Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Sensationelles Wagnis

Kloster Neuzelle: Blick in Richtung Altar
Foto: Wikipedia

1817 wurde das Kloster Neuzelle säkularisiert und das Klosterleben erlosch, doch nun nach knapp 200 Jahren Abwesenheit, kehren die Mönche in das ehemalige Zisterzienserkloster Neuzelle zurück, das heute zum schlesischen Bistum Görlitz gehört.

 

„Ich freue mich, dass Neuzelle nach 199 Jahren wieder Heimat für eine geistliche Gemeinschaft von Zisterziensern sein wird“, sagte der Görlitzer Bischof Wolfgang Ipolt in seiner Reaktion auf die positive Entscheidung der Mönche vom Stift Heiligenkreuz bei Wien, die bei ihrem Konvent am 10. November 2016 entschieden, eine Wiederbesiedlung des Klosters Neuzelle zu wagen. Bischof Ipolt sprach von einem „Zeichen des Aufbruchs für unser Bistum Görlitz und für die ganze Region“.

 

Einladung des Bischofs

 

Der Görlitzer Bischof Wolfgang Ipolt lud die Zisterzienser der österreichischen Abtei Stift Heiligenkreuz im Wienerwald ein, das Kloster neu zu besiedeln. Vier Mönche seien im Sommer 2016 bereits als „Pioniere“ angereist, um eine mögliche Neugründung zu prüfen. So seien anfangs Fragen zu klären gewesen, wo die Mönche leben, beten und Seelsorge anbieten könnten. Das Bistum Görlitz zeigte sich aber von Anfang an sehr zuversichtlich: „Details stehen noch nicht fest, aber Vorfreude und auch Hoffnung dürfen beide Seiten haben“, hieß es seitens des Bistums nach den ersten Gesprächen mit den angereisten Mönchen. Auch Kontakte zwischen der Kirche und Brandenburgs Kulturministerin Martina Münch (SPD) über die Ansiedlung eines Konvents habe es bereits im Vorfeld gegeben und sie seien positiv verlaufen, berichtete die „Märkische Oderzeitung“.

 

Wechselvolle Geschichte des Klosters

 

Das Kloster Neuzelle aus dem 13. Jahrhundert mit der Stiftskirche St. Marien liegt südlich von Eisenhüttenstadt im östlichen Brandenburg und sei das nördlichste Beispiel des süddeutschen und böhmischen Barocks in Europa, so der Kunsthistoriker und Denkmalpfleger Arne Franke (Berlin). Mit seinen Gartenanlagen zeichnet es sich, für diese Region untypisch, durch eine prächtige barocke Gestaltung aus. Die in großen Teilen erhaltene barocke Klosteranlage wurde seit 1993 saniert. Der Klostergarten und die Orangerie wurden 2004 wiedereröffnet. Bekannt ist das Kloster Neuzelle heute vor allem für die Neuzeller Passionsdarstellungen vom Heiligen Grab aus dem 18. Jahrhundert: 1751 bis 1753 schuf der aus Böhmen stammende Künstler Joseph Felix Seifrit im Auftrag von Abt Gabriel ein Ensemble von lebensgroßen, bemalten Holzskulpturen, die in 15 Szenen, verteilt auf fünf Bühnenbilder, die Passion, das Sterben und die Auferstehung Jesu darstellen. Bis zur Säkularisation wurden sie während der Passionszeit in der Klosterkirche aufgestellt, danach waren sie eingelagert. 1997 wurden auf dem Dachboden der Klosterkirche 229 der ursprünglich 242 Teile „wiederentdeckt“ und von 2011 bis 2014 im Brandenburgischen Landesamt für Denkmalpflege in Wünsdorf restauriert. Der theatralisch-dramatisch gestaltete Neuzeller Passionszyklus mit seiner Vielgestalt und der künstlerischen Qualität des Ensembles gilt in Europa als einzigartig, so Landeskonservator Thomas Drachenberg.

 

Nach der Auflösung des Klosters 1817 wurde die Kirche als katholische Pfarrkirche genutzt. Seit 1946 ist sie Wallfahrtskirche für das Bistum Görlitz und alljährlich Ziel von Bistumswallfahrten mit mehreren Tausend Teilnehmern. Die ebenfalls auf dem Gelände befindliche Pfarrkirche zum Heiligen Kreuz ist seit 1817 evangelisch. 2018 wird das Kloster Neuzelle seinen 750. Geburtstag feiern – mit Zisterziensern als Gastgebern.

