Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Polnischstämmige Fußballer in Deutschland

Die deutsch-polnischen Fußballkontakte haben eine lange und reiche Tradition. Spieler polnischer Herkunft waren in fast jeder Entwicklungsphase des deutschen Fußballs präsent.

 

In den 1920er und 1930er Jahren tauchten in den höchsten Spielklassen des deutschen Fußballs erstmals Spieler mit polnisch klingenden Namen auf. Das bekannteste Beispiel war Schalke 04 Gelsenkirchen mit Spielern aus dem Osten, darunter den unbestrittenen Mannschaftsführern Ernst Kuzorra und Fritz Szepan. Ähnlich sah es allerdings in nahezu jedem Team des Ruhrgebiets aus. Wie der deutsche Historiker Diethelm Blecking errechnet hat, gab es in der Gauliga-Saison 1937/1938 68 Spieler mit polnischen oder masurischen Wurzeln, die in 15 Vereinen des Ruhrgebiets spielten. Paradoxerweise wurde die Stärke der deutschen Nationalmannschaft während des Dritten Reiches durch Spieler mit folgenden Namen bestimmt: Adolf Urban, Rudolf Gellesch, Stanislaus Kobierski, Paul Zielinski, Josef Rodzinski und vor allem die bereits erwähnten Kuzorra und Szepan.

 

Meister aus dem Grenzland

Ernst Willimowski
Foto: NN

Das spektakulärste Beispiel für einen Fußballspieler polnischer Herkunft, der seine Karriere in Deutschland fortsetzte, ist Ern(e)st Wil(l)imowski. Sein Fall veranschaulicht zugleich das komplizierte Schicksal der Schlesier. Er wurde 1916 in Kattowitz geboren und wuchs in einer polnisch-deutschen Familie im multikulturellen und zweisprachigen Schmelztiegel des schlesischen Grenzgebiets auf. Seine Karriere begann beim 1. FC Kattowitz, einem Verein der deutschen Minderheit, seine größten Erfolge feierte er jedoch in seiner zweiten Mannschaft Ruch Hajduki Wielkie (später Ruch Chorzów/Königshütte), die im Volksbewusstsein eindeutig mit den schlesischen Aufständischen und propolnischen Patrioten assoziiert wurde. Mit Ruch gewann er vier polnische Meisterschaften und wurde dreifacher Torschützenkönig. Er spielte 22 Mal in der polnischen Nationalmannschaft und erzielte dabei 21 Tore. Sein Debüt gab er auch bei der Weltmeisterschaft 1938, wo er in der Begegnung zwischen Polen und Brasilien (5:6) vier Tore erzielte und damit einen WM-Rekord aufstellte, der erst 1994 gebrochen wurde. Nach dem deutschen Angriff auf Polen und der Besetzung des Kattowitzer Teils Oberschlesiens nahm er die deutsche Staatsbürgerschaft an und begann die nächste Etappe seiner Karriere in deutschen Klubs und der deutschen Nationalmannschaft, für die er in acht offiziellen Spielen 13 Tore erzielte. Aus politischen Gründen kehrte er nie nach Polen zurück und starb 1997 in Karlsruhe.

 

Fußballer in der DDR

Dariusz Wosz
Foto: Sven Mandel/CC-BY-SA-4.0

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde der Fußball für die neue kommunistische Führung in Polen zu einem wichtigen Faktor, um öffentliche Unterstützung zu gewinnen und ein von der Regierung gewünschtes Modell des Patriotismus zu schaffen. Aus ideologischen Gründen gab es in dieser Propagandabotschaft keinen Platz dafür, dass die besten Spieler zu ausländischen Klubs gehen würden. Deshalb waren die allermeisten Spieler, die im geteilten Deutschland Karriere machten, diejenigen, die Polen in sehr jungen Jahren verlassen hatten. In der DDR war der bekannteste polnische Spieler Dariusz Wosz aus Deutsch Piekar, der sowohl die DDR (sieben Einsätze) als auch das wiedervereinte Deutschland (17) vertrat. In seiner Vereinskarriere spielte er für Chemie Halle, nach der Wiedervereinigung für den VfL Bochum und Hertha Berlin. Ähnlich erging es dem in Schwientochlowitz geborenen Damian Halata, der für den 1.FC Magdeburg und Lokomotive Leipzig spielte und zudem vier Mal für die Nationalmannschaft der DDR auflief. Einen Einsatz im DDR-Nationalteam absolvierte auch der in Hindenburg geborene Waldemar Ksienżyk, der für den 1.FC Union Berlin und Dynamo Berlin und nach der Wende u.a. für Schalke spielte.

 

Fußballer in der BRD

Michael Bemben
Foto: Seppalot13/wikimedia commons

Beispiele aus der BRD sind der in Hindenburg geborene Christian Kulik, zweifacher UEFA-Cup-Sieger und dreifacher Landesmeister mit Borussia Mönchengladbach, Michael Kutzop aus Lublinitz, der u.a. für Werder Bremen spielte, und Joachim Philipkowski aus Sensburg, der u.a. den 1.FC Nürnberg vertrat. Später waren es u.a. Darius Kampa, Martin Max, Marcel Witeczek und Michael Bemben. Besonders gut bekannt sind in dieser Gruppe jedoch die Spätaussiedler-Kinder und Nationalspieler des wiedervereinten Deutschlands Piotr Trochowski, Miroslav Klose und Lukas Podolski.

