Wochenblatt – Gazeta Niemców w Rzeczypospolitej Polskiej

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Von der Milchstraße zurück unter den Oppelner Himmel

Die Modedesignerin Beate Bonk und den Künstler Roman Schmelter verbindet eine schier unglaubliche Liebesbeziehung. Schon während ihrer Jugend in Oberschlesien waren die beiden ineinander verliebt, verloren sich dann aber jahrzehntelang aus den Augen, als sie unabhängig voneinander nach Deutschland umsiedelten. Anfang 2019 fanden sie wieder zusammen – und kehrten gemeinsam nach Oppeln zurück.

Alles beginnt Mitte der 1970er-Jahre am Bahnhof in Kandrzin-Cosel (Kędzierzyn-Koźle), der Heimatstadt von Beate Bonk und dem ein Jahr älteren Roman Schmelter. Als Teenager warten die beiden dort jeden Morgen auf den Zug, um zur Schule – dem Gymnasium für Bildende Künste in Oppeln – zu fahren. „Wir haben uns auf dem Bahnsteig gesehen und fanden uns schon damals umwerfend“, schwärmt Roman Schmelter. Und tatsächlich: Aus den schüchternen Blicken entwickelt sich schnell eine Jugendliebe. Doch das junge Glück hält nur wenige Monate, denn Beate Bonk siedelt 1977 – zu Beginn der elften Klasse – mit ihrer Familie nach Deutschland um. „Wir mussten uns voneinander verabschieden und haben uns dann aus den Augen verloren“, erzählt die heute 61-Jährige.

So nah und doch so fern

Beate Bonks neues Zuhause in Deutschland wird das hessische Kassel. Dort macht sie 1980 ihr Abitur und studiert anschließend Modedesign an der Universität der Künste (UdK) in Westberlin. Schon während ihres Studiums arbeitet sie als freiberufliche Designerin sowie als Film- und Theaterausstatterin. Bald darauf heiratet sie und bringt einen Sohn zur Welt. Anfang der 1990er-Jahre zieht die junge Familie berufsbedingt nach Ingolstadt. Die Ehe geht zwar in die Brüche, doch Beate Bonk macht als Designerin Karriere, entwirft eigene Modekollektionen, eröffnet Ateliers – zuletzt in der Ingolstädter Milchstraße – und beginnt sogar eine Lehrtätigkeit an der Modefachschule Sigmaringen. „Ich bin in Ingolstadt sesshaft geworden, war beruflich und privat fest verwurzelt“, erzählt sie. An eine Rückkehr nach Oberschlesien denkt sie nicht – und auch ihr Roman ist nur noch eine süße Erinnerung an die alten Zeiten.

Beate Bonk und Roman Schmelter vor ihrer Galerie in der Oppelner Innenstadt
Foto: Lesław Terpiłowski

Dieser bleibt nach der Schule noch einige Zeit in Polen, studiert Werbedesign in Kattowitz und Grundschulpädagogik in Oppeln, arbeitet danach als Kunstlehrer und freischaffender Künstler. Auch er heiratet und bekommt einen Sohn, auch er lässt sich später scheiden. Im Jahr 1987, also zehn Jahre nach Beate Bonk, zieht Roman Schmelter ebenfalls nach Deutschland, zunächst nach Friedrichshafen, dann nach Mainz. Dort eröffnet er 1990 eine Galerie, an die 2006 auch eine Malschule angeschlossen wird. Trotz seines Erfolgs als Galerist und Maler hat er seine Jugendliebe nie vergessen. „Ich hatte immer das Gefühl, dass ich in unserer damaligen kurzen Beziehung etwas falsch gemacht habe“, erzählt er. „Und ich habe mir immer wieder Hoffnungen gemacht, dass wir doch noch mal zueinanderfinden.“ Ab und zu googelt er Beate Bonk, verfolgt ihren Werdegang, ruft sie sogar zweimal an (1987 und 2005), doch die Gespräche bleiben oberflächlich und gehen nicht über Small Talk hinaus. Es scheint, als sei die alte Liebe nicht mehr wiederzubeleben.

Ein Anruf, der alles verändert

Doch Roman Schmelter gibt nicht auf. Am 6. Februar 2019 fasst er sich noch mal ein Herz und ruft Beate Bonk ein drittes Mal an. Denn „aller guten Dinge sind ja bekanntlich drei“, merkt diese mit einem Augenzwinkern an. Und diesmal ist tatsächlich alles anders. „Das Gespräch verlief großartig, alles war perfekt, alle Gefühle und Erinnerungen waren sofort wieder da“, sagt Roman Schmelter. Und auch Beate Bonk ist völlig eingenommen von der wiederaufgeflammten Leidenschaft: „Von diesem Telefonat ging eine sehr starke Macht aus; ich habe sofort gewusst, dass sich hier gerade etwas grundlegend verändert. Da war für mich die Sache klar.“ Die beiden beschließen, sich zwei Wochen später in Frankfurt am Main zu treffen. Halb im Spaß und halb im Ernst fragt Roman Schmelter dann noch: „Und willst du mich dann heiraten?“ Auf die Antwort muss er nicht lange warten: „Ja, sofort!“, schallt es aus dem Telefonhörer.

Nach über 40 Jahren Trennung dann das Wiedersehen in Frankfurt – und alles ist sofort wie früher. „Wir haben uns in ein Café gesetzt, als ob wir schon als jahrzehntealtes Pärchen dort angekommen wären“, erzählt Beate Bonk. „Wir haben über unsere Zukunft gesprochen, und dann erzählte mir Roman von seiner Idee, wieder zurück nach Polen zu gehen. Da habe ich zu ihm gesagt: ‚Dann lass uns das doch gemeinsam machen!‘.“ Und tatsächlich lassen die beiden ihren Worten Taten folgen, brechen ihre Zelte in Deutschland ab und planen die gemeinsame Rückkehr nach Polen.

Rückkehr in die alte Heimat

Anfangs wollen die beiden an die polnische Ostseeküste ziehen, in das kleine Hafenstädtchen Putzig (Puck). Auch Stettin (Szczecin) ist im Gespräch. Doch dann entscheiden sie sich für ihre alte Heimat Oppeln – die einzig logische Wahl, denn hier haben sie sich kennengelernt, hier kennen sie sich aus und hier gibt es sogar noch Verwandte. Sie entschließen sich dazu, eine gemeinsame Galerie zu eröffnen, in der sowohl seine Gemälde als auch ihre Mode und Accessoires ausgestellt und zum Kauf angeboten werden.

Dann geht alles ganz schnell: Schon im Januar 2020, also nicht einmal ein Jahr nach dem Wiedersehen in Frankfurt, findet der Umzug nach Oppeln statt. Am 2. Mai 2020, inmitten der Coronapandemie, folgt dann auch schon die (virtuelle) Eröffnung ihrer Galerie – der BONK Art Gallery – am Ring (Rynek) in der Altstadt. Und natürlich heiraten sie auch: am 24. Oktober 2020 in kleinem Kreis auf Schloss Moschen bei Klein Strehlitz (Strzeleczki). Das Happy End ihrer Liebesbeziehung können die beiden oft selbst kaum glauben. „Wir zwicken uns manchmal und denken: ‚Ist das wahr oder ist das alles nur ein schöner Traum?‘“, sagt Beate Bonk. Sie sind jetzt angekommen in ihrem neuen gemeinsamen Leben – und fühlen sich doch so, als seien sie nie woanders gewesen.

Lucas Netter

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