 

Vom Barockwunder zum geistlichen Ort

 

Die Klosteranlage in Neuzelle ist bei vielen unter „Barockwunder Brandenburgs“ bekannt. Dieses repräsentative Ensemble mit den beiden Barockkirchen, dem angrenzenden Klostergarten, dem spätgotischen Kreuzgang und auch mit den wertvollen Kunstschätzen zeichnet Neuzelle zu den größten Barock- und Kunstdenkmalen Ost- und Norddeutschlands aus. Doch was bei dieser Pracht fast völlig untergeht, ist die Geschichte von Neuzelle. Zuerst war nicht das „Barockwunder“, sondern ein Zisterzienserkloster, das 1268 durch Markgrafen Heinrich dem Erlauchten (aus dem Hause Wettin) gegründet wurde.

 

Die Hussitenkriege, die Reformation und den Dreißigjährigen Krieg überstand das Kloster, wenn auch schmerzhaft. Doch 1817 konnten sich die Zisterzienser nicht mehr in Neuzelle halten. Das Kloster wurde durch König Friedrich Wilhelm III. säkularisiert und der Besitz ging an die staatlich verwaltete Stiftung Neuzelle über. Für die katholische Kirche Mittel- und Ostdeutchlands hatte Neuzelle als Sitz des Priesterseminars Bernadinum von 1948 bis 1993 erneut Bedeutung.

 

Neuzelle liegt heute in der tiefsten Diaspora. Auf einen Quadratkilometer fallen nicht einmal drei Katholiken. Die Pfarrei Neuzelle ist mit ihren rund 450 Katholiken die zahlenmäßig kleinste Pfarrei im Bistum Görlitz – dem kleinsten Bistum Deutschlands.

 

Vater des Erfolgs

 

Die sensationelle Meldung über die Neuansiedlung der Mönche im Kloster Neuzelle konnte bereits am Rande der Schlesierwallfahrt in Bochum-Stiepel Pater Markus Gebhard Stark OCist bestätigen, der nach fünfjähriger Tätigkeit in Bochum-Stiepel das Ruhrgebiet verließ und ab dem 1. Oktober Provisor von St. Lorenzen am Steinfeld (Erzdiözese Wien) ist. Pater Stark, der aus Bludenz im Westen Österreichs stammt, erklärt auch warum es kein Zufall ist, dass es ausgerechnet die Zisterzienserabtei Stift Heiligenkreuz ist, die diese spektakuläre Wiedergründung ermöglichte: „Ich habe in Bregenz in der Zisterzienserabtei Wettingen – Mehrerau in verschiedenen Bereichen 20 Jahre gearbeitet. Ich bin danach in die Abtei Stift Heiligenkreuz gewechselt: Dort habe ich meine späte Berufung zum Priesteramt gefunden und habe dort auch studiert – damals waren wir 50 Theologiestudenten im Stift Heiligenkreuz – heute ist diese Hochschule eine Hochschule Päpstlichen Rechtes und hat über 300 Studenten. Früher haben vor allem die Wiener Studenten und Hochschulen auf uns herunter geschaut – heute schaut man auf Heiligenkreuz hinauf! Heiligenkreuz ist die größte Priesterausbildungsstätte im deutschen Sprachraum geworden. Heiligenkreuz hat auch den meisten Nachwuchs von allen europäischen Klöstern. Zu verdanken ist diese imposante Entwicklung in erster Linie Abt Gregor Henckel-Donnersmarck, der seit 1999 Rektor der Philosophisch-Theologischen Hochschule Heiligenkreuz und seit deren Erhebung zur Päpstlichen Hochschule 2007 deren Großkanzler war.“

 

Gregor Henckel-Donnersmarck OCist wurde 1943 in Breslau als Ulrich Maria Karl Graf Henckel von Donnersmarck geboren. Am 3. März 2007 verlieh Papst Benedikt XVI. Abt Gregor – unter Bezug auf dessen Amt als Großkanzler einer Päpstlichen Hochschule – das Recht, einen violetten Pileolus (Käppchen) zu tragen, der Bischöfen und besonderen Prälaten vorbehalten ist. Am 25. August 2011 traute er in der Potsdamer Friedenskirche im Rahmen einer ökumenischen Hochzeit den Chef des Hauses Preußen, Georg Friedrich, und Sophie von Isenburg.

 

Johannes Rasim

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