Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Wir waren die Allerersten

 

 

Die Sozialkulturelle Gesellschaft der deutschen Minderheit in Ermland und Masuren mit Sitz in Bischofsburg feiert in diesem Jahr ihr 30-jähriges Bestehen. Der Anfang des ältesten deutschen Vereins in der Woiwodschaft Ermland-Masuren liegt noch ein weiteres Jahr zurück. Uwe Hahnkamp sprach mit dem Mitbegründer und derzeitigen Vorsitzenden Georg Taube.

 

So war es vor 5 Jahren: Feier zum 25-jährigen Bestehens der deutschen Minderheit in Bischofsburg, Gottesdienst

 

 

Wann und wie entstand die Gesellschaft der deutschen Minderheit in Bischofsburg?

Am Anfang standen drei sture Ostpreußen (er lacht) – Paul Gollan, Heinrich Pompetzki und ich. Paul Gollan kam auf mich zu, wir wollten Unterschriften für die Gründung eines Vereins der deutschen Minderheit sammeln. Das war 1989, also noch vor dem deutsch-polnischen Nachbarschaftsvertrag, der sich damals abzeichnete. Ich übernahm die Gegend hier nordöstlich von Bischofsburg/ Biskupiec – also den kleinen Ort Dieborn, wo ich selber lebe, und die Dörfer in der Nähe. Wir haben die Listen herumgehen lassen wie beim Schneeballprinzip, jeder kannte jemand anderen und der wiederum jemand anderen, der deutsche Wurzeln hatte, und so kamen über 1.300 Unterschriften zusammen. Im April 1989 gab es eine Gründungsversammlung – damit waren wir die Allerersten in der Region – und im Herbst 1990 die erste Gesellschaftsversammlung. Registriert wurden wir dann am 20. November 1990.

 

 

Wie hat sich denn die Mitgliederzahl entwickelt – 1.300 sind ja sehr viel?

Wie der Teil unsers Namens „in Ermland und Masuren“ schon zeigt, war der Verein für eine größere Region gedacht. Aus organisatorischen Gründen, wie der Zugehörigkeit zu den Landkreisen oder der Entfernung zu Bischofsburg, gründeten sich eigene Vereine wie etwa in Sensburg oder Rößel, sodass wir die meiste Zeit unseres Bestehens etwa 300 Mitglieder hatten. Inzwischen ist die Zahl deutlich gesunken, vor allem die ältere Generation wird weniger. Zuletzt starb vor zwei Monaten Paul Gollans Frau Brigitte, das war ein schwerer Verlust. Zu unseren wöchentlichen Treffen kommen noch 15-20 Menschen regelmäßig.

 

Welche Projekte hat die Gesellschaft im Lauf der Zeit organisiert?

Ein sehr wichtiger Schwerpunkt bei uns war von Anfang an die soziale Unterstützung unserer Mitglieder, aber auch der polnischen Nachbarn, denn wir leben hier in einer ländlichen Region mit schwacher Infrastruktur. Wir sind im Verband deutschsprachiger Landwirte und beim Landfrauenverband aktiv, wobei ich hier besonders Paul Gollans Tochter Teresa nennen will, die auch schon unseren Verein geleitet hat. Mit unserer Unterstützung entstand die Lazarus-Sozialstation in Bischofsburg, es konnten auch Hilfstransporte von früheren Einwohnern des Landkreises durchgeführt werden. Größere kulturelle Veranstaltungen sind dagegen bei uns schlecht möglich, in der Stadt Bischofsburg fehlen passende Orte dafür.

 

 

Keine großen kulturellen Veranstaltungen – wie sieht es aber mit kleineren Aktivitäten wie Unterricht in deutscher Sprache, Chor, Tanzgruppe oder ähnlichem aus?

Wir, das heißt unsere Senioren, trafen und treffen uns wöchentlich zu Kaffee und Kuchen. Aus dem gemeinsamen Deutsch Sprechen und Singen bei diesen Treffen entstanden zwei Projekte. In den Räumen der Gesellschaft gab es lange Jahre regelmäßig Deutschunterricht mit Lehrern aus Deutschland. Das hat inzwischen auf die Schulen der Region ausgestrahlt, in Wengoyen, Bredinken und Borken lernen Grundschüler Deutsch als Minderheitensprache, und die Schüler aus Wengoyen sind beim Gesangswettbewerb in Osterode oft sehr erfolgreich. Das zweite war der „Bischofsburger Singkreis“, eine Gesangsgruppe, die von Otylia Kruczyńska mit ihrem Akkordeon geleitet wurde und bis vor fünf Jahren häufig bei Sommerfesten und ähnlichen Veranstaltungen teilnahm. Es gab auch eine Jugendgruppe, die aber leider ebenfalls nicht mehr existiert.

Wichtig für unseren Zusammenhalt sind die katholischen Messen in deutscher Sprache, einmal im Monat mit Domherr André Schmeier und andere Angebote wie die Wallfahrt der Ermländer nach Werl. Wir sind hier am südöstlichen Ende des katholischen Ermlands stark vom Glauben geprägt und freuen uns, dass wir ihn auf Deutsch leben können.

 

 

Was haben denn die Änderungen 1990 und die Vereinsgründung für Sie gebracht?

Es tut gut, wieder Deutsch sprechen zu können, sich zu versammeln, gemeinsam zu singen, ein gesellschaftliches Leben auf Deutsch zu führen und auch, wie gesagt, Messen in unserer Sprache zu feiern. Gerade am Anfang war es wichtig, ohne Visum zu Verwandten in Deutschland fahren zu können und Kontakt in den Westen zu halten. Das haben wir für uns persönlich genutzt, keine Frage, aber auch immer für uns als Gruppe, als Verein und für die soziale Arbeit hier vor Ort. Der Kontakt zur Stadt Bischofsburg war für uns immer sehr wichtig, und als Gesellschaft der deutschen Minderheit waren und sind wir sichtbar im lokalen Leben. Als Einzelpersonen vor 1990 nicht.

 

Georg Taube bei einem Seminar in Sensburg (Ausschnitt)

 

Wie sieht die Zukunft der Gesellschaft aus? Wie feiern Sie das Jubiläum?

Das 30. Jubiläum wollten wir im Grunde nicht besonders feierlich begehen – uns fehlen die Menschen zum Organisieren wie noch vor fünf Jahren, als das 25-jährige Bestehen groß bei mir auf dem Hof gefeiert wurde. Abgesehen davon wissen wir ja immer noch nicht, wie es mit Corona weitergeht. Junge Menschen haben wir kaum bei uns, die gehen in andere Orte weg, obwohl wir seit kurzem dank eines österreichischen Investors viele neue Arbeitsplätze in der Holzverarbeitung in Bischofsburg haben. Ich will bei der nächsten Wahl Anfang 2021 nicht mehr antreten. Hoffentlich übernimmt dann jemand von mir das Amt des Vorsitzenden, damit es weitergeht.

 

 

Text und Fotos: Uwe Hahnkamp

 

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