Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Wolfgang Thierse spricht über seine Heimat Breslau

Der ehemalige Bundestagspräsident Wolfgang Thierse war am 4. Oktober in Breslau Gast einer Veranstaltung zum Thema „Herkunft Breslau“ – organisiert von der dortigen Deutschen Sozialkulturellen Gesellschaft. Thierse sprach über seine Beziehung zur Stadt Breslau – seiner Heimat.

 

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Der Name Wolfgang Thierse hat in Deutschland Gewicht, denn sieben Jahre lang, von 1998 bis 2005, war Thierse Präsident des Deutschen Bundestages und hatte damit das zweithöchste Staatsamt inne. Der SPD-Politiker war gestern auf Einladung der Deutschen Sozialkulturellen Gesellschaft Breslau in die Niederschlesische Hauptstadt gekommen, um über seine Herkunft zu sprechen. Denn die liegt in Breslau, wo er 1943 zur Welt kam:

 

 

„Ich bin aufgewachsen mit den Erzählungen meiner Eltern über Breslau. Und bevor ich das erste Mal in meinem Erwachsenenleben in Breslau war, kannte ich schon alles aus den Erzählungen. Ich verdanke meinen Eltern auch, dass diese Erinnerung nie verbunden war mit Revanchismus. Es war eine wirkliche Trauer um den Verlust einer so schönen Heimat.“

 

 

Nach der Flucht 1945 lebte Wolfgnag Thierse mit der Familie in der DDR, in Thüringen. Dort hatte er es als Flüchtling nicht leicht.

 

 

„In der DDR durfte man nicht Trauer pflegen um den Verlust der Heimat. Das wurde verdrängt. Außerdem wurde man nicht willkommen geheißen. Das war eine fremde Heimat. Die sprachen zwar alle deutsch, aber es waren trotzdem Fremde. Und die Integration dieser Flüchtlinge war ein Prozess von 20 Jahren.“

 

 

Diese Erfahrungen haben Thierse geprägt. Er appelliert deshalb in der Flüchtlingsdebatte für mehr Verständnis und Zuversicht:

 

 

„Der Erfolg der BRD hat auch mit der Integration der vielen Millionen Vertriebenen und Flüchtlinge zu tun. Daran muss man erinnern, wenn wir diesen Kraftakt wieder leisten, auch wenn es mit Schmerzen und Konflikten verbunden sein wird. Aber wenn wir das bewältigen, kann es wieder zu einer Erfolgsgeschichte kommen.“

 

 

Thierse ist zwar seit Langem in der Bundesrepublik zu Hause, sein Herz schlägte aber weiterhin für Breslau, sagt er. Das Gespräch mit Wolfang Thierse war eines von zwei Gesprächen, das die Deutsche Sozialkulturellen Gesellschaft Breslau zum Thema Vertreibung geplant hat. Im Frühjahr 2017 soll es um diejenigen Flüchtlinge gehen, die aus den Gebieten um Lemberg nach Breslau gekommen sind und sich dort als Fremde integrieren mussten, so wie Wolfgang Thierse in der DDR. Als Gast wird der aus Lemberg stammende Schriftsteller Adam Zagajewski erwartet.

 

Marie Baumgarten

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