Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Warschau: Überraschungen zum Wahlkampfauftakt

Eine der letzten Amtshandlungen von Präsident Bronisław Komorowski war die Bekanntgabe des Termins für die Parlamentswahlen im Herbst. Und er hat sich für das spätmöglichste Datum entschieden – den 25. Oktober. Damit hat Polen einen sehr langen Wahlkampf vor sich, der schon zu Beginn einige Überraschungen parat hat.

 

Rudolf Urban

 

Die zwei größten Parteien haben schon längst mit dem Wählerfang begonnen: Beata Szydło von der Partei Recht und Gerechtigkeit fährt im Land mit einem eigenen Werbebus herum und die amtierende Premierministerin Ewa Kopacz (Bürgerplattform) wählt als Fortbewegungsmittel die polnische Bahn. Nun geht es aber auch für die anderen politischen Gruppierungen los. Dabei kann es gut sein, dass der späte Wahltermin, der von vielen kritisiert und als Geschenk für die noch regierende Partei angesehen wird, für eine Bewegung den schnellen politischen Tod bedeuten kann – die Gruppierung um den Rockmusiker Paweł Kukiz.

 

Vorwurf: Ideale verraten

 

Und das ist die erste Überraschung. Denn noch bei der Präsidentschaftswahl entpuppte sich Kukiz als starker dritter Kandidat, doch nun laufen ihm die potenziellen Wähler weg. Seine einstigen Mitarbeiter werfen ihm vor, er habe die Ideale der Bewegung verraten, Kukiz seinerseits schlägt bei den sozialen Netzwerken zurück und schreibt, er wolle keine Leute ins Parlament schicken, die an der jetzigen Politik festhalten. Zur Erinnerung: Kukiz´ Hauptthema war die Einführung der Einmandatswahlkreise, über die nun die Polen im September bei einem Referendum entscheiden werden. Sollte die Mehrheit dafür stimmen und das Referendum rechtskräftig sein, ist das Hauptthema von Kukiz und seiner Partei dahin, denn dann wird sich das Parlament ohnehin mit den Wahlkreisen beschäftigen müssen. Kein Wunder also, dass einige sogar vorhersagen, die Kukiz-Bewegung werde keine 10 Prozent der Stimmen bei den Wahlen erhalten, obwohl sie vor kurzem noch als zweitstärkste Kraft galt.

 

Komorowski zieht sich zurück

 

Die zweite Überraschung ist Bronisław Komorowskis eindeutiges Statement zu seiner politischen Zukunft. Nicht wenige glaubten, er würde für den Senat kandidieren, um so zumindest ein wenig der Bürgerplattform – seiner ehemaligen Partei – zu helfen. Doch er selbst bleibt der Tradition der polnischen Präsidenten treu: Komorowski tritt aus dem politischen Rampenlicht zurück und gründet ein Institut seines Namens, das sich vorwiegend mit polnisch-ukrainischen Themen befassen wird. Gleichzeitig sagte er, er wolle der Bürgerplattform aktiv helfen, doch weiß wohl bis heute keiner so genau, wie man Komorowski nun als „emeritierten“ Präsidenten in den Wahlkampf einbringen soll.

 

Sikorskis Kontakte

 

Die dritte Überraschung kam von Radosław Sikorski, dem ehemaligen Sejmmarschall und Außenminister. Noch vor wenigen Wochen erklärte er ganz offiziell, er werde die Nummer eins auf der Parteiliste der Bürgerplattform in Bromberg (Bydgoszcz) sein, was einige seiner Parteikollegen und die Premierministerin als vorschnelle Deklaration abhackten. Es ist Sikorski wohl in den darauffolgenden Wochen nicht gelungen, die Partei von seiner Bedeutung zu überzeugen und so zog er die Notbremse: Sikorski schrieb bei Twitter, er werde gar nicht bei den Parlamentswahlen antreten. Eine Entscheidung, die für die Bürgerplattform verheerend sein könnte, denn bei allen Fettnäpfchen, in die Radek Sikorski getreten war, ist er gleichzeitig derjenige polnische Politiker mit den breitesten Auslandskontakten. Nun wird er aller Wahrscheinlichkeit nach bei einer amerikanischen Denkfabrik seine Talente für gutes Geld einsetzen, wie das Boulevardblatt Fakt meldet.

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