Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Politische Konflikte als Bedrohung

Mit einem starken Anstieg der Exporte und Importe um fast 20 Prozent erreichte der deutsche Handel mit Mittel- und Osteuropa im Jahr 2021 einen neuen Rekord. Zum ersten Mal überstieg der Gesamtumsatz eine halbe Billion Euro: „Deutsche Unternehmen und ihre Partner in der Region leisten angesichts der anhaltenden Pandemieeinschränkungen eine großartige Arbeit“, sagt Oliver Hermes, Vorsitzender des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft.

„Wir alle profitieren von einem dichten Netz von Geschäfts- und Lieferbeziehungen mit unseren osteuropäischen Nachbarn, aber auch mit wichtigen Partnerländern wie Russland, der Ukraine und Kasachstan. Es ist völlig unverantwortlich, dass die Früchte dieser Arbeit jetzt wieder durch unüberlegte politische Auseinandersetzungen gefährdet werden“, sagte Oliver Hermes und fügte hinzu: „Statt militärische Aktionen und protektionistische Maßnahmen zu planen, brauchen wir neue Perspektiven, um unsere Zusammenarbeit zu intensivieren.“

Der Handel im Osten boomt

Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes, die vom Ost-Ausschuss ausgewertet wurden, exportierten deutsche Unternehmen im Jahr 2021 Waren im Wert von insgesamt 254 Milliarden Euro in 29 Länder der Region Mittel- und Osteuropa, was einem Anstieg von 18,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht. Gleichzeitig wurden Waren im Wert von 248 Milliarden Euro importiert (plus 19,1 Prozent). Damit erreichte der deutsche Handel mit diesen Ländern im Jahr 2021 erstmals einen Gesamtwert von 502 Milliarden Euro. Das waren 80 Milliarden Euro mehr als 2020 und immer noch 40 Milliarden Euro mehr als im bisherigen Rekordjahr 2019 vor der Corona-Krise. Der Osthandel entwickelte sich also dynamischer als der deutsche Außenhandel insgesamt und steigerte seinen Anteil von 19 auf 19,5 Prozent im Jahr 2021. Deutsche Unternehmen haben in 29 Ländern der Region über 145 Milliarden Euro investiert und dort rund zwei Millionen Arbeitsplätze geschaffen. Diese Investitionen sichern wiederum Hunderttausende von Arbeitsplätzen in Deutschland.

Tschechien: Hidden Champion

Polen ist der mit Abstand wichtigste Handelspartner Deutschlands in der Region. Der bilaterale Warenhandel stieg im Jahr 2021 um 23 Milliarden Euro und liegt nun bei 145,6 Milliarden Euro (plus 19 Prozent): „Polen füllt die Lücke, die durch den Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union entstanden ist. Das Land ist nach China, den Niederlanden, den USA und Frankreich unser fünftwichtigster Auslandsmarkt und damit seit langem ein Eckpfeiler der deutschen Außenwirtschaft“, sagte Oliver Hermes. An zweiter Stelle steht die Tschechische Republik. Mit 97 Milliarden Euro (plus 16,7 Prozent) lag der Handelsumsatz im Jahr 2021 knapp unter der 100-Milliarden-Euro-Marke. Tschechien hat mit seinen knapp elf Millionen Einwohnern eine unglaubliche Erfolgsgeschichte geschrieben und ist vielleicht der größte Hidden Champion unter den osteuropäischen Ländern“, so der Leiter des Ost-Ausschusses. Russland ist im Osthandel wieder auf den dritten Platz zurückgekehrt und hat sich in der Rangliste verbessert, knapp vor Ungarn, das auf dem vierten Platz liegt.

Zunahme des Handelsumsatzes mit Russland

Oliver Hermes, Vorsitzender des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft
Foto: www.pnp.de

