebe. Komisch, dachte ich, denn als ich beim letzten Mal den umgekehrten Weg gefahren bin, habe ich am Oppelner Ticket-Schalter ausschließlich einen Sitzplatz buchen können. Wer erst morgens in den Zug steigt, habe auf einen Liege- oder gar Schlafplatz keinen Anspruch, hieß es. Dass der Zug in Oppeln morgens um 04.30 Uhr abfuhr und ich mich um diese Uhrzeit durchaus sehr gern noch eine Runde schlafen gelegt hätte, änderte daran nichts.

 

 

Wie dem auch sei: Das Schicksal schien mir hold zu sein, es ist niemand weiter zugestiegen und ich hatte das Abteil für mich allein. Ich entschied, dass ein Film mir die fünf Stunden lange Fahrt verkürzen sollte. Mit dem Filmerlebnis war ich zufrieden – und dankbar für die willkommene Unterhaltung. Dass meine Reise mit einem Noteinsatz des Breslauer Schlüsseldienstes enden würde, davon hatte ich zu diesem Zeitpunkt noch keine Ahnung.

 

 

Wir sind schon gut drei Stunden gefahren, als ich mir die Beine ein wenig vertreten will. Doch ich bekomme die Tür nicht auf. Ich drücke die Klinke immer wieder nach unten, stemme mich gegen die Tür. Keinen Millimeter bewegt sie sich. Ich schaue zum Fenster – es lässt sich nicht öffnen, blödes neumodisches Bau-Konzept. Ich bin eingesperrt. Das Horror-Szenario eines jeden Klaustrophobie-Geplagten. Nie wieder fahre ich Zug. Nie wieder schließe ich eine Tür. Ob ich das Fenster mit dem Hammer, der für Notfälle gedacht ist, einschlage?

 

 

„Machen Sie sich keine Sorgen. Wenn wir in Breslau sind, kommt ein Profi und holt Sie hier raus“, sagte mir der Schaffner und redete mir noch ein wenig gut zu, dass doch alles nicht so schlimm sei. Leicht gesagt, wenn man auf der anderen Seite steht.

 

 

Bis in die niederschlesische Hauptstadt sind es 45 Minuten. Ich denke an eine meine letzten Zug-Reisen nach Polen. Stillstand an der Grenze Frankfurt/Oder für eineinhalb Stunden. Der polnische Schaffner ist nicht gekommen. Er steht im Stau.

 

Und auf einmal kommen die Menschen miteinander ins Gespräch – denn nichts ist so schön, wie sich gemeinsam über etwas zu echauffieren. Und wenn man schon mal dabei ist, lässt man am besten auch gleich heraus, was man vom deutschen Nachbarn hält. „Die Deutschen haben überhaupt keinen Humor.“ Ach so. Es ist spät, ich will nach Hause. Ich fahre nie wieder Zug! Ich fahre nie mehr nach Polen!

 

 

Zurück zum Nacht-Express. Ich bin noch immer eingeschlossen. Doch endlich erreichen wir Breslau. Der Schlüsseldienst ist schon informiert und steht zum Einsatz bereit. Mit einfachen Griffen ist es nicht getan, hier hilft nur Gewalt. Und endlich bin ich befreit. Mein Erretter ist sichtlich überrascht, als ich ihm um den Hals falle.

 

Wir fahren weiter und kommen mit kleiner Verspätung in Oppeln an. Ich bin zu Hause! Der von schlechtem Gewissen geplagte Schaffner ist mir beim Aussteigen behilflich. Ich ziehe meine sechs Gepäckstücke langsam hinter mir her und blicke dabei in die Zugwaggons mit den fast leeren Sitzplatz-Abteilen.

 

 

Über Situationen, die wir als dramatisch empfinden, können wir manchmal sogar lachen, sobald sie vorbei sind. Ich kann immerhin meine letzte Reise von Berlin nach Oppeln als nette Anekdote unter die Menschen bringen.

 

Marie Baumgarten

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