Die Bundesliga zog auch polnische Spieler an, die von einer Karriere im Westen träumten. Um diese Pläne zu verwirklichen, mussten sie spektakuläre illegale Fluchten aus dem Land wagen. Piotr (Waldemar) Słomiany ist einer der interessantesten Fälle. Der Abwehrspieler von Górnik Hindenburg (vierfacher Polnischer Meister) floh 1966 in die BRD, wo er – trotz lebenslanger Sperre durch den polnischen Fußballverband – als erster polnischer Flüchtling in der Bundesliga für Schalke auflief. Seine Karriere wurde 1971 durch eine Korruptionsaffäre unterbrochen, die den deutschen Fußball erschütterte und in der er in Spielmanipulationen verwickelt war, was zu einer zweijährigen Sperre führte.

 

Inspiration für ein Drehbuch

Jan (Heinz-Dieter) Banaś kann ebenfalls eine spannende deutsch-polnische Fußballbiografie vorweisen. Seine Lebensgeschichte wurde zur Inspiration für das Drehbuch zu „Gwiazdy“ (Stars), einem Film unter der Regie von Jan Kidawa-Błoński. Banaś wurde von seinem Vater, einem in der BRD lebenden Deutschen, zur Flucht bewogen, der ihm einen Vertrag bei einem führenden Bundesligaverein versprach. Schließlich beschloss er, enttäuscht von der Haltung seines Vaters und den Problemen, die sich aus der drohenden Disqualifizierung ergaben, nach Polen zurückzukehren. Nach seiner Rückkehr setzte er seine Karriere erfolgreich bei Górnik Hindenburg und in der Nationalmannschaft fort. Allerdings wurde ihm trotz glänzender Form nicht erlaubt, das Land bei den Olympischen Spielen 1972 in Deutschland und der WM 1974 zu repräsentieren.

Die 80er Jahre brachten eine weitere Welle von illegalen Ausreisen von Fußballspielern. Interessant war hierbei der Fall des Mittelfeldspielers Andrzej Rudy von Śląsk Breslau. Aufgrund seines Könnens, seiner Persönlichkeit und seiner Beziehung mit dem Model Anna Dąbrowska galt er im Lande als eine Berühmtheit. Deshalb fand seine Flucht ein breites Echo und er wurde von den Behörden und den Medien zu einem „Verräter“ erklärt. Die vom polnischen Fußballverband verhängte Disqualifikation hinderte ihn jedoch nicht daran, seine Karriere beim 1. FC Köln erfolgreich fortzusetzen.

Nach dem WM-Erfolg der polnischen Nationalmannschaft im Jahr 1982 erhielten einige Nationalspieler die Erlaubnis, ins Ausland zu wechseln. 1984 kam der erste legal transferierte Spieler, Stefan Majewski, in der Bundesliga zum Einsatz. In Westdeutschland spielte er erfolgreich für den 1.FC Kaiserslautern und Arminia Bielefeld. Ihm folgten bald weitere Nationalspieler: Andrzej Buncol (FC Homburg, Bayer Leverkusen, mit dem er den UEFA-Cup erreichte, und Fortuna Düsseldorf), Włodzimierz Smolarek (Eintracht Frankfurt), Mirosław Okoński (HSV), Andrzej Iwan (VfL Bochum).

 

Andrzej Iwan
Foto: Sławek/wikimedia commons

 

Eine sehr erfolgreiche Karriere in der Bundesliga hatte Jan Furtok. 1988 unterschrieb er beim Hamburger SV als Nachfolger von Okoński. Er erzielte 51 Tore in 135 Spielen für den HSV und weitere neun in 53 Einsätzen für Eintracht Frankfurt. Damit war er der torgefährlichste Pole in der Bundesliga. Dieser Rekord wurde nur von Robert Lewandowski übertroffen.

 

Robert Lewandowski
Foto: Sven Mandel/CC-BY-SA-4.0

 

Der demokratischen Wandel in Polen im Jahr 1989 hat die Situation der Fußballer völlig verändert. Von da an waren nicht mehr politische Erwägungen, sondern nur noch das persönliche Können und finanzielle Kriterien für einen Transfer nach Deutschland entscheidend.

Dariusz Wojtaszyn

 

 

Über den Autor: Dariusz Wojtaszyn studierte Geschichte an der Adam-Mickiewicz-Universität in Posen (1993-1998), Promotion (2007) und Habilitation (2014) an der Universität Breslau, Assistent am Lehrstuhl für Geschichte des Willy-Brandt-Zentrums für Deutschland- und Europastudien (2005-2008), freier Mitarbeiter am Institut für Journalismus und soziale Kommunikation der Universität Breslau (2007-2009), Gastprofessor an der Universität Wien (2015). Forschungsinteressen: deutsch-polnische Beziehungen nach dem Zweiten Weltkrieg, Geschichte Deutschlands und Geschichte der DDR, internationale Schulbuchforschung, Geschichte, Soziologie und Anthropologie des Sports, europäische Gedenkstätten, imagologische Aspekte der deutsch-polnischen Beziehungen, Biogeschichte.
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