„Der Handelsumsatz mit Russland stieg im vergangenen Jahr um mehr als 34 Prozent auf fast 60 Milliarden Euro. Hier macht sich zwar der jüngste deutliche Anstieg der Energiepreise bemerkbar. Erfreulich ist aber, dass auch die russische Nachfrage nach deutschen Waren um 15 Prozent gestiegen ist“, so Oliver Hermes. Auch der Handel mit der Ukraine entwickelte sich im Jahr 2021 sehr dynamisch. Mit 8,5 Milliarden Euro wurde ein neuer Rekord aufgestellt. Die Importe aus der Ukraine nach Deutschland stiegen um 23 Prozent und die Exporte in die Ukraine um 17,3 Prozent. Wie der Leiter des Ost-Ausschusses betonte, zeigt dies, dass immer mehr ukrainische Unternehmen auf dem EU-Markt wettbewerbsfähig werden. In Südosteuropa sind Rumänien, Slowenien und Bulgarien die Spitzenreiter. Hervorzuheben ist Serbien, dessen Handelsbilanz einen Anstieg von 41 Prozent aufweist. In Zentralasien ist Kasachstan ein wichtiger Wirtschaftspartner für die Bundesrepublik. Die Einfuhren aus diesem Land verzeichneten im Jahr 2021 einen Anstieg um 52 Prozent.

Politische Spannungen als ernstes Risiko

Oliver Hermes wies darauf hin, dass sich die Stimmung in der deutschen Wirtschaft trotz der guten Bilanz im Jahr 2021 zunehmend eintrübt: „In den letzten Monaten ist es uns gelungen, die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise mit einer großen gemeinsamen Anstrengung zu mildern. Es stehen viele neue Investitionen an, insbesondere in klimafreundliche Technologien und Produktion. Dies ist ein absolut positiver Trend. Dieser Erfolg darf jetzt nicht durch politische Konflikte, eine neue Sanktionsspirale oder gar militärische Exzesse gefährdet werden“, betont der Präsident des Ost-Ausschusses. Seiner Ansicht nach würde ein heftiger Konflikt zwischen Russland und der Nato „neben schrecklichem menschlichen Leid den gesamten Kontinent und damit auch die europäische Wirtschaft um Jahrzehnte zurückwerfen“. Und die Unsicherheit wirkt sich bereits negativ auf die Märkte aus. Investitionen werden in Frage gestellt, die Aktien- und Devisenkurse schwächeln, wirtschaftliche Chancen bleiben ungenutzt und die Energiepreise schießen in die Höhe.

Krisendiplomatie unverzichtbar

Umso wichtiger ist es nach Ansicht von Oliver Hermes, dass sich die neue deutsche Regierung und der französische Präsident mit Nachdruck in der internationalen Krisendiplomatie engagieren. Die Wirtschaft hofft, dass die Antrittsbesuche von Bundeskanzler Olaf Scholz in Kiew und Moskau eine Perspektive jenseits des Ad-hoc-Krisenmanagements bietet. Oliver Hermes bewertete die bisherigen diplomatischen Bemühungen der Leiterin des Auswärtigen Amtes, Annalena Baerbock, während ihrer Reise nach Kiew und Moskau positiv und sprach von einer Intensivierung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit. Eine dauerhafte Deeskalation der Situation kann nach Ansicht von Oliver Hermes „nur durch ernsthafte Angebote zur Zusammenarbeit und Abrüstung“ erreicht werden.

Thema Energie

Der Leiter des Ost-Ausschusses verwies auch auf die Energiefrage, die Russland und die Ukraine seit mehr als 50 Jahren verbindet: „Wir sollten alle Probleme auf den Tisch legen, Konflikte im Gespräch klären und die bereits bestehende trilaterale Energiekooperation in eine Energie- und Klimapartnerschaft umwandeln“, schlägt Oliver Hermes vor. Er wies auch darauf hin, dass Deutschland zugesagt hat, ein neues Gastransitabkommen zwischen Russland und der Ukraine zu vermitteln. Seiner Meinung nach spielen sowohl Russland als auch die Ukraine „eine wichtige Rolle bei der europäischen Energiewende und dem Übergang zu Wasserstoff“. Außerdem „werden beide Länder auch wichtige Teilnehmer am europäischen CO2-Grenzausgleichsmechanismus sein. Es gibt also große Aufgaben, die wir nur gemeinsam bewältigen können“. In diesem Zusammenhang erinnerte der Leiter des Ost-Ausschusses an den mühsamen, aber erfolgreichen KSZE-Prozess der 70er Jahre und appellierte: „Neben den Sicherheitsfragen war ein wichtiges Element des Helsinki-Prozesses die engere Zusammenarbeit in den Bereichen Wirtschaft, Wissenschaft, Technologie und Umwelt. Wir plädieren daher für Helsinki 2.0 in Form einer neuen ständigen Konferenz zur Sicherheits- und Klimakooperation in Europa.“

Johann Engel

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